Die Wut des Wolfes

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„Hast du sie eigentlich noch alle?" Sirius war wirklich wütend. Das war er eigentlich nie auf James, aber in diesem Fall doch. „Was hast du dir denn dabei gedacht, einfach zu Professor Shifaq zu gehen und ihn nach dem Auror zu fragen? Was, wenn er Verdacht geschöpft hätte?"
James neben ihm zuckte die Schultern. „Und? Es ist doch alles gut verlaufen. Ich wollte nur ein paar Informationen einsammeln."
„Ein paar Informationen, die uns beinahe den Kopf gekostet hätten! Wenn Shifaq jetzt genauer nachforscht, bekommt er vielleicht alles heraus. Über unsere Animagus-Verwandlungen, und, schlimmer noch, über Remus' Verwandlung! Die meisten Lehrer haben davon ja auch keine Ahnung!"
„Jetzt mach mal halblang, Tatze!", meinte James etwas lauter. „Du klingst ja schon so wie Remus. Wo ist deine Abenteuerlust geblieben?"
Peter ging neben James her und wusste offensichtlich nicht, was er tun sollte. Es kam wirklich nicht oft vor, dass James und Sirius sich stritten.
Sirius atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. „Die ist immer da, aber wenn wir allzu leichtsinnig mit unserem Geheimnis spielen, ist es vorbei mit unseren Abenteuern. Solange niemand in Hogwarts das mitbekommt, ist alles in Ordnung. Wir müssen vorsichtig sein."
Im nächsten Moment stutzte er. „Mein Gott, ich klinge tatsächlich schon wie Remus!", lachte er. James sah ihn kurz mit hochgezogenen Augenbrauen an, bevor auch er begann, zu grinsen.
„Okay, du hast wohl recht, das war eben etwas voreilig. Komplett ohne Vorsicht dürfen wir uns wohl nicht bewegen. Aber immerhin kennen wir jetzt Pitchcrafts Vornamen!"
„Und das ist natürlich eine unfassbar wichtige Information, die entscheidend dafür sein wird, wie die Sache ausgehen wird!", erwiderte Sirius ironisch.
Peter schien erleichtert, dass seine Freunde wieder einig waren, und sagte: „Wollen wir jetzt zum Mittagessen gehen? Ich habe nämlich Hunger. Oder sollen wir nach Remus sehen?"
„Wir sehen nach Remus.", bestimmte James. „Je eher er Dumbledore alles mitteilt, umso besser."
Dem konnten Sirius und Peter nichts entgegensetzen und so machten sich die drei auf, um zum Gemeinschaftsraum zu gehen. Bis dahin brauchten sie jedoch gar nicht zu gehen, da sie auf halbem Weg mit Remus zusammenstießen, der sich wortwörtlich dahinschleppte. Sirius bemerkte besorgt, dass sein Freund immer noch sehr angeschlagen aussah. Seine grauen Augen blickten stur geradeaus und er bemerkte seine Freunde erst, als sie ihn ansprachen.
„Ach, hallo.", meinte er matt.
„Remus, du wirst es nicht glauben, aber wir haben die perfekte Lösung für das Problem gefunden!", rief James inbrünstig, Remus' Niedergeschlagenheit ignorierend.
„Ach ja?", fragte Remus desinteressiert.
„Ja," nickte Peter, „du musst einfach nur Dumbledore alles erzählen! Also, nicht alles,", fügte er schnell hinzu, „nur so viel, dass wir drei nicht darin vorkommen und die Bedrohung für dich trotzdem klar wird."
Remus sah nicht so aus, als könne ihn der Plan begeistern. Eigentlich, stellte Sirius fest, sah er nicht so aus, als könne ihn irgendetwas begeistern.
Langsam öffnete er den Mund und erwiderte: „Meint ihr, daran hätte ich nicht auch schon gedacht? Ich komme gerade von Dumbledore's Büro."
Für einen Moment sah James sehr irritiert aus, aber dann meinte er: „Na dann ist ja alles geklärt! Dumbledore wird alles richten. Warum siehst du denn so besorgt aus?"
Das, fand Sirius, war eigentlich eine ziemlich boshafte Untertreibung für Remus' Zustand. Dieser verzog sein Gesicht auf James' Worte zu einer leidenden Grimasse, als er antwortete: „Es gibt da ein kleines Problem. Er ist nicht da."
Das verschlug den dreien für einen Moment die Sprache. Dann fragte Peter vorsichtig: „Wie meinst du das, nicht da? Ist er auf einem Ausflug oder so?"
Jetzt lachte Remus bitter auf. „Wenn es nur das wäre! Wie es der Zufall will, ist er laut Professor McGonagall für die nächsten zwei Wochen in einer geheimen Angelegenheit unterwegs. Das bedeutet, er kommt erst nach der nächsten Vollmondnacht zurück! Und was das heißt, wisst ihr ja."
Eine betretene Stille trat ein. Schließlich meinte Sirius: „Nun gut, dann geht es eben auch ohne Dumbledore. Du kannst dich doch an Madam Pomfrey wenden. Oder, noch besser, wir helfen dir. Zu viert können wir es doch allemal mit dem Kerl aufnehmen."
Remus zeigte keine Zuversicht. „Nein, das könnt ihr nicht. Habt ihr eine Ahnung, was das für ein Zauberer ist? Ich habe schon von dem gehört. Angeblich hat er einmal einen Werwolf mit bloßen Händen ermordet. Und, James, du hast doch gesehen, wie einfach er Hodgepodge herumgekriegt hat. Außerdem, welcher Mensch schafft es schon, Dumbledore zwei Wochen von Hogwarts wegzulocken? Denn dass das ein Zufall ist, kann mir niemand weismachen." Er war immer lauter geworden.
Sirius sagte beruhigend: „Und wenn schon. Wir können das trotzdem schaffen, schwierige Situationen haben wir doch auch früher bewältigt."
„Aber nicht so eine! Das ist eine Nummer zu groß für uns. Ihr solltet euch einfach da raus halten. Gegen Julius Pitchcraft haben wir nicht den Hauch einer Chance. Lasst mich einfach da sterben, dann geschieht euch wenigstens nichts." Remus machte Anstalten, sich zu entfernen.
Sirius konnte nicht glauben, was er da hörte. Das konnte Remus doch nicht ernst meinen? Auch James schien so zu denken, denn er sagte: „So klug du auch sonst bist, das war wahrscheinlich das Dämlichste, das du jemals gesagt hast, Remus. Wir und dir nicht helfen? Was wäre das denn? Du bist noch lange nicht tot und wir geben dich auf keinen Fall auf."
Mit wütendem Blick drehte sich Remus um. „Tja, aber vielleicht solltet ihr das! Wer will schon sein Leben für ein Monster riskieren?", giftete er.
„Unsinn!", rief James, sichtlich geschockt von Remus' Reaktion. „Du bist kein Monster. Willst du etwa einfach so aufgeben? Komm schon, Moony, gemeinsam jagen wir diesen verdammten Auror zur Hölle!"
Über Remus' Gesicht zuckte ein verächtliches Lächeln. „Für euch ist das alles nur ein Spiel. Ihr könnt eure Tiergestalten annehmen, wann immer ihr wollt und niemand merkt auch nur das Geringste von euren Eskapaden. Ihr braucht keine Angst zu haben, von der Gesellschaft verstoßen zu werden. Ihr habt keine Ahnung, wie schmerzhaft es ist, jeden Monat aufs Neue in ein solches Ding verwandelt zu werden. Ihr habt keine Ahnung, was das für ein Gefühl ist, diese schreckliche Angst, immer wieder, dass ich vielleicht doch einen Menschen verletzt habe, ohne es zu wollen. Ihr habt keine Ahnung, wie es ist, ich zu sein. Ein Monster zu sein."
Sirius wollte etwas sagen, aber Remus schnitt ihm das Wort ab. „Mein Spitzname sagt doch schon alles: Moony. Und vielleicht hat Pitchcraft ja recht. Du hast ihn gehört, James, wie er mich Abschaum genannt hat. Wie er gesagt hat, dass ich kein Recht zum Leben hätte. Als einen Fehler der Natur hat er mich, glaube ich, auch bezeichnet. Und eigentlich wisst ihr, dass er recht hat. Diese Dinge habe ich mir auch schon gesagt. Oft sogar. Ich bin eine Gefahr für mich selbst und für andere. Die Welt kann froh sein, wenn sie von mir erlöst ist. Warum auch nicht? Ich sollte Pitchcraft dankbar sein und ihr solltet das auch."
Sirius fiel ihm ins Wort. „Nun hör aber auf, Rem..."
„Nein, ihr hört auf!" Er schrie jetzt fast. „Hört auf damit, mir eure Freundschaft vorzugaukeln! Ich bin ein verabscheuungswürdiges Monster, mit dem niemand ernsthaft befreundet sein kann! Ihr benutzt mich doch nur, um über die Ländereien streifen zu können! Ich selbst interessiere euch doch gar nicht! Was ich durchmache, davon habt ihr keine Vorstellung! Also, lasst mich einfach sterben, verstanden? LASST MICH EINFACH STERBEN!" Die letzten Worte schrie er tatsächlich, sodass sie von jeder Wand in nächster Nähe zurückgeworfen wurden. Als er geendet hatte, drehte er sich auf dem Absatz um und rannte davon, wobei er James, Sirius und Peter entsetzt und erschüttert zurückließ.

Das Geheimnis der Heulenden HütteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt