Am nächsten Morgen erschien Remus nicht beim Frühstück. An der Tafel der Gryffindors saß Sirius mit James und Peter allein und jeder war in seine Gedanken versunken. Sie waren alle drei äußerst schweigsam und aßen kaum etwas von dem Wenigen, was sie sich auf ihre Teller gehäuft hatten. Dabei war es nicht so, dass die Speisen nicht gut gewesen wären. Wenn man eines nicht von Hogwarts behaupten konnte, dann war es schlechte Verpflegung. Die ganze weite Tafel war mit so vielen Leckereien bestückt, dass nicht einmal ein Riese alles auf einmal hätte verschlingen können. Für jeden Geschmack war etwas dabei, von den süßesten Marmeladen bis zu den bittersten Früchten, und es war kein Wunder, dass sich die meisten Schüler ihr Frühstück gehörig schmecken ließen. Aber nicht die Rumtreiber.
Sirius blickte lustlos auf sein Butterhörnchen hinab und gähnte ausgiebig. Er hatte die halbe Nacht wachgelegen und an den Tag in Hogsmeade gedacht und an den Mann im dunkelblauen Umhang. Den, der Remus umbringen wollte.
Als sie schließlich hatten aufwachen müssen, war Remus trotz aller Versuche, ihn zum Aufstehen zu bewegen, in seinem Bett liegen geblieben. Sirius konnte ihn verstehen, jedenfalls soweit es möglich war, sich in jemanden hineinzuversetzen, der so viel Leid durchmachen musste wie Remus. Es passierte nicht alle Tage, dass man mithörte, wie der eigene Tod beschlossen wurde. Sirius selbst war zwar Todesdrohungen von seiner Familie bereits gewohnt, aber er war sich immer sicher, dass sie sich nicht trauen würden, diese Drohungen wahr zu machen. Jedenfalls noch nicht.
Seufzend setzte sich Sirius etwas aufrechter hin und blickte zu seinen Freunden. James blickte gedankenverloren in der Welt herum, wobei sein Blick auffallend oft den Platz von Lily Evans streifte, die ihn wie immer gekonnt ignorierte. Innerlich lachte Sirius über die vergeblichen Bemühungen seines Freundes. Er war sich ziemlich sicher, dass Lily James niemals richtig mögen geschweige denn mit ihm zusammenkommen würde. Dennoch half er ihm bei seinen Versuchen, sie zu gewinnen, wo er konnte, obwohl Sirius nie ganz hatte nachvollziehen können, was James an ihr fand. Sie sah sicherlich passabel aus, aber Sirius sah sie immer nur als Streberin und Langweilerin, die keinen ihrer Späße billigte, sondern sich immer tierisch über sie aufregte. So hatte sich zwischen den beiden ein wenig eine gegenseitige Abneigung herausgebildet. Bei James war das früher genauso gewesen, aber seit dem letzten Schuljahr hatte sich James' Meinung rapide verändert und jetzt nutzte er jede freie Minute, um sich an sie heranzumachen.
Auch jetzt zwinkerte er ihr zu, als sie plötzlich doch einen kurzen Blick herüber warf, woraufhin sie ihren Kopf mit einem sehr hochnäsigen Naserümpfen wieder wegdrehte. Was für eine Zicke. Sein Blick fiel auf ihre Freundin Mary MacDonald, die neben Lily saß und ihn unverwandt anstarrte. Sirius blickte ihr einmal flüchtig in die Augen, bevor er seinen Blick wieder schweifen ließ. Dass er von vielen Mädchen angeschwärmt wurde, war ihm nichts Neues. Zugegeben genoss er das sogar, jedoch konnte es auch ziemlich nervig sein, wenn lauter gackernde Mädchen sich an seine und James' Fersen hefteten. Leider würden sie nie eine Chance haben. Bei James sowieso nicht, weil der hoffnungslos Lily verfallen war. Und Sirius selbst fand es noch viel zu früh in seinem Leben, um sich an ein Mädchen zu binden und da er auch noch keine gesehen hatte, die ihn wirklich vom Hocker riss, würde er auch nicht zulassen, dass sich eine ernste Beziehung entwickeln würde. Was nicht hieß, dass er seinen Charme nicht trotzdem einsetzte, wenn er Lust hatte, was einige bereits länger zurückliegende Beziehungen bewiesen.
Im Gegensatz zu James blickte Peter stur geradeaus auf das Fenster am anderen Ende der Halle. Ihn ängstigte das Geschehene wahrscheinlich noch am meisten. Peter war kein mutiger Mensch, das war Sirius schon lange bewusst gewesen. Aber wenn es sein musste, hatte Peter bisher immer treu bei ihren Aktionen mitgemacht und würde es auch weiterhin tun. Sirius hatte den kleinen Kerl sehr gerne, auch wenn er ihn genauso gerne aufzog. Aber Peter gehörte genauso zu ihnen wie Remus und Sirius konnte sich nicht vorstellen, was die Rumtreiber ohne Peter wären. Genauso war es mit Remus und deswegen fehlte auch ganz eindeutig etwas am Tisch.
Sirius hätte gerne etwas gesagt, über das Wochenende geredet, aber er konnte es nicht. Er wusste nicht, wie er anfangen sollte und wenn er den Mund öffnete, kam kein Wort heraus. Und das, wo er doch sonst nie um Worte verlegen war. Bei James und Peter mochte das genauso sein. Vielleicht brauchten sie noch etwas Zeit, um über das Ganze nachzudenken.
Sirius' Blick glitt wieder zu seinem Butterhörnchen. Es schien ihn zu verspotten, wie es da so verführerisch lag und mit einem Mal hatte Sirius keine Lust mehr, bei einem Frühstück zu sitzen, bei dem er sowieso nichts essen konnte. Er stand auf und wie auf Kommando taten es ihm seine beiden Freunde gleich, woraufhin sie zu dritt die Halle verließen.
Auf dem Gang schwiegen sich die drei Rumtreiber eine ganze Weile an, bis schließlich ausgerechnet Peter der Erste war, der den Mund aufmachte.
„Also, was machen wir jetzt?"
James und Sirius blickten ihn an. „Wie, was machen wir jetzt?", fragte James.
„Na, mit Remus. Wir bleiben doch bestimmt nicht sitzen und tun gar nichts. Wie ich euch kenne, habt ihr euch bestimmt schon einen Plan ausgedacht."
Sirius lächelte. „Zu viel der Ehre, Peter. Du hast recht, wir müssen etwas tun, aber was genau, da bin ich überfragt."
„Ich ebenso.", musste James zugeben. „Dieser Kerl ist hart, dem können wir nicht so leicht beikommen."
„Aber wir tun doch etwas, oder?", fragte Peter leise. „Wir lassen Remus nicht einfach sterben?"
Sofort richtete sich James zu voller Größe auf. „Wo denkst du hin? Wir lassen doch keinen unserer Rumtreiber im Stich!"
Sirius pflichtete ihm bei. „Wie schwer kann das außerdem sein, schließlich sind wir zu dritt und der Kerl ist allein. Das wird ein Kinderspiel!" Je mehr er sagte, umso zuversichtlicher fühlte sich Sirius und die ganze Lustlosigkeit des Morgens fiel von ihm ab. Ähnlich verhielt es sich mit den anderen beiden. Schon bald waren die drei in tiefste Diskussionen verwickelt, wobei sie alle möglichen Theorien aufstellten, wie man den bedrohlichen Fremden aufhalten könne, und diese ausdiskutierten. Die meisten dieser Theorien waren ziemlich abwegig und undurchführbar, aber das hielt die Freunde nicht davon ab, weitere Theorien aufzustellen, während sie auf dem Weg zum Kräuterkunde-Unterricht waren. Dabei waren sie so vertieft, dass sie nicht einmal auf die Sticheleien des Poltergeistes Peeves eingingen, der daraufhin beleidigt von dannen zog und, nach den Geräuschen zu urteilen, die Sirius hörte, irgendwelche unschuldigen Bilder von ihren Wänden warf.
Als sie schließlich das Gewächshaus erreichten, in dem sie Kräuterkunde hatten, mussten sie ihre Planungen erst einmal einstellen, da Professor Chanton es ziemlich persönlich nahm, wenn jemand ihrem Unterricht nicht folgte.
Eurydike Chanton war eine hochgewachsene und verhältnismäßig junge Frau – sie konnte nicht älter als Sirius' Mutter sein – mit einem Gesicht, das früher sicherlich einmal sehr schön gewesen war, in das sich nun jedoch merkliche Anzeichen von Erschöpfung und Alter eingegraben hatten. Nichtsdestotrotz blickten ihre hellgrünen Augen freundlich und aufgeweckt, aber auch streng unter ihren dunkelblonden gelockten Haaren hervor, die ihr bis knapp auf die Schultern fielen. In einem der Gewächshäuser hatte sie eine private Sammlung an allen möglichen Pflanzen, die es in der Zaubererwelt gab, angelegt und konnte mit Sicherheit jede einzelne dieser Pflanzen mitsamt deren Eigenschaften benennen. Und so gut sie in ihrem Fach auch war, so streng war sie auch darin. Sie verlangte viel von ihren Schülern und war anspruchsvoll, aber bisher war Sirius in ihrem Unterricht immer gut zurecht gekommen und war der festen Überzeugung, dass dies auch später noch der Fall sein würde. Erstaunlich war nur, dass Remus viel länger gebraucht hatte, um sich in diesem Unterricht zurecht zu finden als James oder Sirius und sogar Peter, obwohl Remus sonst in jedem Fach mit Anhieb den Anschluss fand. Aber in irgendeinem Fach musste schließlich auch ein Remus Schwierigkeiten haben, dachte sich Sirius und musste prompt daran denken, wie sein Freund sich jetzt wohl fühlen mochte. Vermutlich hatte er sich von seinem Schrecken wieder erholt und schmiedete schon eifrig Pläne gegen die Bedrohung, wie Sirius ihn kannte.
Er war so in seine Gedanken versunken, dass er einfach stehen blieb, als die anderen Schüler zu ihren Pflanzen gingen und aktiv bemerkte er das erst, als Professor Chanton ihm zurief: „Mr. Black, die Venamosa Tentacula zähmt sich nicht von allein!"
Sofort zuckte er zusammen und murmelte ein „Entschuldigen Sie, Professor!", bevor er sich neben James und Peter stellte. Weitere Abschweifungen waren jetzt nicht mehr möglich, weil die giftige Pflanze alle Konzentration der drei in Anspruch nahm. Ohne die giftigen Tentakel zu berühren, mit denen die Pflanze gierig ihre Opfer zu erfassen pflegte, mussten sie die Pflanze an einem bestimmten Punkt ihres Rumpfes berühren. Die Arbeit wurde jedoch dadurch erschwert, dass der Rumpf an allen Stellen gleich aussah und sich immer mehrere Schüler eine Pflanze teilen mussten, da es laut Professor Chanton vom Ministerium verboten sei, mehr als eine bestimmte Anzahl der Art zu züchten. Auch seien diese Exemplare noch nicht ausgereift und hätten daher noch kein allzu gefährliches Gift. Trotzdem sei es ratsam, die Handschuhe bei der Angelegenheit anzubehalten.
„Wie beruhigend!", zischte James, als die Pflanze erneut versuchte hatte, ein Stück offener Haut an seinem Arm zu finden. Peter tastete verzweifelt ihren Rumpf ab und hätte beinahe ihre Fühler im Gesicht gehabt, wenn Sirius ihn nicht rechtzeitig außer Reichweite gebracht hätte.
„Wie wäre es, wenn wir Pitchcraft eine Venamosa Tentacula ins Bett schmuggeln?", schlug Sirius halb scherzhaft vor.
„Ich bin ziemlich sicher, dass das illegal ist.", meinte Peter.
„Na und? Hat uns bisher auch nicht gestört.", erwiderte James. „Allerdings gelingt es uns wohl kaum, eine solche Pflanze unbemerkt aus dem Gewächshaus zu schmuggeln. Außerdem achtet Professor Chanton sehr genau auf ihren Bestand..."
„Was ist mit mit mir?" Professor Chanton war so plötzlich an ihren Platz herangetreten, dass Peter erschrocken gegen die Pflanze schlug und sie beinahe umwarf. „Sie sollten nicht so viel reden, sondern aufpassen, sonst muss ich Sie am Ende noch in den Krankenflügel bugsieren." Sie runzelte die Stirn.
„Wo ist denn Mr. Lupin?"
„Krank, Madam!", rief Sirius spontan und schlug einen Tentakel der Pflanze weg.
„Nun, das hier sollten Sie auch ohne ihn hinbekommen, oder? Und treiben Sie nicht schon wieder Ihre Späße, das werden Sie in dem Fall bereuen. Die Venamosa Tentacula ist kein Kinderspielzeug!" Damit drehte sie sich weg und begutachtete die Arbeit anderer Schüler.
Erleichtert, dass Professor Chanton offensichtlich nicht mitbekommen hatte, worum es ging, machten sich die Rumtreiber wieder an die Arbeit und konzentrierten sich den ganzen Rest der Doppelstunde darauf. Schließlich schafften sie es mit Ach und Krach, ihre Pflanze zu zähmen und konnten stolz ihr Ergebnis vorweisen, auch wenn sie das kaum interessierte.
Nach der Doppelstunde Kräuterkunde hatten die Gryffindors eine Stunde Geschichte der Zauberei. In keinem Fach konnte man sich besser unterhalten oder langweilen als in diesem, da ihr Lehrer Professor Binns nur daran interessiert war, die Themen vorzutragen und nicht daran, ob die Schüler überhaupt zuhörten oder nicht. Der bärtige Geist saß an seinem Pult und hielt den Schülern mit seiner monotonen Stimme einen Vortrag über die Magie des 18. Jahrhunderts, dem niemand auch nur ansatzweise folgte. Immerhin konnten sich die drei Freunde so sehr gut darüber austauschen, was mit dem Auror anzustellen sei. Schließlich kam Sirius auf eine Idee.
„Wartet mal! Es ist doch eigentlich viel einfacher, als wir denken! Theoretisch muss Dumbledore nur erfahren, was Pitchcraft vorhat und schon wird er sich den zur Brust nehmen. Der Kerl wird doch keine Chance gegen Dumbledore haben!"
Peter stimmte ihm sofort begeistert zu, während James noch die Stirn runzelte. „Da magst du recht haben, aber wir können wohl kaum zu Professor Dumbledore gehen und ihm die Geschichte erzählen, oder? Er hat schließlich keine Ahnung von unseren Unternehmungen."
Sirius nickte ungeduldig mit dem Kopf. „Aber Remus kann das doch tun. Er kann ihm sagen, dass er Pitchcraft belauscht hat und das stimmt ja auch irgendwie. Er kann die Geschichte doch so drehen, dass wir drei da gar nicht drin vorkommen. Das Ganze ist überhaupt kein Problem und mit Dumbledore wird dieser nervige Auror in Windeseile wieder aus diesem Gebiet vertrieben werden. Oder etwa nicht?"
Da musste auch James zustimmen, obwohl er immer noch nicht so glücklich aussah. Sirius konnte ihn verstehen. Die Sache einfach an Dumbledore abzugeben war etwas zu einfach und das spannende Abenteuer, das sie sich schon halb versprochen hatten, würde damit zunichte gemacht werden. Aber es war die sicherste Lösung für Remus und das war James sicher auch klar. Und wenigstens Peter sah ziemlich erleichtert aus. Wahrscheinlich war er froh, sich nicht mehr mit diesem Problem herumschlagen zu müssen.
Nach der langweiligen Unterrichtsstunde konnten sie sich nun ganz auf die folgende Doppelstunde Verteidigung gegen die dunklen Künste konzentrieren, die wesentlich spannender zu werden versprach. Dabei kannten die Schüler den neuen Lehrer noch gar nicht so gut, der ihre im letzten Schuljahr vor Überarbeitung zusammengebrochene Lehrerin ersetzte. Nur Sirius kannte ihn schon von Beginn an, oder zumindest seine Familie. Denn Professor Romulus Shifaq gehörte zu der Familie der Shifaq, einer ebensolchen sogenannten reinblütigen Familie wie Sirius' Familie selbst es war. Daher hatte er schon einige Mitglieder dieser Familie kennengelernt, und er war nicht gerade begeistert gewesen, da ihnen die gleiche Arroganz beiwohnte wie seinen eigenen Verwandten. Deswegen war er dem neuen Lehrer auch eher skeptisch gegenüber gewesen, musste aber mittlerweile zugeben, dass Professor Shifaq weder besonders arrogant noch rassistisch war. Außerdem war er in seinem Fach sehr kompetent und kannte sich insbesondere bei den verschiedenen magischen Wesen sehr gut aus, beinahe so gut wie ihr Lehrer für Pflege magischer Geschöpfe, Professor Kesselbrand.
Offenbar hatte Shifaq das Fach schon früher unterrichtet, bis ihn gewisse Umstände gezwungen hatten, das Lehrersein aufzugeben. Man munkelte etwas von einer Familientragödie, aber solche Gerüchte waren nie besonders sicher. Erst in diesem Jahr war er wohl wieder an die Schule zurückgekehrt.
Seine Erscheinung war nicht besonders auffällig. Der eher kleine Professor trug meist einen kastanienbraunen Mantel, der seinen gesamten Körper bedeckte und nur seinen Kopf und seine Hände freiließ. Sein früher wohl rabenschwarzes Haar war schon sichtlich ergraut und auch durch seinen gepflegten schwarzen Bart zogen sich erste graue Schlieren. Seine Augen hatten einen matten hellbraunen Farbton und sein nicht mehr junges Gesicht war recht unscheinbar, wenn man einmal von einer großen Brandwunde an seinem rechten Kinn absah, die er nach eigener Aussage einem Walisischen Grünling zu verdanken habe.
Man wäre wohl kaum auf die Idee gekommen, dass dieser Mann etwas von der Abwehr der dunklen Künste verstand, aber wenn er anfing zu reden, merkte man an seiner kräftigen Stimme, dass dieser Mann keineswegs zu unterschätzen war.
Auch jetzt hatte er sich vor der Klasse aufgebaut und erklärte anschaulich und ausführlich das Wirken eines Dementors auf einen Menschen. Das machte er so gut, dass selbst die Schüler, die noch nie einen Dementor gesehen hatten – was wohl bei den meisten der Fall war – unweigerlich erzitterten, als Professor Shifaq mit ausgebreiteten Armen einen Dementorenangriff schilderte.
Auch Sirius hörte gebannt zu. Er hatte schon früh von Dementoren gehört, aber noch nie einen leibhaftigen gesehen, geschweige denn gefühlt. Sie hatten immer einen gewissen Reiz auf ihn ausgeübt, auch wenn er keinesfalls den Drang verspürte, jemals an einem Ort wie Askaban eingesperrt zu sein, wo die Dementoren als Wächter eingesetzt wurden. Professor Shifaq erzählte gerade davon.
„Die Gefangenen von Askaban verlieren jegliche Kraft im Sturm der Verzweiflung, in die die Dementoren sie stürzen. Manche dort werden sofort wahnsinnig, andere halten lange durch. Aber egal wie es sich verhalten mag, noch nie ist jemand aus dem Gefängnis von Askaban entkommen. An den Dementoren kommt niemand vorbei.", erklärte der Lehrer, wobei er die Jugendlichen durchdringend ansah.
Sirius nutzte die Pause und hob die Hand. Professor Shifaq sah ihn an und meinte: „Ja, Black?"
„Sind Sie sicher, dass noch nie jemand aus Askaban ausgebrochen ist?"
Shifaq lächelte. „Ja, da bin ich mir ziemlich sicher."
„Aber gab es etwa noch nie einen so mächtigen Zauberer, dass er es geschafft hat, an den Dementoren vorbeizukommen? Irgendeinen Weg gibt es da bestimmt.", beharrte Sirius auf seiner Frage.
„Das müsste schon ein äußerst mächtiger Zauberer sein. Außerdem gibt es selbst im Falle eines Entkommens," dabei ließ der Lehrer keinen Zweifel daran, dass er so etwas für absolut unmöglich hielt, „noch den weiten Weg über das Meer zum Festland. Vergessen Sie nicht, Askaban ist eine Insel."
„Naja, man kann doch schwimmen.", meinte Sirius, wodurch er die ganze Klasse zum Lachen brachte. „Außerdem, wenn man etwas lange genug plant, bekommt man so etwas doch sicherlich auch hin."
Professor Shifaq schüttelte seinen Kopf.. „So würden Sie garantiert nicht reden, wenn Sie schon einmal einem Dementor begegnet wären. Zeit spielt in Askaban keine Rolle. Glauben Sie mir, Sie könnten zwölf Jahre in Askaban verbringen und könnten genauso wenig ausbrechen wie nach einem Jahr."
„Wer weiß!", rief James plötzlich vorlaut in den Raum hinein, was für einen erneuten Lacher sorgte.
„Mr. Potter, Mr. Black, wenn einer von Ihnen es jemals nach Askaban schaffen und dort ausbrechen sollte, werde ich denjenigen endlich respektieren." Professor Shifaq grinste süffisant. „Aber glauben Sie mir: Sie werden es nicht schaffen. Askaban ist der schlimmste Ort der Welt."
„Klingt, als wären Sie schon einmal dort gewesen!", rief Sirius.
Das Lächeln auf den Lippen des Professors war wie weggewischt und Sirius erkannte, dass er wohl ein Stück zu weit gegangen war. Shifaq schien für einen Moment sehr verwirrt zu sein, bevor er mit einem etwas erzwungenen Lächeln sagte: „Ich glaube, Sie wissen jetzt alles, was es zu wissen gibt. Lesen Sie sich in Ihrem Buch das Kapitel zu Dementoren noch einmal genau durch und schreiben Sie die wichtigsten Merkmale eines Dementors auf." Nach diesem knappen Auftrag drehte sich der Professor abrupt um und setzte sich an sein Pult, wobei er einige Unterlagen durchsah.
Nachdem die Klasse ihren Auftrag fertiggestellt hatte, besprachen sie in der zweiten Stunde die Theorie der Abwehr eines Dementors, wobei Professor Shifaq sein vorheriges Tief wieder überwunden hatte und den Unterricht fortführte, als wäre nichts gewesen. Schließlich beendete er die Stunde und die Schüler gingen zur Tür hinaus. Auch Sirius und Peter wollten hinausgehen, als sie bemerkten, dass James zu Shifaq an das Pult getreten war und diesen ansprach: „Professor?"
„Ja?", meinte der Lehrer etwas zerstreut, als er seinen Kopf von seinen Unterlagen erhob.
„Die Gefangenen in Askaban werden doch von Auroren gefangen, nicht wahr?"
Shifaq seufzte. „Potter, wenn das wieder einer Ihrer Scherze sein soll, dann..."
„Nein, nein!", wehrte James ab. „Das war ernst gemeint. Sie haben doch eine Zeitlang im Aurorenbüro gearbeitet, oder?"
„Ja, das stimmt.", nickte der Lehrer. „Und?"
„Nun,", druckste James. „dann können Sie mir doch sicher ein paar bekannte Auroren nennen, oder? Es ist nämlich so,", James wirkte jetzt noch verlegener, „dass sich viele Klassenkameraden von mir dauernd über die Heldentaten gewisser Auroren unterhalten und ich kann da nie mitreden, weil ich leider überhaupt keine Ahnung davon habe. Außerdem finde ich Auroren immer faszinierender. Sie könnten mir doch bestimmt einiges über Auroren erzählen, oder? Nicht viel, aber ein wenig?" Dabei blickte James seinen Lehrer so treuherzig an, wie er konnte.
Shifaq sah James immer noch an wie jemand, der sich nicht ganz sicher war, was er von einem derartigen Verhalten zu halten habe, schien aber zu entscheiden, dass es besser wäre, eine Antwort zu geben. „Nun gut," begann er. „Es gibt in der Tat einige bekannte Auroren. Der berühmteste dürfte wohl Alastor Moody sein. Er hat Dutzende von schwarzen Magiern nach Askaban verfrachtet und ist immer noch dabei, weitere aufzutreiben."
„Von dem habe ich sogar gehört.", nickte James. „Aber könnten Sie mir vielleicht auch noch ein paar jüngere Auroren nennen?" Dabei blickte er möglichst unschuldig drein.
„Jüngere?", fragte Shifaq stirnrunzelnd. „Wie meinen Sie das?"
„Nun ja," James stockte. „Zum Beispiel..." Ihm schien nichts einzufallen, also sprang Sirius ihm schnell zur Seite.
„Zum Beispiel wie der Vater von unserem Freund Remus. Der war doch auch mal Auror, oder?"
„Sie meinen Lyall Lupin?", fragte Shifaq. „Ja, das war er wohl und kannte sich auch toll mit magischen Wesen aus. Viel habe ich von ihm allerdings nicht mehr mitbekommen. Überhaupt habe ich nicht so viel Ahnung über die Aktivitäten im Ministerium damals, weil ich zu der Zeit außer Landes war."
„Aber Sie könnten vielleicht noch einen aus der Zeit kennen!", mischte sich Peter nun auch ein. „Darüber haben wir auch mit unseren Freunden geredet. Mir fällt der Name nur nicht mehr genau ein... Sirius, weißt du ihn noch?"
Sirius war so beeindruckt davon, wie gut Peter gerade log, dass er vergaß, etwas zu sagen. Dafür sprang James ein. „Ich weiß es! Irgendetwas wie ... Witchcraft... oder doch Mitchcraff?"
„Meinen Sie vielleicht Pitchcraft?", erkundigte ihr Lehrer sich vorsichtig.
„Ja, so war es!", rief James zufrieden. „Kennen Sie den?"
„Nicht besonders.", erwiderte Shifaq. „Ich weiß nur, dass es vor nicht langer Zeit einen Auror gab, der Julius Pitchcraft hieß und der später aus der Aurorenzentrale verbannt wurde. Er war meines Wissens einer der talentiertesten, bevor er leider wahnsinnig geworden ist." Er zog kritisch die Augenbrauen zusammen. „Warum wollen Sie das eigentlich wissen?"
„Wie gesagt,", meinte Sirius, während er seine Freunde unauffällig in Richtung Ausgang drängte. „James möchte mehr mitreden können, wenn es um Auroren geht und beim letzten Mal ist uns dieser Name hängen geblieben, weil der ja schon sehr außergewöhnlich ist. Danke für Ihre Hilfe, mehr wollten wir gar nicht wissen und wir belästigen Sie auch gar nicht weiter."
Vor einem verblüfften Shifaq drängten die drei Freunde rückwärts zur Tür hinaus. „Und übrigens,", meinte Sirius noch. „Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen eben zu nahe getreten bin im Unterricht."
„Kein Problem.", meinte der Professor irritiert. „Es gibt nur ein paar Kapitel in meiner Vergangenheit, die ich gerne vergessen möchte, das ist alles."
„Das verstehe ich vollkommen!", rief Sirius, der schon auf dem Gang draußen stand. „Auf Wiedersehen, Professor!" Daraufhin drehten sich die drei um und verschwanden möglichst schnell um die nächste Ecke. Als Sirius sich noch einmal umdrehte, sah er noch, wie Professor Shifaq sich kopfschüttelnd wieder über seine Unterlagen beugte.
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Das Geheimnis der Heulenden Hütte
FanfictionAm Anfang ihres fünften Schuljahres haben es James, Sirius und Peter endlich geschafft: Sie sind Animagi und können ihren Freund Remus nun bei seinen Werwolfverwandlungen begleiten. Damit steht eigentlich ein Jahr mit noch mehr Streichen und Spaß an...