Der Pianist

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*Sicht Patrick*

Die Tatsache das Manuel mich nach all den Jahren aufgesucht hatte, stimmte mich glücklich. Ich lag in meinem Bett, er auf meinem Sofa. Wir waren noch draußen gewesen mit Talia und er kam ausgesprochen gut mit ihr aus. Talia wollte die meiste Zeit von ihm huckepack getragen werden. Manuel hatte mir häufig einen Hilfesuchenden Blick zugeworfen, jedoch habe ich ihn nur hinter Talias Rücken ausgelacht und gepiesackt. Dann hatten wir uns noch Pizza bestellt und zusammen zu Abend gegessen. Meine Tochter war gegen 8 Uhr vorm Fernseher eingeschlafen, weswegen ich sie in ihr Bett getragen hatte.

Als Manuel und ich dann alleine einen anderen Film geschaut hatten, konnte ich nicht aufhören ihn anzusehen. Er war noch immer so ausgesprochen faszinierend wie früher. Ich erinnerte mich gerne an die Zeit zurück. Ich schloss meine Augen und dachte an die Vergangenheit und an heute.

In der Nacht träumte ich von ihm. Davon, wie wir uns ineinander verliebt hatten. Es war eine so wunderbare Zeit gewesen.

„Ich fahr nach Essen", sagte ich zu meinem Mitbewohner. „Schon wieder?", fragte er mich genervt und sah mich mit schiefem Kopf an, während ich mir die Jacke überzog. „Wann willst du Manu endlich sagen, dass du ihm jedes Mal zuhörst?", hängte er dann noch an. Ich zuckte mit den Schultern und griff nach dem Wohnungsschlüssel. „Irgendwann." Und schon huschte ich aus der Tür und ging zum Bahnhof.

Ich kam gegen 19 Uhr am Lokal an, setzte mich an meinen Tisch in der hintersten Ecke und wartete, bis die Bedienung kam. Die Kellnerin Namens Jessi kannte mich schon und brachte mir jedes Mal meine Cola.

„Bittesehr der Herr", sagte sie lächelnd, als sie mir das Glas auf den Tisch stellte. „Danke", grinste ich zurück. „Der Pianist verspätet sich heute um 30min. Lieber noch eine zweite Cola?", fragte sie mich und legte dabei das Tablett gegen ihre Brust. „Nein, danke", winkte ich aber ab. Sie nickte und ging zum nächsten Tisch.

Geduldig wartete ich darauf, bis Manuel kam und das Lokal mit wundervollen Klängen durchschallte.

Und dann kam er endlich. Die Lichter waren gedimmt und meine Augen lagen auf ihm. Den schlaksigen Jungen, der einen Zopf und einen Anzug trug. Er setzte sich an den großen Flügel, der in der Ecke stand. Von hier aus hatte ich den besten Blick auf Manuel. Jedoch konnte er mich nicht sehen. Und das war auch gut so.

Die Leute klatschten für ihn und ich erkannte ein Lächeln auf seinen Lippen. Dieser Anblick ließ mich auch schmunzeln.

Und dann legte er seine knochigen Finger auf die Tasten und spielte ein ruhiges Lied, was mir eine Gänsehaut verpasste.

Eine Stunde später war das kleine Konzert, was jeden Samstagabend hier stattfand, zu Ende. Manuel hatte mich mal wieder zu Tränen gerührt und nun saß ich hier und genoss die letzten Minuten, wo ich ihn sehen konnte. Er sprach gerade mit Jessi. Wie gerne ich auch einmal mit ihm reden würde. Nicht nur über den Computer, sondern wirklich. Wo ich ihm dabei in die Augen sehen konnte. Ich seufzte und lehnte mich in den Stuhl zurück. Gleich würde er gehen. Gleich würde ich ihn eine Woche nicht mehr sehen.

Doch er stand auf, gab Jessi die Hand und drehte sich zu der Menschenmasse um. Er hielt Ausschau. Ich fühlte mich ertappt. Ich wendete meinen Blick ab und machte mich klein. Bitte seh mich nicht, bitte erkenn mich nicht.

Als ich mich wieder traute hinzusehen, war er weg. Erleichtert setzte ich mich wieder ordentlich hin und schaute mich um, doch kein Manuel zu sehen. Also rief ich eine Kellnerin zu mir, bezahlte die Cola und verließ anschließend das kleine Lokal. Ich stopfte meine Hände in meine Jackentasche. Es regnete. „Ey, du da! Warte mal!", rief jemand. Ich erkannte die Stimme. Das war mein bester Freund.

„Papa? Ich hatte einen Albtraum", weckte mich die hohe Stimme Talias. Brummend knipste ich die Nachttischlampe an und klopfte auf die leere Bettseite. „Komm." Lächelnd krabbelte meine Tochter aufs Bett und deckte sich zu. „Danke, Papa", sagte sie und drückte dabei ihr kleines Stoffschwein an ihre Brust. „Edgar beschützt dich, schlaf weiter", murmelte ich und strich zärtlich über ihre kleine Stirn.

Vergangenheit / KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt