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Fluchend stolperte Finn an Louisans Seite durch das Unterholz.
"Wenn man bedenkt, dass es zuhause gerade Mittag ist", schimpfte er.
Sie hatten gelernt, dass die Jahres- und Tageszeiten im Neblland genau gegensätzlich zu denen der Menschenwelt waren.
Immerhin hatte Finn daran gedacht, sein Messer mitzunehmen. Louisan war leider nicht so klug gewesen.
"Wir wissen nocht nicht einmal, in welche Richtung wir gehen müssen", fröstelnd schlang sie ihre Arme um ihren Leib.
"Stimmt", missmutig versuchte Finn, den Himmel zwischen den Ästen ausfindig zu machen, "Wir kennen noch nichtmal unser Ziel. Oder hat Rashja es dir vorhin verraten?"
"Nein, er...", Louisan hielt inne.
Was genau hatte der Elf ihr überhaupt mitteilen wollen?
Traue dem, was du hörst...
"...Er hat uns nur Glück gewünscht", vervollständigte sie ihen Satz wage.
"Aha", Finn zog argwöhnisch eine Augenbraue hoch und begann, sich weiter seinen Weg durchs Gestrüpp zu bahnen. Louisan folgte ihm.
Dann stutzte sie. Etwas hatte sich verändert.
Irritiert ging sie ein paar Schritte Rückwärts. Das Prickeln, dass sie auf ihrer Haut spürte, seit sie den Wald betreten hatte, war abgeebt, aber entgegen ihrer Erwartungen war das keine Erleichterung.
Es gab ihr eher das Gefühl, auf einmal ohne Sicherung durch einen Hochseilgarten zu staksen.
"Was ist los?", Finn hatte ihr Zögern bemerkt.
"Merkst du es nicht?"
"Was denn?"
Das machte das ganze nur noch seltsamer. Finn hatte die Gegenwart der Elfen doch vorher genauso gespürt wie sie, oder etwa nicht?
Misstrauisch wandte sie sich um und lief ein Stück ihres Weges zurück.
Tatsächlich! Das Gefühl kehrte zurück.
Zum ersten Mal war Louisan froh darüber.
"Wir laufen in die falsche Richtung", wisperte sie.
"Woher willst du das wissen?", Finn war ihr ärgerlich gefolgt.
Ja woher?
"Es... es ist so ein Gefühl..."
"Und du glaubst, das bringt uns weiter?", fragte er argwöhnisch.
Er glaubte ihr nicht.
Wütend runzelte Louisan die Stirn.
"Ja. Das glaube ich in der Tat. Ich kann mich meistens auf mein Gefühl verlassen", gab sie schnippisch zurück.
Das stimmte. Sie hatte schon immer eine gute Intuition gehabt. Und hatte Rashja nicht auch so etwas ähnliches gesagt? Gut, mit hören hatte das hier bisher wenig zu tun, aber dennoch...
Fest entschlossen, ihrer Spur zu folgen, wandte sie sich um. Es war Finns Sache, ob er mitkam oder nicht. Tatsächlich hörte sie ihn hinter sich fluchen, aber er blieb bei ihr.

Louisan folgte dem Gefühl wie ein Jagdhund der Spur eines Hasen.
Wenn sie sich darauf konzentrierte konnte sie ziemlich präzise die Richtung erahnen.
Auf ihrem Weg schien sie ziemlich viel Lärm zu verursachen, aber darauf konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Über ihnen wurde der Himmel allmählich immer heller.
Irgendwann mischte sich ein weiteres , unbekanntes Geräusch in das Brechen der Zweige und das Rascheln der Blätter.
Louisan blieb stehen.
"Was ist?", blaffte Finn gereizt.
Ihre kommentarlose Kursänderung hatte nicht gerade zu seiner guten Laune beigetragen.
"Shhht!", wieß sie ihn zu Recht und lauschte.
Tatsächlich. Ein Wispern, ein Raunen feiner Stimmen, in einer Sprache, die sie nicht kannte, die ihr aber genauso vertraut vorkam wie die Kinderlieder ihrer Mutter.
Kannte sie dies wirklich oder lag es nur an der Elfenkraft in ihr?
In diesem Augenblick war Louisan das egal, ihr Herz tat einen Sprung. Das war es, was Rashja gemeint hatte, das musste es sein!
Sie waren fast da!
Unwillkürlich begann sie zu laufen, den Stimmen hinterher wie einem Irrlicht.
Rief Finn ihr etwas nach?
Leise sollte er sein, sie musste zuhören!
Das Wispern wurde lauter.
Vögel flogen vor ihr schnatternd aus dem Gebüsch, aber Louisan hielt nicht an.
Zwischen den Bäumen tauchten Umrisse auf, die sich von denen des Waldes abhoben. Ein Hügel vielleicht. Und davor...
Schwer atmend blieb Louisan stehen.
Im Eingangsbereich einer eigentümlich beleuchteten Höhle wandten sich drei Gestalten nach ihr um. Rot, schwartz und violett.
Die Stimmen erfüllten die Luft wie ein leises Summen.
"Du hast sie gefunden", Finn klang überrascht und annerkennend, wenn auch wiederwillig.
Ja. Ja, sie hatte sie gefunden.
Die drei Elfen kamen näher.
"Ich wusste, ihr würdet es schaffen", die Erleichterung stand der Königin ins Gesicht geschrieben.
Auch Rashja schien aufzuatmen.
"Gut gemacht", bemerkte er schlicht.
Nur der Magier verzog einen Mundwinkel ohne ein Wort zu verlieren.
Louisan warf ihm einen bösen Blick zu.
Ich weiß, was du vorhattest, du Drecksschwein. Wenn es nach dir gegangen wäre, wären wir in diesem Wald verhungert.
Zu ihrem großen Erstaunen zuckte der Mann erschrocken zusammen, als hätte er ihre Gedanken aus ihren Augen herausgelesen.
Verduzt wandte Louisan sich ab.
Die Königin hatte den Blickwechsel nicht bemerkt.
Sie breitete nur einladend die Arme aus und sagte: "Willkommen in der Höhle der Zeichen. Ihr habt euch wirklich würdig erwiesen."
"Die Höhle der Zeichen?", die Ratlosigkeit stand Finn geradezu ins Gesichtgeschrieben.
"Die Höhle der Zeichen", erwiderte Rashja und trat tiefer in den Erdschlund hinein, "Ist der Ort, an dem alle Geheimnisse und Geschichte  geschrieben stehen."
Tatsächlich waren die Wände mit schimmernden Runen bedeckt, die inneinander verschlungen ein Atemberaubendes Mosaik bildeten.
Das Wispern in Louisans Ohren war noch einmal lauter geworden.
"Und was sind das für Geheimnisse?", erkundigte Finn sich.
"Das wissen wir nicht", Rashja wandte sich zu seinen Schülern um.
Louisan stutzte: "Aber wie..."
Der Elf ließ sie nicht ausreden.
"Sie waren schon immer hier. Mit vielem hier ist es genauso", seine Hände fuhren beinahe zärtlich über die Linien im Stein.
"Ihr Menschen", flüsterte er gedankenverloren, "werdet geboren. Ihr entspringt dem Körper einer anderen Person. Ihr wachst daraus hervor und wachst auch danach noch weiter, bis ihr eines Tages wieder zerfallt. Ein sehr kurioser Vorgang. Ein kurzes Leben. Aber faszinierend. Wir Elfen sind anders. Wir treten eines Tages aus dem Nebel und sind dann da. Genauso, wie wir für den Rest der Zeit sein werden. Wir kennen auf Schlag unsere Namen, wissen, wer wir und die anderen sind und kennen unsere Bestimmung. Bei uns wächst nichts. Nicht einmal die Erfahrung. Als ich meinen ersten Schritt in diese Welt tat, wäre ich schon bereit gewesen, auf der Stelle einen Krieg anzuführen. Keiner von uns weiß, wie wir tatsächlich entstehen. Aber hier steht es geschrieben."
Louisan spürte, wie ihr Mund trocken wurde, obwohl sie sich ihre plötzliche Aufregung nicht erklären konnte.
"Aber wenn es doch hier steht", krächzte sie heißer.
"Wir können es nicht lesen", widersprach Rashja, "Keiner von uns. Das kann nur eine", und sein Blick ruhte auf ihr.

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