Kapitel 38

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Sura

Zwei Wochen und zwei Tage bis zur Hinrichtung

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen, mache ich mich fertig für den heutigen Arbeitstag. In den fünf freien Tagen hatte ich keinerlei Erholung, sodass ich mich heute wie erschlagen fühle und bereits jetzt frage, wie ich die nächsten acht Tage, die ich durcharbeiten muss, durchhalten soll. Aber es nützt nichts. Ich brauche das Geld und habe keine andere Wahl.

Nachdem ich mich angezogen habe, stibitze ich mir einen Apfel vom Tisch, streichle kurz Hector, der mich dabei keines Blickes würdigt und schnappe meine Tasche. Ich bin recht spät dran, sodass ich mich beeilen muss rechtzeitig im Büro anzukommen.

Letzte Nacht habe ich beschlossen meiner Chefin direkt von Jasons Vorschlag zu erzählen, mit einem anderen Häftling zu sprechen. Über dieses Phil habe ich gestern ein wenig recherchiert und ich denke, es könnte interessant sein, ein Interview von ihm zu bekommen.

Insgeheim hoffe ich, dass so einigen die Augen geöffnet werden, genau wie mir durch Jason. In Texas ist es schließlich mittlerweile Gang und Gebe geworden, dass Menschen durch die Giftspritze sterben. Es interessiert sie nicht mal mehr wer es ist und was er getan hat. Hauptsache er stirbt.

Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, wenn ich daran denke, dass ich bis vor zwei Wochen genauso gedacht habe. Mich hat es nicht interessiert und ich fand, dass jeder Einzelne es verdient hat. Aber jetzt ... Meine Überzeugung kommt immer mehr ins schwanken und ich sehe mittlerweile auch die Schattenseite an dieser Bestrafung. Denn was ist, wenn tatsächlich Unschuldige hingerichtet werden? Man hört immer wieder von so etwas, doch noch nie war ich so hautnah dabei wie bei Jason. Immerhin besteht eine fünfzig zu fünfzig Chance, dass er unschuldig ist.

Ich bekomme eine Gänsehaut bei diesen Gedanken und bin froh, als ich vor meinem Auto ankomme. Mit zitternden Fingern schließe ich den Wagen auf und steige ein. Bevor ich aus der Parklücke herausfahre, bemerke ich einen dunklen Jeep, der auf der gegenüberliegenden Seite steht.

Zwei Männer sitzen darin und tragen Sonnenbrillen. Zwar kann ich so nicht erkennen, ob sie zu mir sehen, aber ich kann es mir auch so denken. Nicht schon wieder, denke ich mir panisch und atme prompt hektisch ein und aus.

Ich versuche mir dennoch einzureden, dass es nur ein Zufall ist und sie auf jemanden warten und setze den Blinker um auf die Straße einzubiegen.

Kaum bin ich eingebogen, bemerke ich, dass der dunkle Wagen hinter mir sich ebenfalls in Bewegung setzt und mir folgt. Er fährt nicht so dicht auf, wie der schwarze Jeep damals, aber trotzdem so nahe, dass ich bereits ahne, dass es nicht nur ein Zufall ist. Fuck. Meine Hände beginnen prompt zu zittern, doch ich versuche, einen kühlen Kopf zu wahren. Wenn ich jetzt in Panik verfalle, hilft mir das auch nicht weiter.

Normalerweise würde ich jetzt an der großen Kreuzung nach links abbiegen, aber ich fahre kurzerhand bei Gelb nach rechts und der dunkle Wagen folgt mir. Andere Autofahrer hupen, da er sie geschnitten hat, jedoch lässt er sich davon nicht stören.

Schweißperlen bildet sich auf meiner Stirn und ich überlege fieberhaft, was ich jetzt tun könnte.

Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, sehe ich mich kurz um und reiße danach das Lenkrad nach links um zu wenden. Meine Reifen quietschen protestiert und mein Auto gibt komische Geräusche von sich, aber mein abruptes Wendemanöver glückt. Den Fahrer, den ich geschnitten habe, hupt zwar empört, doch ich störe mich nicht daran. Meine Verfolger wollen es mir gleichtun, jedoch hindert sie der dichte Verkehr daran.

Ich gebe Gas und fahre ins Stadtinnere. Dort ist mehr los, sodass sie mich wohl kaum im Auge behalten können.

Ich biege so oft wie möglich ab und fahre dadurch einen riesigen Umweg, aber das macht nichts. Meine Verfolger sind verschwunden und ich kann das Grinsen nicht länger unterdrücken, dass sich auf meinem Gesicht bildet. So schnell lasse ich mich nicht einschüchtern.

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