Kapitel 59

239 6 5
                                    

Jason

Eine Woche bis zur Hinrichtung

Mit dem Löffel stochere ich in meinem Essen herum und warte darauf, dass die Zeit vorbei geht. Ich hatte angenommen, dass Sura mich besuchen kommen würde. Doch gestern war sie nicht da und mein Bauchgefühl sagt mir, dass sie heute ebenfalls nicht erscheinen wird.

Vielleicht bin ich das letzte Mal zu weit gegangen mit meinem Geständnis? Mit Sicherheit habe ich sie verschreckt und sie weiß nun gar nicht, wie sie mir gegenüber treten soll. Verübeln kann ich es ihr nicht. Ich hatte früher auch einige Frauen die mir gestanden haben, dass sie mich liebten und ich erwiderte dieses Gefühl nie. Es ist furchtbar, wenn derjenige einen dann so hoffnungsvoll ansieht und man ihm nicht das sagen kann, was er hören möchte.

Noch schlimmer ist es, wenn man derjenige ist, der liebt ... Ich seufze und schiebe den Teller von mir. Das Phil nicht mehr hier ist, macht es nicht besser. Mit ihm könnte ich wenigstens darüber reden. Ich hebe meinen Blick und sehe zu Dean, der mir gegenüber sitzt. Er schlingt sein Essen herunter und wirkt so unbekümmert wie eh und je.

War klar. Ihm scheint alles am Arsch vorbeizugehen. Das Phil hingerichtet wurde, hat ihn auch nicht sonderlich angehoben.

Dean sagt etwas zu einem Häftling, der einen Tisch weiter sitzt und dieser lacht darauf laut. Ich starre stattdessen wieder auf meine Hände und schwimme weiterhin in Selbstmitleid. Nichts von Sura zu hören und mir gleichzeitig Gedanken um sie zu machen, frisst mich innerlich auf.

Wenn ich hier wenigstens trainieren dürfte, um meine Gedanken abzulenken, aber nein ...

»Alter, was machst du denn heute für ein langes Gesicht?«, spricht mich Dean an.

»Ach, halt dein Maul«, zische ich und er lacht daraufhin. Idiot.

»Wow, du hast heute aber gute Laune. Liegt wohl an deiner Süßen, wa?« Ich schnaube lediglich und das scheint ihm Antwort genug zu sein. »Keine Sorge, die wird schon nochmal aufkreuzen, bevor sie dir das Licht ausknipsen.«

»Musst du immer so direkt sein?«, blaffe ich und werfe ihm einen bösen Blick zu.

Er hebt die Hände und grinst dabei. »Musst du immer so ein Trauerkloß sein?«

»Ach, du hast doch keine Ahnung.«

»Vielleicht heitert es deine Laune auf, dass so eben Chims reinkommt.« Ich drehe mich abrupt in Richtung Tür und balle meine Hände zu Fäusten, als ich erkenne, dass Dean mich nicht verarscht hat.

»Was will der denn hier?«, knurre ich und lasse meine Finger knacken.

»Puh, der sieht ganz schön lädiert aus.« Dean lacht laut auf. Ich muss ebenfalls schmunzeln, während ich ihn mir ansehe. Sein rechtes Auge ist zugeschwollen, seine Lippe dick und ein breiter Verband ist um seinen Kopf geschlungen. »Den hast du echt heftig zugerichtet, Jason. Gefällt mir«, murmelt Dean und ich muss grinsen.

Bevor ich es mir anders überlege, stehe ich auf und gehe zu Chims herüber. Seine Leute ballen sofort ihre Fäuste und lassen mich nicht aus den Augen.

»Na, Samuel, wie ist es, auch mal einstecken zu müssen?«, frage ich ihn gehässig und bleibe vor ihm mit verschränkten Armen stehen. Abschätzig mustert er mich, bevor er ebenfalls aufsteht.

»Verpiss dich, Arschloch!«, fährt er mich an, doch seine Stimme klingt rau und ganz anders als sonst. Offenbar habe ich bei dem Kampf seine Stimmbänder beschädigt.

»Sonst was? Rufst du deine kleinen Kumpels?«, höhne ich und Dean lacht hinter mir auf. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er mir gefolgt ist. Aber warum wundert mich das? Dean ist ständig auf Ärger aus und lässt gerne seine Fäuste spielen. Nur schade, dass die anderen zu viel Respekt vor ihm haben und ihn nicht zum Kampf herausfordern.

ENEMIESWo Geschichten leben. Entdecke jetzt