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Mit einem Brüllen ließ Louisan ihre Handkante auf das Holzbrett niedersausen, sodass es knackend zerbrach.
"Siehst du? Du kannst es doch!", applaudierte Finn, der grinsend neben ihr hockte.
Louisan verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse.
"Mit roher Gewalt hatte ich in dieser Arena noch nie Probleme", konterte sie und rieb sich den Staub von den Handflächen.
"Aber auch in den anderen Dingen wirst du besser", Rashja nichte zufrieden mit dem Kopf, "Die Königin wird erfreut sein, dass zu hören."
Louisan und Finn tauschten einen vielsagenden Blick.
Es interessiert uns nicht, was sie denkt.
"Sie möchte bestimmt über eure Fortschritte informiert werden, heute, auf ihrem Fest."
Finn, der begonnen hatte, die Holzstücke vom Boden aufzusammeln, hielt stirnrunzelnd inne: "Ein Fest?"
Louisan wusste, was er dachte. Die Elfen waren auch ihr bisher nicht wie Leute vorgekommen, die feierten.
"Die Königin gibt ein Fest im nördlichen Palast. Ihr beide seid mit euren Partnern als Ehrengäste eingeladen."
"Unseren Partnern?", rutschte es Louisan heraus.
Rashja zog seine Augenbraue hoch: "Karal und Geran. Wer den sonst?"
"Ach ja", Louisans Laune sank sofort um einiges. Musste sie diesen Idioten etwa wiedersehen?
"Ich glaube, ich bin müde... Ich würde mich heute Abend lieber ausruhen, das Training ist so anstrengend in letzter Zeit...", versuchte sie, sich herauszureden, aber Rashja unterbrach sie bestimmt: "Die Königin würde es als Beleidigung auffassen, wenn ihr nicht kommen würdet."
Louisan biss sich auf die Lippe.
Ich empfinde es auch als Beleidigung, wenn man mich mit einem Hohlkopf verheiraten will.
Hinter Rashjas Rücken verdrehte Finn die Augen. Wenigstens würde er da sein.

Die Fenster des Palastes, der so aussah wie Louisans eigener, nur ein wenig größer, waren hell erleuchter und eine seltsame, rauschende Musik drang von dort aus in den Garten. Louisan  stand in Trainingskleidung im Garten, weit weg von den Fackeln und halb verdeckt von einem gewaltigen Busch. Elfen in prächtigen Roben schritten an ihr vorbei wie in einer stillen Prozession, aber keiner bemerkte sie. Louisan wartete auf Finn, darauf, dass sein schlichteres, robenloses Äußeres aus der Masse hervorstechen würde. Ohne Finn würde sie nicht hineingehen, in diesen Festsaal, sie würde umdrehen und in ihre Grotte zurückkehren, wo man sie wenigstens in Ruhe ließ, und...
"Was tust du denn hier?", Rashja hatte sich unauffällig von der Seite genähert, "Wir warten auf dich."
"Waah... oh. Hallo. Ich... dachte.... dachte wir treffen uns vorher..." stammelte Louisan erschrocken.
"Offenbar hast du dem Boten, der dich und Karal abgeholt hat, nicht besonders gut zugehört", missbilligend wanderte sein Blick an ihrem ausgeleiertem T-shirt entlang, "Ich weiß, dass du unsere Roben nicht  trägst, aber hättest du nicht wenigstens das Menschenkleid anziehen können, dass wir dir zu deinem Palast gebracht haben?"
"Öhm..." spiel verstockt, na los doch! "Nein. Es hat mir nicht gefallen."
"Wie seltsam. Wir haben es doch schließlich aus deinem Schrank."
Bei dieser Ankündigung blieb Louisan vorrübergehend die Spucke weg.
"Ihr ward an meinem Schrank?", rief sie dann entgeistert.
"Natürlich", erwiderte Rashja, als sei es das normalste auf der Welt.
"Ihr seid bei mir eingebrochen?", fuhr Louisan fort, und setzte dann, von einer bösen Vorahnung ergriffen, hinzu: "Hat meine Mutter etwas bemerkt?"
"Das war auch unsere Sorge, aber wir haben sie vorrübergehend betäubt, sodass sie vermutlich nichts von der ganzen Geschichte mitbekommen hat."
In Louisans Vorstellung nahm ein Horrorszenario gestalt an, von vampirhaft in einer Ecke lauernden Elfen, die, während ihre Mutter zu den Klängen aus ihrer Stereoanlage nichtsahnend in der Zeitung laß, den Inhalt einer kleinen Flasche in den Kaffee entleerten...
"Ihr seid echt das letzte", stieß sie angewiedert aus.
Louisan drehte sich auf dem Absatz um und lief alleine die Treppen zum Tor hinauf. War doch egal, ob Finn noch kam.
Arme Mum. Reichte es denn nicht, dass diese verdammten Kreaturen sie nicht in Ruhe ließen? Konnten sie nicht wenigstens die einzige Person, die noch nicht in dieses Schlamassel hineingezogen wurde in Ruhe lassen?
Die Lichter der Feier verschwammen vor ihren Augen und sie musste die Tränen wegblinzeln.
"Du bist weggelaufen", ertönte die eine, gleichgültige Stimme, die Louisan heute unter gar keinen Umständen hatte hören wollen und kalte Finger griffen nach ihren.
Stoß ihn weg! Schrie jeder einzelne Nerv ihres Körpers. Sie musste sich zusammenreißen, es nicht zu tun.
"Was geht das dich an?", antwortete sie stattdessen, fand aber, dass ihre Stimme brüchig klang.
Karal schien es nicht zu bemerken, er blickte stur gerade aus.
Hilfesuchend blickte Louisan sich um. Am anderen Ende der Halle entdeckte sie Finn, an seinem Arm hing eine zierliche, schwarzhaarige Elfe in einer smaragdgrünen Robe.
Auch sein Blick schweifte suchend durch den Raum, seine blauen Augen flackerten kurz auf, als er sie fand.
Sein Mundwinkel flog kurz in die Höhe und er hob die Hand leicht zum Gruß.
Die Elfe an seiner Seite folgte seinem Blick. Ihre Augen waren grün, aber heller als ihre Kleidung. Sie strahlte über das ganze Gesicht und winkte enthusiastisch in ihre Richtung.
Sie passt wirklich überhaupt zu ihm. Diese Spinner.
"Man erwartet von uns", bemerkte Karal und fasste ihre Hand fester, "Dass wir gemeinsam einmaschieren."
Dann zerrte er sie weiter. Louisan stolperte neben dem Elfen her in einen bis zum Rand gefüllten Saal.
Der Raum wurde von einem gewaltigen Tisch beherscht, der mit verschiedenen Speisen beladen war.
Als Louisan und Finn mit ihren Partnern durch die Tür traten verstummten alle Gespräche mit einem Schlag und das Orchester in der Ecke hörte auf zu spielen.
Das T-shirt, das sonst so bequem war, scheuerte auf einmal unangenehm auf Louisans Schultern.
Am oberen Ende des Tisches erhob sich die Königin, deren Robe heute geradezu überladen war vor Gold.
"Unsere Lieben Freunde", sie breitete die Arme aus, "Die Auserwählten und unsere größte Hoffnung. Setzt euch doch", sie deutete auf vier freie Plätze rechts und links von ihr.
Karal schob Louisan Richtung Tafel, wo sie sich auf den Stuhl fallen ließ und sich verstohlen die Hand an der Jogginghose ab.
"Das ist aber ein sehr... Interessantes Outfit", bemerkte die Königin.
Die Geräuschkulisse im Saal schwoll langsam wieder an.
"Danke. Das... das trägt man so", stammelte Louisan.
Die Königin drehte den Kopf um mit Finn zu sprechen. Louisan beobachtete ihr Profil. Die Züge der Herrscherin waren gelöster als sonst. Ein feines Lächeln schwebte über ihren Lippen.
Gab diese Frau hier nicht die Befehle? Hatte sie dann den Einbruch angeordnet? Die ganze Entführung von Anfang an?
Angeekelt wandte sie sich ab, aber da kam Karal ins Sichtfeld.
Hastig korrigierte sie ihren Blick Richtung Teller. Über den Tellerrand linste sie zu Finn herrüber, nur um zu sehen, wie er von seinem Anhang vom Sitz und von da aus in Richtung Orchester gezerrt wurde. Sie konnte kurz einen erschrockenen Blick von seiner Seite erahnen, war sich aber nicht sicher.
Die Königin begann über ihren eingezogenen Kopf hinweg, eine Unterhaltung mit Karal zu führen.
Was tat sie überhaupt hier?
Das hohe Sirren, dass die Melodie der Musik untermalte, verursachte ihr Kopfschmerzen und von dem Geruch, den eine Elfe schräg gegenüber von ihr verströhmte, wurde ihr übel.
"Etwas zu trinken?", bot eine leise Stimme an ihrem rechten Ohr an.
"Was? Oh, äh...", erschrocken schreckte Louisan hoch.
Eine etwas unscheinbarer gekeidete Elfe  hatte sich über den Tisch gebeugt, mit einem Porzellankrug in der Hand.
"Ähm... nein danke, ich glaube..", eine offene Terassentür fiel ihr ins Auge, "...Ich glaube, ich gehe an die frische Luft."
Der schwere Stuhl quitschte, als sie in zurückschob. Die dunkle Nacht vor dem hohen Fenster schien fast wie ein sicherer Hafen und ohne es zu wollen wurde Louisan schneller, als sie darauf zu lief.
Kalte Luft schlug ihr entgegen und das Stimmengewirr wurde leiser, als sie endlich aus dem Saal heraus trat. Sie befand sich auf einer länglichen Terasse, die sich überdacht die ganze Länge der Seitenwand entlang zog.
Auch hier standen Elfen in kleinen Grüppchen beisammen, aber es waren wohl diejenigen, die genau wie sie vor dem Trubel des Festes geflohen waren.
Schwer atmend stützte Louisan sich auf die Balustrade.
Was für ein Desaster.
Die Sterne über dem weitläufigen Garten blinkten, aber es waren andere als die, die sie zuhause von ihrem Fenster aus sah.
Zuhause... Wo war das noch gleich gewesen?
Traurig stellte Louisan fest, dass sie sich kaum noch daran erinnern konnte, wie es gewesen war, nicht in einer Elfengrotte zu schlafen und nicht jeden Tag Krieger in einem Boxring zu verprügeln.
"Bist du immer noch auf der Flucht vor deinem Verlobten?"
Eine hochgewachsene Gestalt lehnte sich neben sie an die Stein Mauer.
Sie brauchte nicht aufzusehen um zu wissen, dass es Rashja war.
Kalte Wut flammte in ihrem inneren auf und schwemmte die schwere Melancholie, die sie vorrübergehend gepackt hatte, fort.
Wie konnte er es wagen sie jetzt schon wieder anzusprechen?
"Was geht dich das an?", fauchte sie, "Das ist genauso wenig dein Zuständigkeitsbereich wie mein Kleiderschrank. Oder meine Familie. Oder überhaupt, meine ganze Welt! Es gibt gewisse Grenzen, und nur weil ihr...", sie stutzte, " Was heißt denn immer noch?"
Ein Lächeln zuckte über Rashjas Gesicht.
Machte er sich über sie lustig?
"Wir sind nicht so dumm wie du denkst. Karal hat uns schon längst informiert, dass du davon gelaufen bist. Du hast dich in den Trainingsgrotten versteckt, nicht wahr?"
Louisan blickte ihn sprachlos an.
Rashja lachte leise, legte ihr seine Hand auf die Schulter und drehte sie um, sodass sie durch eines der Fenster zurück in den Saal sehen konnte.
"Schau ihn dir an", er deutete auf Finn, der mit düsterem Blick in einer Ecke stand, "Was siehst du?"
"Er möchte genauso wenig hier sein wie ich"
"Ja, da hast du Recht. Aber was siehst du noch?"
Louisan kniff ihre Augen zusammen und begutachtete ihren Freund genauer. Zuerst fiel ihr nichts auf, aber dann erkannte sie, dass seine schwarzen Haare, die sonst so strähnig hingen, um einiges ordentlicher lagen, und auch ansonsten machte er einen sehr gepflegten Eindruck.
"Er sieht aus wie jemand, der in einem Schloss lebt, dort isst und schläft.", antwortete Rashja an ihrer Stelle, "Und jetzt, sie dich an" , er drehte sie zurück in ihre vorherige Position und lenkte ihren Blick auf einen kleinen Teich, der, ruhig, wie ein dunkler Spiegel im Gras lag.
Aus dem dunklen Wasser blickte ihr ein hageres Gesicht entgegen, dunkle Schatten lagen unter den Augen und Flecken, die genauso gut hartnäckiger Schmutz wie auch Blutergüsse sein konnten zierten die Wangen, während ihre Haare lose daneben hinunter fielen.
"Du", ergänzte Rashja, "Du siehst aus wie jemand, der auf einer Bank schläft und sich nur von einem Stück Brot am Tag ernährt"
Louisan konnte ihren Blick nicht von ihrem Spiegelbild wenden.
War das wirklich ihr Gesicht? Sie hatte seit Wochen nicht mehr in einen Spiegel geschaut. Rashja hatte Recht. Niemand brachte ihr Essen in die Grotte, und so war das einzige, dass sie zu sich nahm, das Brot, dass Mittags in der Arena verteilt wurde.
"Keine Angst. Du siehst aus wie eine Kriegerin."
Hatte er ihr gerade ein Kompliment gemacht?
Wenn er glaubte, dass er so einfach wieder gut machen konnte, dass...
"Es tut mir leid, wenn unser Vorgehen aus irgendwelche Gründen unanemessen auf dich gewirkt hat. Du solltest wissen, das wir uns alle Mühe geben, damit du und Finn einen angenehmen Aufenhalt habt."
"Achja? Ist das der Grund warum ihr uns an irgendwelche Trottel verheiratet"
Rashja blinzelte verwirrt.
"Ich dachte immer Menschen heiraten?"
"Aber doch nicht SO!" Tat er nur so dumm oder war es wirklich so?
"Wie... nicht so?"
"Wir gehen nicht einfach hin und heiraten die Person von der man uns sagt, dass wir sie gefälligst lieben sollen!"
"Davon hat ja auch nie einer etwas gesagt. Was hat das damit zu tun?"
"Hallo!?", Louisan wischte mit ihrer Hand vor seinen Augen hin und her, "Das hat ALLES damit zu tun! Person A trifft Person B, A gefällt B, sie reden, gehen zusammen Essen, ins Kino, vielleicht tanzen, werden ein Paar und vielleicht, ganz vielleicht hält es zwischen ihnen und sie entscheiden sich zu heiraten. Und vielleicht gründen sie dann eine Familie. Aber das muss auch nicht halten. Wahrscheinlich entscheidet sich dann nämlich Person B, Person A mit der kleinen Person C sitzen zu lassen..."
Missmutig drehte sie sich zurück Richtung Garten.
"Klingt kompliziert", erwiderte Rashja, "wäre es nicht einfacher, wenn..."
"Nein", Louisan riss langsam der Geduldsfaden, "Ihr labert doch die ganze Zeit von dieser 'Dynamik', die ihr so unbedingt wollt oder? Schon mal daran gedacht, dass der Grund warum ihr es nicht habt und nie haben werdet, ist, dass ihr alles, von vorne herein ins kleinste bestimmt und jeder, der dagegen bestimmt, automatisch ein Todfeind wird? Weißt du, wie wir das nennen, da, wo ich herkomme? Ein totalitäres Regime! Das ist es! Ich meine, seht euch doch mal an! Sieh dir Karal an! Der Kerl hat ein Gesicht aus Stein! Und eine Seele wie Stein hat er auch. Versteht ihr überhaupt, was es bedeutet, eine Familie zu haben? Etwas anderes als euren Job, euren Auftrag in eurer Ordnung?"
Rashja antwortete nicht direkt.
"Wir sind nicht alle so", erwiderte er dann und drehte sein Gesicht in den Schatten. Nur seine blauen Augen leuchteten noch daraus hinaus.
"Und nur falls du es vergessen hast", seine Stimme klang bitter, zum ersten Mal seit Louisan ihn kannte, "Ich hatte einen Bruder."
Louisan hatte gerade den Mund zu einem Konter göffnet hatte, schloss ihn aber sofort wieder. Richtig wie hatte sie das im Eifer des Gefechts vergessen können.
"Es... es tut mir leid?", versuchte sie unsicher.
"Er hat seine Seite gewählt", Rashja richtete sich wieder etwas auf, "Und außerdem...", der Elf kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden, als da Fenster in ihrem Rücken zersplitterte.
Wie in Zeitlupe sah Louisan die scharfen Splitter auf sich zufliegen. Mit einem leisen Schrei duckte sie ihr Gesicht hinter ihren nackten Arm. Im selben Moment zuckte der Gedanke daran, wie schutzlos die Haut auch dort war durch ihren Kopf. Sie konnte die Stiche beinahe schon spüren...
Mit einer unheimlichen Gewalt riss Rashja sie zu Boden und warf sich selbst auf sie.
"Uff", die Luft wurde wie bei einem Blasebalg aus ihren Lungen gedrückt.
"Nimm ein Messer", befahl Rashja gespresst. Kleine Blutflecken breiteten sich auf seinem Mantel aus, der um einiges weniger stabil war als der, den er normalerweiße trug.
Louisan wollte erwidern, dass sie keines hatte, aber er hatte ihr bereits eine Klinge in die Hand gedrückt.
"Was...?"
"Die Party ist vorbei, Menschenmädchen. Gutes Gespräch, aber wir sind zurück auf dem Schlachtfeld. Pass auf dich auf", er wuschelte ihr einmal durchs Haar und sprang dann auf und rammte sein Messer in die Schulter eines vollbewaffneten Verräters, der gerade aus einem Portal gesprungen kam.
Keiner hier hat eine Waffe!
Fluchend rollte Louisan sich zur Seite, als ein Elf mit einem mächtigen Schwert nach ihr hieb.
Den Fluss nutzend kam sie auf die Füße und duckte sich unter der Klinge weg. Glasscherben knirschten unter den Sohlen ihrer Turnschuhe, als sie herumwirbelte und das Schwert mit ihrem Messer abwehrte.
Die Waffe in ihrer Hand sah gegen das, was ihr Gegner in der Hand hielt, schrecklich zerbrechlich aus.
Innerlich zitternd sprang sie zurück. Auch im inneren des Saals tobte die Schlacht. Die Musik war verstummt, stattdessen ertönten nun Schreie. Die Königin stand auf dem Tisch und schleuderte von da aus Servierplatten auf Angreifer. Finn stand an ihrer Seite und schützte sie nach Kräften. Seine Verlobte hockte unter dem Tisch.
Karal war nirgends zu sehen.
Am Rande ihres Blickfeldes sah sie, wie einer der schwarzen Räuber die Dienerin zusammentrieben.
Mit einem Brüllen wirbelte Louisan herum und rammte ihren Fuß dem Angreifer in den Hals, auf genau die Art, die Rashja ihr gezeigt hatte.
Mit einem dumpfen Gurgeln sackte er zusammen.
"Kommt mit", sie drängte die Frauen in einen Nebengang. Keine von diesen hatte eine Kampfausbildung, geschweige denn Erfahrung.
Drei der Frauen weinten hemmungslos und eine stand offenbar unter Schock. Sie zitterte, und weil keine der anderen auf sie zu achten schien, musste Louisan ihren Arm um sie legen und weiter treiben, weg von dem Gemetzel.
Eine Dienerin brach vor ihren Augen zusammen. Ein feuchter Fleck breitete sich an ihrer Seite auf ihrem weißen Kleid aus.
Sie ist verwundet.
Die anderen Frauen begannen zu schreien.
"Ruhig! Ruhig", bei dem Gedanken, einer der Angreifer könne sie hören, gefrohr ihr das Blut in den Adern.
"Wir schaffen das", sie drückte die paralysierte Elfe einer anderen in die Hand und griff der Verletzten unter die Arme, "Ihr wisst doch, wer ich bin, oder?", die verängstigten Elfen nickten vorsichtig.
"Gut", kaum zu fassen, dass ich diese Karte ausspielen muss, "Dann wisst ihr, dass ihr keinen Grund habt, euch Sorgen zu machen, richtig? Ich mache so etwas nicht zum ersten Mal durch."
Schwitzend schleppte sie die Verletzte auf eine kleine Kammer zu, die sie am Ende des Ganges entdeckt hatte. Die anderen rührten sich nicht von der Stelle.
Louisan hielt inne.
"Ihr habt Angst oder?"
Vorsichtiges Nicken.
Louisan seuftzte und senkte den Kopf: "Ich doch auch. Aber das wird nicht besser, wenn wir hier stehen. Wenn ihr mir helft, können wir ihr helfen. Und dort drinnen sind wir sicher.
Die Dienerinnen wechselten unsichere Blicke.
"Wir... wir sind keine Ärtzte", warf eine scheu ein.
Kaum zu fassen!
"Das ist doch egal! Ihr seid alle atmende Wesen oder?"
Irritiert nickte die Sprecherin.
"Dann helft mir verdammt nochmal damit es in ihrem Fall auch so bleibt! Eure Ordnung wird sie nicht retten, das könnt nur ihr!"
Für eine Sekunde glaubte sie, die Elfen würden nichts unternehmen.
Doch dann begannen sie, sich zu bewegen, halfen ihr, den schweren Körper zu stemmen. Gemeinsam trugen sie die Frau in die Kammer, die mit alten Teppichrollen gefüllt war, und wuchteten sie auf ein halbwegs weiches Lager.
Mit zitternden Fingern riss Louisan das Kleid der Dienerin auf. Der Stoff enthüllte eine hässliche Wunde.
Bernsteinfarbenes Blut ronn ihr über die Hände.
Ein Druckverband.
"Sauberer Stoff! Schnell!", blaffte sie die anderen an. Jemand drückte ihr ein Tuch in die Hand.
So gut sie konnte presste sie den Stoff auf die Wunde.
Sie konnte spüren, wie die Elfe schwer und rasselnd atmete, das Geräusch klang nicht gut.
Waren innere Organe verletzt?
Konnte man das nicht an der Farbe des Blutes erkennen?
Aber wie, bei einer Spezies, deren Blut farblos war?
Schweiß trat Louisan auf die Stirn, ihr Blick wanderte zum Gesicht der Frau empor.
Grüne, große Augen blickte sie direkt an, in einem tränenden, bittenden Blick.
Louisan hatte das Gefühl, dass ihre eigenen Augen genauso ängstlich in das diffuse Licht der Kammer leuchteten wie die des Opfers.
Die Augen der Dienerinnen klebten wie Leuchtpunkte auf der Szene in ihrer Mitte.
Die Elfe zitterte noch eimal unter Louisans Händen, öffnete den Mund, als wolle sie etwas sagen, ihre Muskeln krampften sich zusammen.
Dann erlosch das Licht in ihren Augen.

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