Glückliche Erinnerung

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Ich stellte den Wasserkocher ein. Der Abend gestern ging noch ziemlich lange, da wir noch bei mir zuhause einen Film bis um zwei Uhr gesehen hatten. Ich war müde. Aber mein verkackter Schlafrhythmus meinte mich um acht Uhr morgens zu wecken.

Seufzend goss ich mir Wasser in die Teetasse und schlürfte zum Sofa, wo ich nach meinem Laptop griff und ihn anschaltete.

Wie automatisch tippten meine Finger seinen Namen in die Googlesuche ein. Sein Kanal wurde direkt vorgeschlagen. Doch seit einer Ewigkeit war dieser stillgelegt. Sein Wikipedia Eintrag und alte Artikel waren auch noch vorhanden. Doch ich fand nichts über sein heutiges Leben. Das frustrierte mich.

Auf Twitter war er ebenso nicht mehr aktiv. Genauso wie alle anderen Freunde, die ich mal hatte. Alle führten glückliche Leben.

Bei Facebook ergab die Suche dann doch einen Treffer. Dieses Profilbild. Er sah noch genauso aus wie früher. Nur wirkte er reifer. Älter. Seine braunen Augen leuchteten, so wie früher. Ich habe seine Augen geliebt. Ich hätte Stunden in sie sehen können. So oft hatte ich mich in sie verloren. Und ich tat es schon wieder. Auch wenn es nur auf einem Foto war.

Doch ich traute mich nicht ihm zu schreiben. Frustriert rieb ich mir über mein Gesicht und ging dann auf seine Freundesliste. Und dann sah ich dort einen Namen, der mir nur allzu gut bekannt vorkam. Michael. Ich ging auf sein Profil und überlegte, wie ich am besten eine Unterhaltung anfing. Vielleicht hatte er ja noch Kontakt zu Maudado. Oder eben auch zu Palle.

Also schrieb ich ihm eine Nachricht. Lange suchte ich nach Worten, fand aber schließlich welche.

Hallo Michael. Hier ist Manuel.

Ich wollte mich mal erkundigen, wie es dir so geht, was du so machst. Ich habe momentan oft an die Vergangenheit gedacht und somit auch an dich.

Kurz nachdem ich auf Absenden gedrückt hatte, kam auch eine Rückmeldung.

Germanletsplay Manuel? Wenn ja, ultra cool! Freut mich was von dir zu hören. Mir geht's gut. Dir?

Ich freute mir einen Ast ab, als ich dies las. Wir schrieben lange hin und her. Michael betrieb zusammen mit Chessie eine Hundeschule. Auch hatten sie einen Sohn Namens Lucas. Es passte zu ihnen. Er hatte noch Kontakt mit Maudado und erzählte mir, dass er in einem Kindergarten arbeitete und eine Freundin namens Nathalie hatte. Kinder waren bei ihnen aber noch kein Thema. Und als er mir sagte, dass er auch Kontakt zu Patrick hatte, wurde ich aufgeregt. Er erzählte mir, dass er in Hamburg lebte. Mehr wollte ich nicht wissen. Ich wollte selbst alles über ihn herausfinden. Und tatsächlich gab Michael mir Palles Adresse.

Ich sah bei Google Maps nach, wo er lebte. Es war abseits von Hamburg. Ein Haus, mit Garten. Ich lächelte. Er hatte früher immer gesagt, er würde gerne ein Haus mit Garten haben. Und eine Familie. Ob er sich auch diesen Wunsch erfüllt hatte?

Vielleicht ginge er auch Arbeiten und ich würde ihn nicht antreffen, wenn ich einfach mal so nach Hamburg fahre. Schließlich waren es einige Stunden mit dem Zug. Einen Führerschein hatte ich immer noch nicht. In Essen war dieser ja auch nicht nötig. Ich erreichte alles per Fuß oder mit der Bahn.

Aber am Wochenende war er sicherlich zuhause. Aber was ist, wenn er eine Frau hat und sie mir die Tür öffnete? Was sage ich dann da? Oder, wenn er mich doch nicht sehen will? Wenn er sich nicht freut? Schließlich war ich immer noch sein Exfreund.

Aber ich musste ihn sehen. Peter hatte mir diese Idee gegeben und sie hat sich in mein Gehirn gefressen, wie ein Parasit. Ich musste einfach in den Zug steigen und nach Hamburg fahren.

Und das tat ich. Am nächsten Sonntag fuhr ich zum Essener HBF, kaufte ein Ticket und stieg in den Zug Richtung Hamburg. Ein spontaner Irrsinniger Trip. Ich wusste nicht was mich erwartete. Und ob Palle noch der Palle war, wie in meinen glücklichen Erinnerungen.

Vergangenheit / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt