Gewächshaus Nummer 7

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„Moony, kannst du mir mal etwas verraten?", fragte Sirius, während er sich in der kleinen Toilette umschaute. Remus, der gerade mit Peter eine Strategie zum Einbrechen in das Gewächshaus durchging, sah auf.
„Was denn?"
„Warum genau nochmal gibt es keinen besseren Ort zum Brauen des Tranks als diese Toilette?" Dabei rümpfte er ein wenig die Nase. „Ich meine, die ist für jeden zugänglich! Hier kommt bestimmt irgendwann mal jemand rein."
„Nein.", widersprach Remus. „Hier ist seit Jahren niemand mehr hereingekommen."
„Was so ist, weil...?", fragte Sirius skeptisch.
„Na, wegen der Maulenden Myrte!", rief James dazwischen. „Sag bloß, du weißt nichts von der!"
Sirius drehte sich zu seinem Freund. „Sollte ich etwas von der wissen?"
„Nun ja, sie lebt hier quasi drin, deshalb kommen die Leute nicht herein.", erklärte James. Dabei ignorierte er die Gestalt, die sich langsam in der Luft hinter Sirius abzuzeichnen begann.
„Warum haben wir von der bisher noch nichts gesehen? Wenn die so schrecklich ist, hätte sie uns doch schon längst überfallen oder hinausgejagt oder was weiß ich."
„Sie ist ja nicht schrecklich.", warf Remus ein. „Nur etwas..." Er zögerte, als die weiße Gestalt schon beinahe Sirius Rücken berührte.
„Ach so, vielleicht ist sie so hässlich, dass sie die Leute fernhält!", rief Sirius und lachte laut auf. „Bestimmt so ein hässliches Warzenschwein, das sich hier in der Toilette eingenistet..."
Ein ohrenbetäubendes Heulen ertönte im Raum und gleich darauf schoss die Gestalt hinter Sirius mitten durch diesen durch, der sich beim plötzlichen Kälteschock krümmte.
„WARZENSCHWEIN!?", erklang es schrill aus dem Mund des Geistes, dessen Gestalt nun deutlich wahrzunehmen wahr. Ein dunkelhaariges Mädchen mit großer Brille und in einem Hogwarts-Umhang mit Ravenclaw-Abzeichen darauf schwebte über ihnen in der Luft und blickte mit vernichtendem Blick auf Sirius hinunter.
„Jaja, mit der armen Myrte kann man sich seine Späßchen machen, was? Sie ist ja tot, also hat sie keine Gefühle, die man verletzen kann!" Jetzt fing sie an, schaurig zu heulen, während die vier Freunde unsicher zu ihr hoch blickten.
Sirius war der Erste, der sich fing und meinte: „Ach so, ein Geist. Hey, tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Du bist bestimmt kein Warzenschwein."
Das schien Myrte jedoch nicht zu beruhigen. Sie sah Sirius immer noch vernichtend an und sagte: „Dann hältst du mich bestimmt für einen Elefanten oder irgendetwas anderes, du gemeiner Kerl!" Und sie heulte wieder los.
„Nein, nein!", erwiderte Sirius beschwichtigend. „Du bist...", er suchte nach Worten „du bist sehr ansehnlich."
„HA!", schrie das Geistermädchen. „Glaub ja nicht, ich falle darauf rein! Ich kenne Typen wie dich! Ihr meint nichts ernst von dem, was ihr sagt!"
Nun flog sie im Kreis um Sirius herum. Um Sirius vor einem Schwindel zu bewahren, rief James dem Mädchen zu: „Warte, er meint es wirklich nicht so! Es tut mir leid, mein Freund hat nicht immer die beste Wortwahl."
Sofort hörte Myrte mit dem Umkreisen von Sirius auf. Sie flog auf James zu und urplötzlich wurde ihr bleiches Gesicht von einem versonnenen Lächeln erhellt.
„Ah, wenigstens ein Gentleman!" Sie umrundete James einmal und seufzte theatralisch. „Und auch noch so gutaussehend! Dir nehme ich deine Entschuldigung sofort ab, aber dein seltsamer Freund hier soll sich gefälligst aus meiner Toilette verziehen, so was dulde ich hier nicht!"
„Hey!", ließ sich Sirius vernehmen. „Du kannst mich nicht einfach rauswerfen!"
Mit wütendem Gesichtsausdruck drehte sich der Geist zu dem Jungen um. „Ich habe nicht mit dir geredet!"
Lächelnd wandte sie sich wieder James zu, der versuchte, sie zu besänftigen. „Hör mal, Myrte, du hast sicherlich recht. Aber wir brauchen Sirius hier und können leider nicht ohne ihn arbeiten. Es ist natürlich vollkommen bescheuert, was er gesagt hat, aber ich werde persönlich dafür sorgen, dass er es nicht wieder wagen wird, jemand wunderbares wie dich zu beleidigen."
Myrtes Gesichtsausdruck wurde weich und sie sah James mit einem Blick an, den man nur als schwärmerisch bezeichnen konnte.
„Wenn du das sagst, dann glaube ich das natürlich. Aber wenn dieser langhaarige Mistkerl da," Sirius wollte etwas sagen, aber James warf ihm einen warnenden Blick zu, „noch einmal etwas wie eben sagt, werde ich nicht ruhen, bis ich ihn heraus gespukt habe!"
„Klar.", meinte James und versuchte, ein gewinnendes Lächeln zustande zu bringen.
Myrte erwiderte es und schwebte in Richtung einer Toilettenschüssel. Bevor sie jedoch dort hinein flog, drehte sie sich noch einmal um und fragte: „Übrigens, wie heißt du eigentlich, Hübscher?"
„Äh, James.", antwortete dieser etwas überrumpelt.
„Nun gut, James. Wir können uns doch einmal hier treffen, für ein zweisames Date, ohne irgendwelche Störer?" Dabei glitt ihr Blick zu Sirius.
„Ähem, sicher doch.", murmelte James, wobei ihm etwas unbehaglich zumute war.
„Na dann, bis später!", lächelte das Geistermädchen James zu, blickte noch einmal finster zu Sirius und verschwand dann in der Toilettenschüssel.
Einige Sekunden war es still, dann fingen Remus und Peter wie auf Kommando an zu lachen.
„Na so was, Krone,", stieß Remus zwischen seinen Lachern hervor, während Peter gar nicht mehr sprechen konnte, „da hast du ja endlich eine Freundin gefunden. Und was für eine!"
James verzog wütend das Gesicht. „Ja, macht euch nur lustig. Ich habe gerade dafür gesorgt, dass wir hier ungestraft bleiben können, seid mal ein bisschen dankbar. Außerdem," hierbei blickte er zu Sirius, der ebenfalls angefangen hatte, zu lachen, „habe ich gerade ein Mädchen verführt, das unser Herzensbrecher Sirius nicht verführen konnte." Er grinste herausfordernd.
Sirius hörte sofort auf, zu lachen und erwiderte: „Pah, das war doch nur ein Geist. Wenn ich mir richtige Mühe gegeben hätte, wäre sie mir im Handumdrehen verfallen gewesen."
„Ja, das hat man gemerkt!", rief Remus aus, während Peter sich immer noch auf dem Boden kringelte. „Sie war nur einen Schritt davon entfernt, mit dir in ihre Toilette einziehen zu wollen!"
„Wenn du es nicht einmal schaffst, einen Geist herumzukriegen, Tatze, dann frage ich mich, ob dein Ruf wirklich gerechtfertigt ist.", sagte James schadenfroh.
„Ach, hört doch auf.", meinte Sirius schnippisch. „Ich habe das alles so geplant. Ich will nämlich nicht auf einer Toilette neben dieser Verrückten leben. Das überlasse ich dir, James!"
„Wie großzügig,", erwiderte James lächelnd. „Allerdings solltest du ab jetzt nichts Negatives mehr über sie sagen, sonst könnte es sein, dass sie dich tatsächlich hier herausspukt."
Sirius zog eine Grimasse, die wohl so etwas sagen sollte wie „So weit kommt es noch!", sagte aber nichts mehr dazu, sondern wechselte schnell das Thema.
„Wie weit seid ihr jetzt eigentlich?", fragte er an Remus und Peter gewandt.
Remus fiel es sichtlich schwer, einen ernsten Gesichtsausdruck aufzusetzen, aber schließlich schaffte er es wenigstens einigermaßen und erwiderte: „Ich glaube, die grundlegenden Informationen sind jetzt gesichert, oder, Wurmschwanz?"
Peter nickte langsam. „Also, die Pflanzen, die ich besorgen muss, und davon jeweils zwei Exemplare, sind die Affodill-Wurzeln, die Flitterblume, Kartoffelpilze, Liebstöckl und die Fangzähnige Geranie." Beim letzten verzog er das Gesicht.
„Ist das letzte wirklich nötig? Ich will mich eigentlich nicht mit so einer Geranie auseinandersetzen."
„Das wirst du allerdings müssen, Peter, oder es gibt keinen Trank.", meinte Remus unnachgiebig. „Ich habe dir ja lang und breit erklärt, wie du sie zähmst."
„Ja, schon, aber..."
„Keine Widerrede, Wurmschwanz!", rief James. „Da musst du jetzt durch!"
Peter schien immer noch nicht überzeugt, hielt aber den Mund.
„Und deine Rolle, Sirius?", wandte sich Remus an seinen Freund.
„Ich komme als Hund mit Peter mit und grabe einen Durchgang unter dem Gewächshaus durch, groß genug für Peter.", erwiderte dieser.
„Und auch groß genug für die Pflanzen, die Peter ja auch auf diese Weise heraustransportieren muss.", entgegnete Remus und Sirius nickte, als wäre das selbstverständlich.
Remus seufzte und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Dann sagte er: „Damit wäre ja alles geklärt. Ihr beiden macht euch am Besten gleich auf den Weg und sucht euch einen Ort, an dem ihr euch ungestört verwandeln könnt. Die Mittagspause ist bald vorbei. Professor Chanton hat danach zwar noch Unterricht, aber ihr solltet trotzdem so schnell wie möglich sein."
Sirius nickte und forderte Peter auf, mitzukommen, der sich offenbar an den Gedanken, dass er eine Fangzähnige Geranie zähmen musste, gewöhnt hatte. Er erschien sogar sehr tatendurstig, als er aufsprang und gemeinsam mit Sirius die Toilette verließ.
Sirius meinte noch mit einem unfassbar hämischen Gesichtsausdruck: „Weint um uns, wenn wir umkommen sollten!". Dann waren er und Peter verschwunden.
James sah zu Remus, der offensichtlich gedankenverloren in das heiße Wasser im Kessel starrte. Dann fragte er: „Was hast du eigentlich vor, Moony? Du willst hier doch bestimmt nicht tatenlos herumsitzen."
Remus blickte auf. „Natürlich nicht. Es gibt noch einiges zu tun. Der Trank alleine reicht nicht. Wir müssen Pitchcraft vorgaukeln, dass er sein Ziel auch wirklich erreicht hat."
„Und wie wollen wir das schaffen?", fragte James skeptisch. „Dazu bräuchten wir ja einen toten Werwolf."
„Ganz genau.", erwiderte Remus und stand auf. „Wir müssen ihm eine Leiche präsentieren. Der Trank macht ihn zwar so benebelt, dass er einen Hund wohl nicht von einem Werwolf unterscheiden kann, aber einen toten Werwolf am Ende muss er doch zu sehen bekommen."
„Wie wär's mit Mulciber? Der sieht so tierisch aus, dass ihn Pitchcraft garantiert für einen Werwolf hält.", schlug James grinsend vor.
Remus musste lächeln, aber er schüttelte den Kopf. „Wir brauchen ein Tier."
„Und wie bekommen wir so eines?", fragte James zurück.
„Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Krone. Aber ich kenne jemanden, der es wissen könnte."

Das Geheimnis der Heulenden HütteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt