Die Wolken am Himmel verdeckten den Mond, weshalb abzusehen war, dass es eine sehr dunkle Nacht werden und auch bleiben würde. Begleitet wurde dies von einem Dauerregen, der aus den vielen Wolken auf die Erde niederging. Es war also eine recht unfreundliche Stimmung außerhalb von Hogwarts, bei der kaum ein Lebewesen aus seiner halbwegs trockenen Behausung herauszuschlüpfen wagte. Selbst der Riesenkrake im See, der an Wasser nun wirklich gewöhnt war, schien sich angesichts der Wassermassen, die vom Himmel stürzten, unwohl zu fühlen, da er sich tiefer denn je auf den Grund des Sees zurückzog.
Nicht dass sich die Bewohner von Hogwarts besonders darum gekümmert hätten, da die meisten von ihnen sowieso schliefen. Und diejenigen, die es in dieser Nacht nicht taten, hatten auch kein Interesse daran, wie es außerhalb der Schlosmauern aussah, dafür aber umso mehr daran, was im Schloss selbst geschah.
Der Gemeinschaftsraum der Gryffindors war vollständig leer, als die Rumtreiber unter dem Tarnumhang die Treppe vom Jungenschlafsaal herunterkamen. Nur das Kaminfeuer, das in der Ecke fröhlich vor sich hin loderte, spendete Licht, ansonsten sah es im Raum ziemlich düster aus.
James, Sirius und Remus waren unter dem Umhang eng aneinandergepresst, während Peter ihnen in Gestalt einer Ratte bereits vorauseilte. Es war immer etwas schwierig, unter dem Tarnumhang zu laufen, wenn man zu dritt unter ihm steckte, wie Sirius missmutig feststellte. Aber natürlich wollte es sich keiner von ihnen nehmen lassen, dabei zu sein, wenn sie in die Bibliothek einbrachen. Oder, genauer gesagt, in die Verbotene Abteilung. Innerlich freute sich Sirius darauf. Das war genau die Art von Abenteuer, die er liebte und er musste zugeben, dass der gesteigerte Risikofaktor durch die neue Erkenntnis über Professor Fawley die Sache noch interessanter machte.
Ehrlich gesagt konnte sich der junge Gryffindor kaum vorstellen, dass ein so sympathischer Lehrer wie Professor Fawley mit Pitchcraft gemeinsame Sache machte. Allerdings war das auch noch nicht bewiesen. Bisher war Fawley ihnen nicht wirklich feindselig gegenüber aufgetreten und Sirius glaubte auch nicht, dass es jemals dazu kommen würde. Dazu wirkte Professor Fawley zu friedliebend. Vermutlich war die Sorge unbegründet.
Äußerst leise öffneten die drei Freunde den Ausstieg aus dem Gryffindor-Gemeinschaftsraum und glitten nach draußen, sodass die fette Dame nicht aufwachte, was bei ihrem Schnarchen auch nicht verwunderlich war. Sirius fand, dass es wie eine Mischung aus dem Knurren eines Hundes und dem Kreischen einer Alraune klang und er wunderte sich, dass man das Schnarchen nicht im Gemeinschaftsraum hören konnte. Ein weiterer Segen der Magie.
Obwohl Peter ihnen immer ein Stück voraus war, blieb er doch nahe genug bei ihnen, damit sie ihn nicht aus den Augen verloren. Das war gar nicht so unwahrscheinlich, weil ihre einzige Lichtquelle aus James' erleuchteten Zauberstab unter dem Tarnumhang bestand. Nicht dass sie besonders viel Licht gebraucht hätten. In den letzten Jahren hatten sie so viel von Hogwarts erkundet, dass sie sich in Teilen des Schlosses schon beinahe blind zurechtfanden. Zwar würden sie vermutlich niemals alle Ecken von Hogwarts erkunden können, aber doch einen sehr großen Teil. Und dieses Wissen würde bestimmt nicht verloren gehen.
„Wenn wir erst einmal unsere Karte fertiggestellt haben,", flüsterte Sirius seinen beiden Freunden zu, „dann werden wir allen anderen einen Schritt voraus sein! Wir werden alle anderen Menschen schon von weitem kommen sehen. Dann haben Filch und Peeves keine Chance mehr!"
„Ja, wenn wir die Karte fertig haben. Aber das wird noch eine ganze Weile dauern.", raunte Remus zurück.
James grinste zuversichtlich. „Aber sie wird fertig. Dafür bin ich bereit, meine Hand ins Feuer zu legen. Dann können wir jeden sehen."
„Das Problem ist nur, so was hat noch nie jemand probiert. Es könnte ganz leicht schiefgehen.", entgegnete Remus.
„Ach, du alter Schwarzseher!", wisperte Sirius. „Immerhin gehören wir nicht umsonst zu den besten Schülern der Schule."
„Genau.", bekräftigte James. „Außerdem wäre es doch eine Schande, unser Wissen nicht zu verewigen, oder? Niemand sonst weiß so viel über Hogwarts wie wir. Gut, vielleicht noch Dumbledore, aber der zählt nicht."
Remus atmete unter dem Umhang tief durch. „Also, nur um das klarzustellen: Ich finde die Idee der Karte sehr gut. Ich habe bloß ein paar Befürchtungen..."
Aber was er für Befürchtungen hatte, würden sie nie erfahren, da auf einmal Peter quiekend in ihre Richtung und an ihnen vorbeihuschte. Bevor sie entsprechend reagieren konnten, kam schon eine Katze ebenfalls haarscharf an den drei Rumtreibern vorbei gezischt. Mrs Norris, die Katze des Hausmeisters Argus Filch.
Sofort entstand ein heilloses Durcheinander unter dem Umhang. Remus hatte sich vollständig umgedreht, während James den Kopf zwar nach hinten gedreht hatte, jedoch immer noch in die entgegengesetzte Richtung lief. Und Sirius hatte sich komplett verfangen und wäre um ein Haar umgekippt, wenn er sich nicht im letzten Moment noch einmal gefangen hätte und nun auf einem Bein hüpfte, während ihre kleine Gruppe ziellos durch die Gegend wankte. Schließlich gewann James, der weiterhin nach vorne drängte, die Oberhand und sie wankten geradeaus weiter.
Sirius wollte gerade vorschlagen, stehenzubleiben, um nach Peter zu suchen, als sie alle drei mit einem brutalen Ruck von ihren Füßen gehoben wurden. Für einen schrecklichen Moment verlor Sirius komplett das Gespür für Oben und Unten, bis er mit einem ernüchternden Aufprall auf dem Boden landete. Für einen Moment schloss er die Augen, um sich von dem Aufschlag zu erholen, während sich in seinen Ohren ein lautes Klingeln breitmachte.
Sirius schlug die Augen auf. Es dauerte, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Er setzte sich auf und blickte sich um. Er konnte die Konturen seiner beiden sich ebenfalls windenden Freunde ausmachen, die teilweise noch von dem Tarnumhang verdeckt waren. Sirius hingegen war vollständig entblößt. Er rieb sich die Augen und fasste sich an die Ohren, weil das Klingeln immer noch da war. Da bemerkte er, dass das laute Klingeln gar nicht in seinen Ohren war, sondern aus einem kleinen Gegenstand kam, der neben ihm auf der Erde lag. Sirius griff danach und zuckte zusammen, weil die Oberfläche des ovalen Dinges immer noch sehr heiß war. Ihm dämmerte langsam, was passiert war, denn er kannte dieses kleine Ding. Er hatte es bei Zonko's Scherzartikelladen gesehen. Es war eine Art Absicherung gegen unbefugte Eindringlinge. Wer auf dieses Gerät trat, bekam einen Hitzschlag, der ihn zu Boden beförderte und ein schriller Alarm ging los. Irgendjemand hatte es hier platziert. Nein, nicht irgendjemand. Sirius wusste ziemlich genau, wer das gewesen war. Und er hörte ihn bereits heran humpeln.
Schnell rappelte er sich auf und half James und Remus. Eilig erhoben auch sie sich, wobei James den Tarnumhang fest umklammerte. Da hörten sie eine kratzige Stimme und ein Lichtschein erhellte die Wände des Ganges.
„Wer schleicht hier herum bei Nacht und Wind? Winzige Schüler, die gehörig etwas erleben, wenn ich sie erwische!" Am Ende des Ganges erschien ein nicht besonders großer, ungepflegter Mann mit einer großen Petroleumlampe in der Hand. Argus Filch.
Die drei Freunde sahen sich an und fassten einstimmig denselben Entschluss. Alle drei nahmen die Beine in die Hand und fingen an zu laufen, was das Zeug hielt. Hinter ihnen hörte Sirius Filch ebenfalls loslaufen und rufen: „Stehen bleiben!", aber der Schüler dachte gar nicht daran, das zu tun. Er lief einfach weiter, bog wahllos um Abbiegungen und rannte über Treppen, die gerade erschienen. Es dauerte eine Weile, bis er bemerkte, dass er seine Freunde verloren hatte. Aber leider Filch nicht. Der hatte sich offenbar entschieden, Sirius weiter zu verfolgen. Das war ja grandios. Sirius lief immer weiter, hörte den Hausmeister aber immer noch hinter sich keuchen. Allerdings glaubte er, endlich etwas Abstand zwischen sich und Filch gebracht zu haben. Er beschloss, noch schwungvoll um die nächste Ecke zu biegen und dann zu verschnaufen. Er bog auch sehr schwungvoll um besagte Ecke, aber noch bevor er Zeit hatte, abzubremsen, stieß er im vollen Lauf und mit einem äußerst hässlichen Geräusch mit hartem Stein zusammen. Der Fünftklässler landete mit einem Ächzen auf dem Steinfußboden, unfähig, sich zu bewegen, während Filchs Keuchen immer näher kam.
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Das Geheimnis der Heulenden Hütte
FanfictionAm Anfang ihres fünften Schuljahres haben es James, Sirius und Peter endlich geschafft: Sie sind Animagi und können ihren Freund Remus nun bei seinen Werwolfverwandlungen begleiten. Damit steht eigentlich ein Jahr mit noch mehr Streichen und Spaß an...