Kapitel 5

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Sura

Wieder im Büro angekommen, kann ich es immer noch nicht glauben, wie dämlich ich mich Jason Strent gegenüber verhalten habe! Ich hätte doch wissen müssen, dass er so reagieren würde und nicht einfach drauf los plaudert!

Zielstrebig gehe ich auf meinen Schreibtisch zu und lasse mich ächzend auf den Bürostuhl dahinter fallen. Ich lege Jasons Akte und den Zettel mit Fragen auf den Tisch und fahre mir durch meine langen Haare. So werde ich niemals befördert! Ich muss die ganze Sache irgendwie anders angehen. Nur wie?

„Hey Sura! Na, wie lief es?" Ich sehe auf als Jeffrey, mein Kollege, vor mir steht. Ich muss lächeln, sobald ich seine Stimme höre und springe auf.

„Jeff! Ich dachte, du bist krank?", frage ich und umarme ihn zeitgleich. Er drückt mich an sich und ich bin froh, dass er wieder da ist. Neben Susan, die allerdings bei einer anderen Zeitung arbeitet, ist Jeffrey einer meiner wenigen Freunde.

„Na ja, eigentlich bin ich nach wie vor erkältet. Aber ich habe mich zusammengerissen, weil ich noch ein paar Berichte fertig schreiben muss."

Ich löse mich von ihm und sehe ihn tadelnd an. „Du Spinner! Das kann doch warten!"

Er winkt ab und zeigt stattdessen auf Jasons Akte. „Hab gehört, du hast einen Spezialauftrag."

Ich verziehe prompt das Gesicht, während ich daran denke, wie es gelaufen ist. „Hm. Könnte aber eine ziemlich harte Nuss werden", erkläre ich wage.

„Das ist deine Chance und wenn einer ihn zum Reden bringt, dann du. Warst du heute schon dort?" Ich nicke und er wirft mir einen skeptischen Blick zu. „Lief wohl nicht so gut?", hakt er nach und ich zucke mit den Schultern.

„Kann man so sagen." Unsere Chefin kommt plötzlich an meinem Schreibtisch vorbei und bleibt stehen.

„Oh, Sura. Sie sind ja schon zurück. Wie lief es denn?", fragt sie mich und ich setze ein falsches Lächeln auf.

„Ausgezeichnet. Ich fahre morgen wieder hin", lüge ich.

„Sehr gut. Freut mich zu hören." Sie nickt uns beiden noch einmal zu und verschwindet anschließend in ihr Büro.

Ich spüre Jeffs Blick auf mir, traue mich jedoch nicht ihn anzusehen, sondern starre stattdessen auf meine Schuhe, die unheimlich interessant sind.

„Du bist so eine miese Lügnerin. Dass sie dir das abgekauft hat, grenzt an ein Wunder", sagt er lachend und ich hebe nun doch meinen Blick.

„Sei bloß still", zische ich und er sieht mich belustigend an, bevor er wieder zurück zu seinem Schreibtisch geht.

Ich setze mich ebenfalls auf meinem Stuhl und lese mir erneut die Akte von Jason durch. Vielleicht habe ich so ja eine zündende Idee, wie ich ihn dazu bringen kann mir zu vertrauen.

Scheint so, als müsste ich bei ihm einen ganz anderen Ansatz versuchen. Einen, den noch kein Reporter vor mir bei ihm versucht hat. Das wird nicht einfach werden, denke ich mir und reibe mir über die müden Augen, bevor ich mit dem Lesen anfange.

***

Daheim angekommen, begrüßt mich als erstes mein Kater Hector laut miauend. „Jaja, ich bin doch schon da, mein Süßer", sage ich zu ihm und will ihn streicheln, aber er rennt wie ein Blitz weg in Richtung Küche.

Ich bin wirklich lediglich der Dosenöffner für ihn. Schönen Dank auch, denke ich mir griesgrämig und eile ihm hinterher, damit er nicht gleich verhungert.

Nachdem ich ihn gefüttert und im Wohnzimmer auf meiner Couch Platz genommen habe, setzt er sich neben mich und lässt sich ein paar Minuten kraulen.

Im Büro habe ich beschlossen, dass ich mir daheim die Nachrichtenvideos von Jasons Verhaftung ansehen werde. Vielleicht bekomme ich so noch etwas mehr Infos. Immerhin ist es schon etwas her, als der Mord jede Schlagzeile beherrscht hat.

Hector reißt mich aus meinen Gedanken, als er mich plötzlich anfaucht und von Sofa runterspringt. Ich werde aus diesem Kater einfach nicht schlau. Den einen Moment vergöttert er mich und will stundenlang mit mir kuscheln und den anderen kratzt er mich und tut so, als wäre ich lediglich sein Sklave. Katzen ...

Ich nehme meinen Laptop vom Couchtisch und schalte ihn ein. Eine Weile surfe ich auf Youtube herum, bis ich schließlich einen dreißigminütigen Bericht über Jason Strent und den Mord finde. Nachdem ich jedoch das Video angesehen habe, bin ich genauso schlau wie vorher.

Ich verstehe nicht, wie Jason in dem einen Moment ein hochangesehener Navy Seal sein kann und im nächsten ein grausamer Mörder, der sein Opfer förmlich hinrichtet. Zumal es gar keinen Zusammenhang zwischen ihm und dem getöteten Politiker Aaron Jones gibt.

Wieso sollte er ihn umbringen? Wie selbst in diesem Bericht und auch in seiner Akte steht, sind die Beiden vorher noch nie zusammen gesehen wurden und auch die Telefonnachweise ergaben, dass sie nie miteinander telefoniert haben. Sollte er ihn also wirklich in der Bar getroffen haben und ihn als willkürliches Opfer ausgesucht haben? Aber warum hat er ihn nicht in der Nähe getötet, sondern in Jones knapp dreißig Minuten entferntem Büro? Das ergibt doch keinen Sinn!

Meine Haut beginnt zu prickeln und ich spüre, dass ich hier an einer ganz großen Sache dran bin. Hector kommt auf zurück auf meinen Schoß gesprungen und schnurrt mich an. Abwesend streichle ich über sein getigertes Fell und beschließe, Jason morgen Fragen zu stellen, die ich heute noch gar nicht auf dem Schirm hatte.

Ich schnappe mir schnell einen Zettel, mit viel Protest meines Katers, da er von meinem Schoß weichen muss und schreibe sie mir auf. Morgen werde ich bei Jason einen ganz neuen Ansatz versuchen. Ich muss ihm klar machen, dass er mir vertrauen kann. Steht das nicht bei den Navy Seal an oberster Stelle?

Außerdem schreibe ich mir noch ein paar Sachen auf, bei denen ich genauer recherchieren werde. Ich will einen minutiösen Tathergang. Bestimmt gibt es sogar Videos von der Bar, in der Jason angeblich war.

Dieser Bericht muss perfekt werden! Vielleicht kann ich so den Angehörigen von Jones zeigen, wieso Jason ausgerechnet ihn getötet hat. Wenn er es wirklich war, meldet sich die kleine Stimme in meinem Kopf. Doch ich verdränge sie eilig. Sonst hätte man ihn ja ganz sicher nicht zur Todesstrafe verurteilt und würde ihn hinrichten. Dass es so schnell gehen soll, ist nur ein Zeichen, das gesetzt werden muss, damit alle wissen, dass so etwas nicht ungesühnt bleibt. Oder? 

*Das nächste Kapitel gibt es wieder Sonntag. Habt einen schönen Start in die Woche! <3*

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