Kapitel 2

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Sura

Mit beiden Händen klammere ich mich an der Kaffeetasse fest und starre auf den blinkenden Cursor meines Laptops. Eigentlich müsste ich den Bericht für gestern fertig schreiben. Aber ich kann einfach nicht.

Die komplette letzte Nacht lag ich wach und habe mich im Bett hin und her gewälzt, weil ich ständig den Todeskampf des Häftlings vor meinen Augen hatte. Ich schüttle mit dem Kopf, um die Bilder zu vertreiben, doch sie verschwinden nicht.

„Sura, wo bleibt der Bericht für gestern?", spricht mich Mrs. Billings von der Seite an und ich schrecke hoch.

Dabei kippe ich meine Tasse um und der gesamte Inhalt verteilt sich auf dem Schreibtisch. Verflucht! Ich schnappe mir meinen Laptop und halte ihn hoch, damit wenigstens er keinen Schaden nimmt.

Entschuldigend sehe ich zu meiner Chefin, die mich mit einem abschätzenden Blick mustert. „Ich bin fast fertig, Mrs. Billings. In spätestens dreißig Minuten haben Sie ihn", erkläre ich ihr, obwohl ich nicht weiß, wie ich es schaffen soll den Kaffee wegzuwischen und den Bericht in der kurzen Zeit zu schreiben.

„Gut. Bringen Sie ihn danach in mein Büro. Ich muss etwas mit Ihnen bereden." Sie nickt mir noch einmal zu, schüttelt mit dem Kopf, als sie einen erneuten Blick auf das Kaffeedesaster wirft, und verschwindet so schnell, wie sie gekommen ist.

Panik überkommt mich, als sich der Gedanke in meinem Kopf bildet, dass sie mich vielleicht kündigen wird. Das darf auf gar keinen Fall passieren! Ich brauche diesen Job unbedingt! Sonst kann ich mir gleich einen Pappkarton schnappen und gemeinsam mit meinem Kater unter einer Brücke wohnen. Schweiß bricht mir auf der Stirn aus, wenn ich an dieses Szenario denke und ich stelle meinen Laptop auf den Stuhl ab, wo ich bis eben noch saß, und hole einen Lappen um die Pfütze wegzuwischen.

Zehn Minuten später sitze ich wieder vor dem Bericht und atme tief durch, bevor ich endlich mit schreiben anfange. Ich verdränge all meine Gedanken und tippe lediglich nüchtern die Fakten ein. Wieso der Häftling zur Todesstrafe verurteilt wurde, wie lange er saß und was seine letzten Worte waren. In nur einem Satz beschreibe ich außerdem seinen Todeskampf und das er sechzehn Minuten gedauert hat.

Ich kann schon förmlich vor mir sehen, wie sich die Angehörigen der damals getöteten Frau die Hände reiben und sich freuen, dass er so qualvoll gestorben ist. Aber was bringt ihnen das? Deshalb stehen die Verstorbenen auch nicht wieder von den Toten auf. Es ist nur eine Art Rache für uns, dass der Täter ebenfalls leiden musste. Was für eine kranke Gesellschaft, denke ich mir, erinnere mich jedoch keinen Augenblick später daran, was die letzten Worte von dem Häftling waren.

Meine Miene wird wieder hart und ich sage mir erneut gedanklich, dass er es eigentlich verdient hatte, so zu leiden. Wie jeder Mensch, der einen anderen tötet.

Ich lese den Bericht noch einmal Korrektur, drucke ihn aus und gehe damit anschließend zum Büro meiner Chefin. Mir stellen sich schon jetzt die Nackenhaare auf, wenn ich daran denke, dass sie etwas mit mir bereden möchte. Fieberhaft grüble ich darüber nach, doch es kann einfach nichts Gutes sein.

Vor ihrer Tür angekommen atme ich tief durch, bevor ich klopfe. Eine Sekunde später ruft sie Herein und ich öffne die Tür.

Sie blickt auf, während ich hineinkomme, und zeigt mit der ausgestreckten Hand auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch.

Ich werde so etwas von gekündigt, schießt es mir prompt durch den Kopf. Mit zitternden Fingern schließe ich die Tür und setze mich. Den Zettel halte ich krampfhaft in meiner Hand umklammert, als könnte er mich vor dem retten, was gleich passieren wird.

Meine Chefin blickt endlich auf und ich lächle sie freundlich an, obwohl es mit hoher Wahrscheinlichkeit eher eine Grimasse gleicht, weil ich so nervös bin.

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