Das Leben eines Aurors

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Julius Pitchcraft saß in seinem Zimmer in den Drei Besen und sah durch seine Unterlagen. Die Kerze neben ihm war schon auf die Hälfte heruntergebrannt und draußen war es fast komplett dunkel. Er konnte den Mond bereits erahnen, der bald durch die Wolken brechen würde. Bloß kein Vollmond. Eher eine dicke Sichel, die sich aber mit jeder Nacht mehr und mehr füllen würde, bis sie schließlich wieder einen Kreis bildete. Pitchcraft fieberte diesem Moment entgegen. Endlich konnte er wieder ungestört auf Werwolf-Jagd gehen.
Seufzend und gähnend lehnte sich der ehemalige Auror in seinem Stuhl zurück. Für heute war es wohl genug, seine Notizen durchzugehen. Seine Notizen, in denen alle Informationen standen, die er jemals über Werwölfe gesammelt hatte, konnte er mittlerweile schon quasi auswendig. Dennoch studierte er sie immer wieder, um sich auch sicher zu sein, dass er alles bedachte. Aber nachdem Hodgepodge und, wichtiger noch, Dumbledore ihm erst einmal nicht mehr in die Quere kamen, war sich Pitchcraft sicher, dass ihn nichts mehr aufhalten konnte. Wenn er sich nicht ganz blöd im Kampf mit dem Werwolf anstellte, was bei ihm noch nie der Fall gewesen war, würde alles genauso ablaufen, wie er sich das vorgestellt hatte.
'Werwolf!' schoss es ihm unvermittelt durch den Kopf und er ließ ein verächtliches Schnauben hören. Elende, unmenschliche Kreaturen. Es war eine Schande, dass das Ministerium, wo sie doch ein Werwolf-Register zur Hand hatten, nicht die Ausrottung dieser Geschöpfe veranlasste. Schwache, feige Zauberer, die nicht den Mut hatten, zu handeln, wenn es darauf ankam und dann irgendetwas von Moral redeten, obwohl sie insgeheim ebenfalls gegen die Werwölfe waren.
Pitchcraft wusste nur zu gut, zu was Werwölfe fähig waren. Er hatte es selbst erlebt und hatte auch so genug gehört, um sich klar zu sein, welch große Gefahr sie für die Zaubergemeinschaft darstellten. Und wenn man im Ministerium nicht genug Schneid besaß, um die verhassten Werwölfe auszurotten, dann würde es Pitchcraft eben selbst erledigen.
Sein Blick glitt erneut zu dem langsam klarer werdenden Halbmond am Himmel. Früher hatte er diesen Anblick immer schön und beruhigend gefunden, wohingegen er heutzutage fand, dass der Mond eine unfassbare Kälte ausstrahlte.
Ja, früher war einiges anders gewesen. Er erinnerte sich zurück an die Zeit, als er als junger Auror begonnen hatte. Natürlich war er unfassbar naiv gewesen, wenn auch begabt. Er hatte seine Aufgaben mit Bravour gemeistert und war schnell aufgestiegen, auch hatte er sich sogar die Gunst des Leiters der Aurorenzentrale, Alastor Moody, zugezogen. Zu dem Zeitpunkt waren Werwölfe nicht mehr als ein Interessenobjekt, dem er sich aber mit Eifer widmete. Er wusste wahrscheinlich mehr über Werwölfe als die meisten Zauberer und Hexen, und dennoch bemitleidete er diese Wesen für ihre Verwandlungen. Vollkommener Schwachsinn, wie er heute erkannte.
Aber er war als junger Auror ohnehin viel mehr von Gefühlen getrieben worden. Er hatte sogar enge Freundschaften geschlossen, mit zwei gleichaltrigen Auroren.
Man nannte sie damals das „Jäger-Trio". Das hatte allerdings nichts mit Quidditch zu tun, - Pitchcraft verabscheute das Fliegen - sondern mit der Tatsache, dass er mit seinen beiden Freunden den Ruf hatte, jedes schwarzmagische Wesen zu fangen, auf das sie angesetzt wurden. Und sie waren wirklich erfolgreich, aber schließlich waren sie drei auch die begabtesten Auroren des Ministeriums, mit Ausnahme von Moody vielleicht.
Manchmal sehnte sich der ehemalige Auror diese Zeiten zurück, als es noch andere Dinge gegeben hatte, für die es sich gelohnt hatte zu leben, und wo er echte Freunde gehabt hatte. Mit ziemlicher Sicherheit waren das die schönsten Jahre seines ganzen Lebens gewesen. Mit seinen beiden Freunden schwarze Magier zu jagen und sich dabei immer gegenseitig das Leben zu retten, war damals immer das höchste seiner Gefühle. Das änderte sich auch mit Voldemorts Erstarkung nicht oder mit der Tatsache, dass seine beiden Freunde heirateten und Kinder bekamen. Sie hätten bestimmt noch ewig so weiter machen können und stünden vielleicht jetzt noch Voldemorts Anhängern gegenüber, wenn das Schicksal es sich nicht anders überlegt hätte.
Pitchcraft sah alles so genau vor sich, als hätte er das nicht vor sieben Jahren, sondern erst am vorigen Tag erlebt. Es stimmte zwar, dass seine schönste Zeit die Bekämpfung der schwarzen Magie gemeinsam mit seinen Freunden gewesen war, aber der schönste Augenblick seines Lebens war zweifellos sein erster Besuch in Wooden Village gewesen.
In dieses kleine Zaubererdorf hatte das „Jäger-Trio" einen von Voldemorts ersten Anhängern verfolgt. Die beschaulichen Häuser waren umgeben von einem großen Wald, in dem allerdings keine besonders gefährlichen Wesen lebten. Der schwarze Magier war, bereits schwer angeschlagen, in Wooden Village angekommen und hatte eine Handvoll Geiseln genommen. Das hatte die drei Freunde natürlich nicht von seiner Ergreifung abgehalten. Es war nicht besonders schwierig gewesen, den Zauberer vor das Haus, in dem er sich eingeschlossen hatte, zu locken und ihn dann nach allen Regeln der Kunst außer Gefecht zu setzen.
Die Bitte der Dorfbewohner, über Nacht bei ihnen zu bleiben, nahmen sie dankbar an. In dem Gasthaus, in dem sie übernachteten, saßen sie gerade am Tisch und aßen zu Abend, als sie eintrat. Pitchcraft wusste nicht, was genau passierte, aber die junge Frau zog ihn sofort in ihren Bann und er konnte kaum den Blick von ihr abwenden. Kein Detail an ihrem Gesicht entging ihm, weder die fröhlichen, marineblauen Augen noch die Art, wie sie ihr dunkles Haar zurück strich, oder ihre fein geschwungenen Augenbrauen. Dass er in das Mädchen verliebt war, merkte er erst, als die Drei auf ihre Zimmer gingen und eine unglaubliche Sehnsucht nach ihr ihn beinahe verzehrte. Aus diesem Grund schlich er sich an diesem Abend zu ihr und sie redeten lange miteinander, bis tief in die Nacht hinein und Pitchcraft hatte das Gefühl, dass sie ihn ebenfalls gern hatte. Als die drei Auroren am nächsten Morgen abreisten, legte der verliebte Auror das Versprechen ab, so bald wie möglich wiederzukommen. Und das tat er auch. Nach nicht einmal einem Monat kam er erneut in das Dorf und zu Susan. Das war ihr Name, den Pitchcraft bis heute gestochen scharf in Erinnerung hatte.
Es dauerte nicht lange und die beiden waren ein Paar. Bei seinem dritten Besuch in Wooden Village kam es dann zu ihrer Verlobung.
Wehmütig dachte der Auror an diesen Besuch zurück, der beinahe einen Monat gedauert hatte. Verstrickt in Hochzeitspläne genossen die beiden frisch Verlobten ihr Glück und wurden dabei von den anderen Dorfbewohnern hinreichend unterstützt.
Oft stellte Pitchcraft sich vor, wie sein Leben mit Susan verlaufen wäre, hätte das Schicksal nicht so grausam zugeschlagen. Oder, besser gesagt: die Werwölfe.
Es war in einer schönen Vollmondnacht geschehen.

Das Geheimnis der Heulenden HütteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt