Die Trainingsarena war erfüllt vom Rufen der Kämpfer und den Klirren ihrer Waffen. Finn scherzte am Rand des Ringes mit Rashja herum. Einer von ihnen lachte, laut und herzhaft.
Louisans nackte Fußsohlen tänzelten spielerisch auf den warmen Holzdielen. Sie hatte ein gutes Gefühl bei diesem Kampf. Die Schmerzen und Prellungen der letzten Tage waren vergessen, ebenso ihre Wut auf die Elfen und die erschreckenden neuen Entwicklungen in Sachen Prophezeiung. Alles was zählte war dieses Gefecht. Und der Gegner, der gleich durch diese Tür, die sie wie ein Luchs beobachtete, den Ring betreten würde.
Louisan wusste, wer auch immer es sein würde, egal wie groß, egal, wie stark, er würde ihr nichts anhaben können.
Doch die Tür öffnete sich nicht.
Stattdessen bewegten sich die Seile, die die Fläche abgrenzten, und Rashja schob seinen Körper in die Kampfzone.
"Heute", sagte er, und seine Zähne blitzten in der Sonne, als er lächelte, "Heute kämpst du gegen mich Louisan."
Louisan ließ ihre Fäuste sinken. Was sich gerade noch leicht wie Luft angefühlt hatte verwandelte sich in Blei und nagelte ihre Füße an den Boden.
Sie wollte nicht gegen Rashja kämpfen. Wer auch immer in den letzten Tagen gegen sie gekämpft hatte, er war mit einer Trage abtransportiert worden. Bilder von Blut, dass durch seine schwarze Uniform sickerte, streiften ihr inneres Auge. Oh, mit seinem Raubvogelgesicht und den eisblauen Augen sah er seinem Bruder so ähnlich, seinem Bruder, den sie zu letzt mit zerschmettertem Schädel auf dem Boden des Cafès gesehen hatte, sein Bruder, der als lebende Zeitbombe das Krankenhaus in Trümmern gelegt hatte...
Ihr Atem ging schneller, sie glaubte, weglaufen zu müssen, weglaufen vom Kampf, vor sich selber...
Rashja schien ihr ihre Panik nicht anzumerken, er setzte zu einen Schlag zu, präzise, in ihre Bauchgrube. Mit einem dumpfen Keuchen krümmte Louisan sich zusammen.
"Wehr dich!", brüllte er, aber Louisan hörte nicht. Er trat ihr gegen das Schienbein, sodass sie zu Boden sackte, aber sie durfte nicht zurückschlagen, durfte nicht kämpfen, ihn nicht verletzen, sie würde ihn töten...
Sein Knie rammte sich in ihren Kiefer, schmerzhafte Sterne explodierten vor ihren Augen, und hinter den Sternen herrschte Nacht, verschwommene, machtlose Nacht...
Nein...
Bevor sie genau wusste, was geschah, hatte sich ihre eigene Faust geballt und fand das Ziel, ein gequetschtes Stöhnen drang aus Rashjas Mund, als ihre Schulter sich in seinen Brustkorb rammte. Er schlug zurück, aber seine Fäuste prallten wie Regentropfen von ihr ab, während ihre eigenen waren wie Hagelkörner und genau so erbarmungslos donnerten sie nieder.
Klares Elfenblut spritzte ihr ins Gesicht und auf die Holzdielen, machte sie rutschig und glatt.
"Louisan! Louisan, hör auf!"
Jemand griff nach ihrem Arm, riss daran, versuchte sie wegzuzerren von dem nicht beendeten Kampf...
Wutschnaubend wirbelte sie herum und hieb nach dem Störenfried, wie durch Nebel sah sie Finns blaue Augen, blau wie die von Rashja, und rot, dass sich mit dem hellen Blut mischte, als sie weiter trat...Mit einem Schrei fuhr Louisan in die Höhe. Schwer atmend hatten sich ihre schweißnassen Finger um die Holzbalken der Liege gekrampft.
Langsam schälten sich die Umrisse der sogenannren Trainingsgrotte, in der die Elfen sich umzogen, bevor sie in die Arena gingen, aus der Dunkelheit.
Sröhnend vergrub Louisan ihr Gesicht in ihren Händen. Sie hatte gehofft, im Laufe der Zeit würden ihre Alpträume verblassen, aber stattdessen wurden sie schlimmer. Und die Nächte, die sie in der Grotte auf einer Holzbank verbrachte, trugen nicht gerade zu ihrem Wohlbefinden bei.
Die Entscheidung, unter keinen Umständen in diesem sogenannten Palast zu bleiben, hatte sie sehr schnell gefällt. Innerhalb weniger Stunden war es dem Elf, den der Magier ihren Verlobten nannte, gelungen ihr so sehr auf die Nerven zu gehen, dass sie ohne zu zögern aus dem Fenster gestiegen war und die Flucht aus dem friedvollen Garten in den Wald angetreten hatte. Schimpfend und fluchend war sie durch das respektlose Gestrüpp geirrt und hatte sich dabei gewünscht, den Magier einmal vor ihre Fäuste zu bekommen und vielleicht auch die Elfenkönigin, einfach aus Prinzip, bis sie endlich zurück zur Arena gefunden hatte, in deren Schatten auch die Kammer lag, in der sie bis dahin gewohnt hatte, nur um diese dann verschlossen vorzufinden.
Mangels Alternativen hatte sie ihr notdürftiges Lager in der Trainingsgrotte aufgeschlagen.
Am nächsten Morgen waren Rashja und Finn zum Training erschienen, als wäre nichts gewesen.
Vor Rashja hatte Louisan zunächst nicht gewagt, mit Finn darüber zu sprechen, was passiert war, aber es war ihr doch gelungen, einen günstigen Moment abzupassen.
Finn hatte tatsächlich ähnliche Erfahrungen gemacht wie sie, und er war genauso empört.
Allerdings hatte er das Problem gelöst, indem er sich in einem der vielen Räume in seinem Palast verbarrikadiert hatte um seine Ruhe zu haben. Er hatte Louisan Asyl angeboten, aber sie wollte nicht. Keine zehn Pferde würden sie wieder über die Schwelle eines solchen verfluchten Palastes bringen.
Und seitdem schlief sie hier und tat jeden Morgen so, als sei sie einfach besonders früh zum Training erschienen.
Keiner der Elfen schien ihre kleine Lüge zu bemerken.
Seufzend legte sie sich zurück auf ihr hartes Lager. Wie einfach war die Welt doch gewesen, als Elfen nur in Filmen vorgekommen waren und sie selbst sich nicht bei jeder Gelegenheit in eine Killermaschine verwandelt hatte.
Der Wald vor der Arena rauschte, aber sogar die Äste schienen fremder zu flüstern als sie es zuhause getan hatten.
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Elfentraum
Fantasy"Das war ein Fehler", der Magier zu ihrer Rechten blickte immer noch auf die Stelle, auf der bis vor zwei Minuten noch zwei verängstigte Kinder gezittert hatten, "sie sind klein und schwach. Sie sind Menschen. Was können wir von ihnen erwarten?" "Da...