Kapitel 3

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Am nächsten Tag standen wir Punkt 9 Uhr vor Lestrades Büro und warteten darauf, dass er heraus kam. Wir wären ja rein gegangen, aber er hatte uns vorher angerufen und gesagt, dass wir unter keinen Umständen sein Büro betreten sollten. Warum auch immer.

Eine Antwort bekamen wir jedoch genau in dem Moment, als sich die Tür öffnete und die Britische Regierung alias Mycroft Holmes vor uns stand, hinter ihm stand Greg, der sobald er uns sah erst bleich und dann Signalrot wurde.

Warum war Mycroft denn hier und warum war es Lestrade so furchtbar peinlich?

Als ich Sherlock ansah, wurde auch mir klar, warum.

Dieser hatte allem Anschein nach eine Schockstarre erlitten und stand mit offenem Mund da. Nur seine Augen wanderten zwischen den Beiden hin und er.

Auch ich verstand langsam. Wollte er damit sagen dass...? Aber das war doch total schwachsinnig. Die beiden würden doch niemals...? Oder doch?

Ich betrachtete die beiden aufs Gründlichste und bemerkte nun auch einige Anzeichen, die darauf schließen ließen.

Lestrades Krawatte, die sonst immer kerzengerade hing, schien etwas schief zu hängen, sein unterster Knopf, von seinem Hemd, war offen und auch das Hemd selbst sah ziemlich zerknittert aus.

Mycroft sah ähnlich aus, auch wenn nicht ganz so offensichtlich. Er hatte geweitete Pupillen, einen ganz leichten rot schimmer auf den Wangen und wenn man genau hin sah konnte man einen Knutschfleck an seinem Hals erkennen.

Oh Gott! Ich war so froh, dass wir gewartet hatten und nicht einfach in das Büro spaziert waren. Wer weiß, was wir sonst zu Gesicht bekommen hätten.

Während Lestrade das ganze unsagbar peinlich war, schaute Mycroft mit einem wissenden Lächeln, auf dem sonst so emotionslosen Gesicht, auf unsere Knutschflecken am Hals, die wir wirklich nicht hatten verstecken können.

Nun war es an uns, peinlich berührt auf den Boden zu schauen.

Nach ein paar Minuten, fassungslosem Starrens, fing Lestrade stotternd an zu sprechen:" S-sie sind sehr p-pünktlich."

„Ja. Allerdings.", kam es nun auch von Mycroft, dem die Situation anscheinend null peinlich war. Typisch Holmes-Familie.

„So leide es mir auch tut. Aber ich muss dann auch."

„Bis später Bruderherz.", kam es nun von Sherlock, der sich nun auch langsam gefangen hatte.

Wir bekamen ein letztes Schnauben und schon war Mycroft Holmes auch wieder verschwunden.

„Ähhhhhhh ja....w-wenn Sie nichts dagegen h-haben, k-könnten wir jetzt mit dem Fall weiter machen.", stotterte Lestrade vor sich hin.

Nach einem kurzen Augenblick, in dem Sherlock mit schmalen Augen Greg beäugte, schüttelte er leicht den Kopf und rief dann mit euphorischer Stimmer:" Also schön! Auf in die Schlacht! Jeffrey, führen Sie uns zur Leiche!"

„ Greg. Ich heiße Greg!"

„Wie auch immer!"

Nach ungefähr drei Stunden verließen wir das Barts Hospital und waren genauso schlau, wie vorher, mal von dem Vorfall mit Mycroft abgesehen.

Aber wirklich nicht die geringste Spur. Keine Fingerabdrücke, Speichel oder Sonstiges. Nichts.

Aber wer hätte auch was anderes erwartet? Schließlich sprachen wir hier von James Moriarty. Dem Napoleon, des Verbrechens, wie er sich selber nannte.

Weder auf dem Glassarg, noch auf der Leiche selbst, hatte man etwas Nützliches gefunden.

Das einzige, was wir feststellen konnten war, dass die Frau gestern gegen 18 Uhr ermordet wurde, Sarah Petersen hieß, 23 Jahre alt war und keinerlei Verwandte aufweisen konnte. Und auch das hatten wir nur durch einen Ausweis und ein wenig Recherche herausgefunden.

Als wir also wieder in der Bakerstreet waren, war gar nicht an Entspannung oder Ruhe zu denken. Während ich mir also mal wieder einen Tee machte, ich glaube ich entwickle langsam eine Teesucht, saß Sherlock in seinem Sessel und grübelte über unseren Fall nach.

Nachdem ich meinen vierten Tee ausgetrunken hatte und Sherlock sich immer noch nicht gerührt hatte, stand ich auf und ging langsam auf seinen Sessel zu. Vorsichtig hockte ich mich vor meinen Freund und schaute ihm in das vor Anstrengung zugekniffene Gesicht. Langsam legte ich meine eine Hand auf seinen Oberschenkel und die andere führte ich zu seiner Wange. Dort blieb sie eine Zeit lang liegen, während Sherlock sich nicht rührte. Gerade hatte ich beschlossen, dass es nichts brachte und meine Hand wegziehen wollte, öffnete er seine Augen und sah mich an. Als wir so da saßen und uns gegenseitig anstarrten zog sich eine Gänsehaut über meinen ganzen Körper. Wie machte er das nur? Langsam beugte er sich vor und legte seine weichen Lippen sachte auf meine. Als wir uns von einander lösten seufzte ich leicht. Diese Küsse gingen immer viel zu schnell vorbei und machten mich süchtig nach mehr.

Für immer. Oder doch nicht?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt