46 | Alby

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Newt

„Violet!", rief ich laut, während ich durch die Lichtung humpelte, auf der Suche nach meiner Freundin.
„Ich bin hier.."
Erschrocken drehte ich mich um und erblickte Vi, während sie auf einem Baumstamm saß und eine Blume zerpflückte.
„Vi..", murmelte ich außer Atem und stellte mich vor sie.
„Geht's dir gut?", fragte ich besorgt, woraufhin sie nickte.
„Schickt Minho dich?
Bist du deshalb gekommen?"
Ich schüttelte verwirrt den Kopf.
„Ich bin gekommen, weil du meine Freundin bist und ich mir Sorgen gemacht habe.", sagte ich ruhig und nahm die Hand meiner Freundin.
„Tut mir leid..", flüsterte Violet und strich mir mit der zarten Hand über die Wange.
„Weißt du wieso es mich so verletzt, wenn Minho sowas sagt?", fragte sie nach einer kurzen Zeit, woraufhin ich den Kopf schüttelte.
„Weil er Recht hat.", sagte sie und starrte dabei zu Boden.
„Nein, nein hör auf, sag sowas nicht.", begann ich sofort doch Vi schüttelte den Kopf.
„Ich habe dir etwas Wichtiges verschwiegen..", murmelte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
Ich schluckte, ich hätte nie damit gerechnet, dass Violet mir etwas Wichtiges verschweigen würde, sie hatte es mir versprochen.
„In einem Traum..
Ich ähm.. ich stand neben meinem Vater in einem Labor, eine Scheibe trennte uns von einem verdammten Versuchsobjekt.
Und ich hab zugesehen, einfach bloß still zugesehen und meinte ich würde mit ihm spielen wollen.
Ich war damals noch ein kleines Kind und durfte nicht, aber was wenn ich älter wurde... und irgendwann mit ihm spielen durfte?", flüsterte sie und sah dabei beinahe traumatisierte aus.
„Vi, selbst wenn, die Menschen, die wir vorher waren-"
„Sind mit unseren Erinnerungen ausgestorben, das hat mir Zart schon gesagt, aber es nimmt mir die Schuld auch nicht weg, Newt.", unterbrach mich Violet mit zitternder Stimme.
„Wir wissen es nicht, Baby, wir wissen es nicht und werden es womöglich auch nie erfahren.
Wir müssen jetzt hier raus, noch mehr als je zuvor.", überlegte ich nachdenklich und streichelte mit dem Daumen über den Handrücken meiner Freundin.
„Aber es gibt keinen Weg, Newt.", sagte die Brünette verzweifelt und fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare.
„Irgendeinen muss es geben.", erwiderte ich ernst.
„Wenn es einen gibt, dann werden wir den finden, ich habe nicht vor, hier zu sterben, wie so viele schon vor mir."
Ich nickte.
Ich will und werde hier drin nicht sterben.
Die Nacht blieb, wie schon vermutet, schlaflos.
Am Abend versuchte es Minho nochmal ab und zu bei meiner Freundin, doch diese war stur und immer noch verletzt, was ich durchaus verstehen konnte.
„Glaubst du sie wird mir je verzeihen?", hatte er mich gefragt, woraufhin ich bloß nickte.
Violet würde jedem eine zweite Chance geben, sie hat nunmal ein gutes und großes Herz.
Sie und ich lagen, fest aneinander gekuschelt, gemeinsam in unserem Bett und starrten die Decke an.
Diese Nacht erschien uns allen als dunkler und kälter, als die meisten anderen Nächte.
Am nächsten morgen beschlossen Vi, Teresa, Minho und ich, nicht zum Eingang des Labyrinthes zu gehen.
Wir wollten nicht enttäuscht werden, wenn Thomas nicht dahinter stand.
Doch plötzlich vernahmen wir einen lauten, Hilfesuchenden Schrei, woraufhin wir aufstanden und geschlossen zur Mauer liefen.
Mal wieder hatte sich dieser dämlichen Kreis von Jungs gebildet.
„Thomas..?", flüsterte Violet neben mir fragend und sah mich an, woraufhin ich, mit gerunzelter Stirn, die Schultern zuckte.
Gemeinsam drängelten wir uns durch den Haufen Jugendlicher, als wir Winston und Ben erblickten, wie diese mühevoll einen völlig außer sich geratenden Thomas festhielten.
Am Boden lag Alby, über den sich Jeff und Zart gebückt hatten.
Im ersten Moment war ich unfassbar glücklich meinen besten Freund wiederzusehen, doch als ich sah, was er getan hatte und was ihm zugestoßen war, verschwand das Lächeln in meinem Gesicht.
Ich stand wie angewurzelt da, starrte erst Thomas und dann Alby an.
Ich beobachtete, wie Teresa auf Thomas zulaufen wollte, doch sofort von Clint und Winston weggeschickt wurde, wie von Hunden, die ihr Zuhause verteidigten.
Als Violet Jeff und Zart etwas zur Seite gedrückt hatte, verstand ich endlich, wieso Alby auf dem Boden lag:
Ein Fingerbreiter Ast steckte in seiner Schulter, ein anderer in seinem Bauch.
Das Blut quoll aus den Wunden und tränkte sein Shirt.
„Bringt ihn in die Krankenstation, steckt Thomas ins Loch.", rief Violet geschockt und starrte Alby's Wunden an.
Die anderen hörten auf meine Freundin und taten, was sie verlangte, sodass wir später nur noch in kleinerer Zahl dastanden.
Ich fühlte mich wie ohnmächtig, als könnte ich nichts tun oder sagen.
„Er wurde gestochen..", murmelte Minho nachdenklich und starrte zu Boden.
„Gestochen?", hakte Vi ängstlich nach.
„Griewer, sie stehen für gewöhnlich.
Die, die von den Viecher gestochen werden, drehen durch, werden verrückt, verletzen andere..
Deshalb müssen wir sie fortschicken.", meinte Clint kalt.
„Fortschicken? Wohin fortschicken?", fragte meine Freundin misstrauisch und blickte den dunkelhaarigen Läufer genau an.
„Es reicht, sowas muss sie nicht hören.", mahnte ich und legte meiner Freundin einen Arm um die Schulter, den sie aber sofort abschüttelte.
„Sagt es mir, ich mein's ernst."
Doch bevor ihr jemand antworten konnte, kam Jeff angerannt.
„Vio, du musst unbedingt kommen!", rief der Jüngere, packte meine Freundin an der Hand und rannte mit ihr los, woraufhin wir ihnen dann folgten.
„Was ist hier los?", fragte meine Freundin streng, nachdem sie die Tür der Hütte aufgestoßen hatte.
„Alby, ich glaube..."
Doch Zart unterbrach sich selbst mitten im Satz und trat einen Schritt zur Seite, um uns einen Blick auf unseren Anführer werfen zu lassen.
Die Sanitäter hatten zwar die Stöcke entfernt, doch Alby zitterte vor Schmerz und blutete stark.
Auch,  wenn ich wusste, dass es für ihn eigentlich keine reelle Chance mehr gab, hoffte ich ununterbrochen weiter.
„Nein, Zart, es muss gehen, wir können ihn nicht sterben lassen!", erwiderte Violet und kniete sich neben Alby.
„Violet, wir können nichts mehr tun.. wir sollten ihn von seinem Leid befreien..", flüsterte Jeff kleinlaut und legte meiner Freundin eine Hand auf die Schulter.
„Es muss eine andere Lösung geben..", rief Vi verzweifelt.
„Violet... es ist schon okay...", stöhnte Alby auf einmal mit geschlossenen Augen, während ich mich zu meinem Mädchen hockte.
„Du musst meinen Platz einnehmen..."
Ich schaute Vi besorgt an, die, mit Tränen in den Augen, mit dem Kopf schüttelte.
„Ihr müsst hier raus...", flüsterte Alby nun zu uns allen.
Langsam trieb es mir auch die Tränen in die Augen, bis diese sich langsam lösten und meine Wange hinunter liefen.
„Bitte lasst mich mit Newt alleine..", bat der Dunkelhäutige mit zitternder Stimme, woraufhin alle sofort nach draußen verschwanden und nur ich neben ihm knien blieb.
„Ich wusste immer, dass dieser Tag kommen wird, ich habe nur gehofft, dass er später kommen würde.", flüsterte Alby schwach und atmete kraftlos ein und aus.
„Versprichst du mir was?"
Ich nickte sofort schluchzend und wischte mir schnell einige Tränen weg.
„Vergesst mich nicht."
Und dann erlag mein Freund seinen Schmerzen und schrecklichen Verletzungen.
Sein Kopf sank beinahe in Zeitlupe ins Kissen, seine Augen wurden ganz klar und sein Brustkorb hörte auf sich zu heben und zu senken.
Es war ganz still, so still, dass ich mein Herz schlagen hörte.
Es zerbrach ein Teil in mir, ein Teil, den Violet gerade wieder gekittet hatte.
Ich hätte am liebsten stark zu weinen begonnen, um den Schmerz rauszulassen, doch ich blieb ganz still und starrte den leblosen Körper meines Freundes an.
Meine Hand glitt, wie ganz automatisch, zu seinem Kopf und mit zitternden Händen und Tränen in den Augen, schloss ich die Augen unseres Anführers.
Vorgestern Abend war alles so perfekt, der glücklichste Tag meines Lebens und jetzt?
Jetzt war all der Schrecken, all das Grauen wieder da.
Mein Freund war tot, mein anderer Freund lag gestochen in einem Loch und würde höchstwahrscheinlich auch sterben.
Nun kam alles hoch, all die Tränen, die sich eben noch versteckt hielten, flossen in Strömen aus meinen Augen.
„VIOLET!", brüllte ich laut schluchzend.
Ich wollte jetzt nichts lieber, als mich in ihre Arme zu legen und laut und endlos zu heulen.
Sofort kam meine Freundin in die Hütte gestürmt, warf einen kurzen Blick auf Alby's Leiche, ehe sie sich hinkniete und mich in ihre Arme schloss.
Weinend klammerte ich mich an ihr Shirt und schluchzte laut, während ich  auch das leise Schluchzen von Violet wahrnahm.

Violet - The Maze RunnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt