Kapitel 27

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Sura

Zwei Wochen und sechs Tage bis zur Hinrichtung

Erneut habe ich eine schlaflose Nacht hinter mir und finde nur den Antrieb aufzustehen, weil ich mich in einer Stunde mit Leo treffe. Ich bin gespannt, was er zu Mr. Alkim und besonders zu meinem Vorhaben sagt, dass ich mit Jason alleine reden will. Vielleicht findet sich tatsächlich eine Möglichkeit.

Mir wird prompt warm, wenn ich daran denke, Jason gegenüberzustehen. Ohne einer dicken Glasscheibe zwischen uns. Ein Kribbeln bildet sich in meinem Bauch und ich schlage schnell die Bettdecke zurück und stehe auf, um mich davon abzulenken. Solche Gefühle sind nicht gut. Sie lenken mich nur von meinem eigentlichen Vorhaben ab. Nämlich die Wahrheit herauszufinden.

Ich tapse ins Badezimmer und Hector folgt mir, nicht ohne dabei laut zu protestieren, weil ich ihm nicht sofort Futter gebe. »Du wirst schon nicht verhungern«, brumme ich und mein Kater miaut erneut. Dabei klingt er so kläglich, als würde er gleich sterben vor Hunger.

Unbeeindruckt von seiner Show, die er jeden Morgen abzieht, putze ich mir die Zähne und mache mich fertig. Ich ziehe mir eine Jeans, sowie eine schwarze Bluse über, um wenigstens etwas formell auszusehen.

Als ich halbwegs zufrieden mit meinem Aussehen bin, gehe ich in die Küche, gebe Hector Futter und esse meine Cornflakes. Ein paar Minuten bleiben mir noch bis ich losmuss.

Genug Zeit, um daran zu denken, dass gestern nachdem ich im Gefängnis war und ins Büro gefahren bin, mir wieder dieser dunkle Jeep gefolgt ist. Erneut konnte ich kein Kennzeichen oder den Fahrer erkennen. Aber eines ist sicher: Sie, wer immer das ist, beobachten mich.

Mit Sicherheit werden die Leute, die all das vertuschen wollen, nicht erfreut sein, wenn sie bemerken, dass ich trotz ihrer Warnung, dennoch weiter recherchiere. Je länger ich über die ganze Sache nachdenke, umso deutlicher wird, dass etwas faul ist. Wenn es tatsächlich so ist, wie ich vermute, dann stecken da eine Menge Leute mit drin. Ich muss nur herausfinden, wozu dieser ganze Aufwand ist.

Ich schrecke hoch, als ich bemerke, dass es höchste Zeit ist für mich aufzubrechen. Eilig stelle ich die Schüssel mit der restlichen Milch in das Spülbecken, rufe Hector ein »Tschüß« zu und mache mich auf dem Weg.

Als ich wenig später bei dem Treffpunkt ankomme, sehe ich, dass Leo bereits auf mich wartet. Er sieht konzentriert auf sein Handy und schaut erst hoch, als ich direkt vor ihm stehe.

»Morgen, Leo«, begrüße ich ihn.

»Hallo, Sura. Wollen wir gleich reingehen? Ich habe nur eine Stunde Zeit«, erklärt er mir und ich bemerke, dass er gestresst aussieht. Ich frage mich, ob er wegen Jason oder einem anderen Mandanten so viel Stress hat, sage jedoch nichts, sondern nicke bloß.

Erneut haben wir einen Tisch in der hinteren Ecke und ich bestelle bei der Kellnerin bloß einen Kaffee. Leo tut es mir gleich und blickt mich danach abwartend an.

»Schön, dass du heute Zeit für mich gefunden hast.«

»Gerne. Tut mir leid, dass es gestern nicht geklappt hat. In nächster Zeit wird es bei mir hoffentlich wieder ruhiger und ich kann mich wieder voll und ganz auf Jason konzentrieren.«

»Ich habe Nachforschungen angestellt«, platze ich heraus und gehe nicht auf seine vorherigen Worte ein.

Seine Augen weiten sich und seine Schultern spannen sich unter dem Jackett an. »Und? Haben Sie etwas herausgefunden?«

»Noch nicht viel«, antworte ich leise und sehe mich in dem kleinen Café um, ob uns jemand beobachtet.

»Besser wie nichts. Schießen Sie los«, fordert er mich auf und ich lasse mich nicht lange bitten.

»Ich war am Sonntag in der Bar. Dort sprach ich mit einem Mitarbeiter, der mir anvertraut hat, dass das Videoband von dem Abend wo Jason da war, direkt am nächsten Tag von der Polizei abgeholt wurde.«

»Was? Von der Polizei? Aber ... Wieso haben Sie das herausfinden können und ich nicht?«, unterbricht er mich, doch ich hebe eine Hand, um ihn zu signalisieren, dass ich noch nicht fertig bin.

»Montag war ich bei Jones Sekretärin. Sie war abweisend, doch ihr ist ein Name herausgerutscht. Jones hat sich einen Tag vor seinem Tod mit Mr. Alkim gestritten. Ich weiß, dass Mrs. Mires jetzt für ihn arbeitet, aber so wirklich etwas über ihn herausgefunden habe ich nicht. Lediglich das er sich für die Todesstrafe einsetzt. Was für mich schon ein großes Indiz ist. Wissen Sie vielleicht mehr über ihn?«

Leo hebt seine Augenbrauen an und sieht beeindruckt aus. »Wow! Sie haben wirklich eine Menge herausgefunden. Wie haben sie das nur angestellt?«, fragt er erneut. Ich winke nur ab und er lässt es darauf beruhen. »Hmmm, Mr. Alkim. Der Name sagt mir etwas. Sobald mir was zu ihm einfällt, melde ich mich bei Ihnen. Aber dass die Polizei das Videoband haben soll, kann ich dennoch nicht glauben.«

»Ich weiß. Sie glauben gar nicht wie geschockt ich war. Aber ich habe noch eine Bitte an Sie, Leo«, sage ich und lehne mich dabei ein wenig nach vorn.

»Und die wäre?«

»Gibt es eine Möglichkeit, dass ich mit Jason alleine reden kann? Unter vier Augen? Ohne diese Glasscheibe zwischen uns und die Wärter um uns herum?«

Er lehnt sich zurück und lacht dabei herzhaft. »Ist das Ihr Ernst? Wie soll das gehen?«

»Die Wände dort haben Ohren und sollte es stimmen, dass die Polizei Beweismaterial unterschlägt, dann können wir auch damit rechnen, dass dort ein paar Wärter korrupt sind und Jason im Auge behalten, ob er irgendetwas erzählt.«

Leos Grinsen ist wie weggewischt vom Gesicht. Als hätte er gar nicht an diese Möglichkeit gedacht. »Das ist ein berechtigter Einwand. Aber wie wollen wir das anstellen?«

Ich zucke mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Aber es ist wirklich wichtig.«

»Ich denke mir etwas aus. Gerade ist mir eine Idee gekommen, aber ich muss erst einmal sehen, ob sich das umsetzen lässt.«

»Danke, Leo.«

»Gab es sonst noch irgendetwas?«, fragt er mich und ich weiß genau, was er meint. Doch statt ihm von der Drohung zu erzählen, schüttle ich nur mit dem Kopf.

»Nein, sonst nichts.«

Er sieht mich musternd an, als wüsste er, dass ich nicht die Wahrheit sage. »Okay. Ich fahre heute bei Jason vorbei und rufe Sie abends nochmal an. Vielleicht ist mir bis dahin etwas eingefallen, wie wir es hinbekommen, dass ihr alleine miteinander redet.«

»Alles klar.« Ich lächle ihn halbherzig an und er steht auf.

»Ich muss jetzt zum Gericht. Passen Sie auf sich auf, Sura.«

Er legt etwas Geld auf dem Tisch und nickt mir kurz zu, bevor er mich mit meinen Gedanken alleine lässt.

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