Kapitel 22

289 10 0
                                    

Jason

Ich nehme den Hörer in dem Besucherzimmer ab und runzle die Stirn, als ich bemerke, wie nervös Sura wirkt. Sie sieht immer wieder über ihre Schulter, fährt sich mit einer Hand durch ihre Haare und ihr Gesicht ist ganz blass.

„Hey", begrüße ich sie und sie bringt nicht wie sonst ein strahlendes Lächeln zustande.

„Hi, Jason", antwortet sie zittrig.

„Was ist los? Ist irgendetwas passiert?", frage ich und lasse ihre Reaktion dabei nicht aus den Augen. Sie zuckt lediglich mit den Schultern, schüttelt anschließend mit dem Kopf und setzt dann ein falsches Lächeln auf.

„Alles gut. Ich bin heute bloß etwas durch den Wind", redet sie sich heraus.

„Das sehe ich, aber ich würde gerne wissen, warum das so ist." Sie schüttelt erneut den Kopf und ich presse die Lippen zusammen. Sieht nicht so aus, als würde sie darüber reden wollen. „Hast du etwas herausgefunden?", erkundige ich mich leise, obwohl ich mir sicher bin, dass die Wärter es vor meiner Zelle trotzdem verstehen.

Sura reißt ihre Augen auf und schnappt nach Luft. Volltreffer. Sie fährt sich mit der Zunge über ihre Lippen und ich warte einen Moment ab, bevor sie endlich spricht. „Ich habe etwas herausgefunden. Aber das kann ich dir nicht sagen. Nicht hier", sagt sie verschwörerisch und ich ziehe die Augenbrauen nach oben.

„Dann rede mit meinem Anwalt. Okay?", sage ich die gleichen Worte wie gestern. Sie nickt, aber es sieht nicht ernstgemeint aus. „Versprich es mir, Sura. Bitte. Ich will nicht, dass du in irgendwelche Schwierigkeiten wegen mir kommst."

Ein warmes und dieses Mal ehrliches Lächeln bildet sich auf ihren Lippen. „Versprochen. Seit wann machst du dir denn solche Sorgen um mich? Ich dachte, du hasst mich?", fragt sie augenzwinkernd.

„Vielleicht tue ich das ja immer noch", sage ich grinsend und merke, wie allmählich die Anspannung von ihr abweicht.

„Wie witzig", zischt sie, aber das Lächeln weicht nicht von ihrem Gesicht. „Hast du dir überlegt, was ich in meinen Zeitungsartikel mit reinnehmen darf und was nicht?"

Ich hebe eine Augenbraue bei ihrem abrupten Themenwechsel, sage jedoch nichts dazu. „Du kannst alles verwenden, was ich dir damals erzählt habe", antworte ich nach kurzem Zögern.

„Wirklich?" Erstaunen macht sich auf ihrem Gesicht breit. „Aber das war alles so persönlich und ..."

„Das ist in drei Wochen egal. Sie werden nach meinem Tod alles über mich zu Tage fördern. Da können wir das genauso gut jetzt schon machen." Gestern Abend in meiner Zelle bin ich zu diesem Entschluss gekommen. Wie die Leute da draußen reagieren bekomme ich nicht mit. Also kann es mir egal sein.

„Jason, es gibt immer noch Hoffnung. Du redest stets so, als wäre alles schon beschlossene Sache", flüstert Sura und ich rolle mit den Augen.

„Weil es das ist! Für mich gibt es keine Hoffnung mehr. Glaubst du, du findest heraus was damals passiert ist? Selbst wenn, denkst du etwa mir wird ein Gnadengesuch bewilligt? So viel Glück habe ich nicht. Und außerdem besteht immer noch die Möglichkeit, dass ich es tatsächlich war." Meine Stimme ist mit jedem Wort lauter geworden und ich spüre förmlich, wie meine Wangen sich rot färben, weil ich mich so in Rage rede.

Sura zuckt auf ihrem Stuhl zurück, als hätte sie sich verbrannt. Ihre Finger krallen sich um den Hörer und sofort wirkt sie wieder niedergeschlagener. Und jetzt bemerke ich es auch. Das was Leo bereits vorher gesehen hat und ich gestern kurz aufblitzen sehen habe.

„Ist das hier schon zu einer persönlichen Sache für dich geworden?", frage ich sie leise und rutsche auf meinem Stuhl ein wenig nach vorn. Sie senkt ihren Blick und kaut auf ihrer Unterlippe. „Sura?"

Endlich sieht sie mich an und sie braucht gar nicht antworten, da ich es auch so in ihren Augen sehe.

„Ja, es ist zu einer persönlichen Sache geworden, Jason", murmelt sie und ich fahre mir über meine kurzgeschorenen Haare. „Du bist unschuldig hier drinnen und ich werde es beweisen. Aber ich bin nicht so persönlich darin involviert, wie du glaubst."

Ich seufze, da ich weiß, dass es eine Lüge ist. Am liebsten würde ich sagen, sie solle die Story lassen und sich ihren normalen Leben wieder widmen. Aber zum einen würde das Leo nicht zulassen, da er will, dass ich ihre Gutmütigkeit ausnutze und zum anderen würde das Sura nicht tun. Egal was ich zu ihr sage. Sie möchte die Wahrheit herausfinden, selbst wenn sie dabei schlafende Hunde weckt. Und das wird sie definitiv. „Bist du dir sicher, dass du mir wirklich helfen willst? Ich möchte nicht, dass du in Schwierigkeiten kommst."

Sie lächelt mich träge an. „Dafür ist es schon längst zu spät."

„Was?", frage ich geschockt, doch der Wärter klopft an der Tür und gibt mir zu verstehen, dass meine Zeit um ist. „Sura, was meinst du damit? Bedroht dich jemand?"

„Ich kann gut auf mich selbst aufpassen, Jason. Mach dir keine Sorgen. Ich bringe morgen den Artikel mit, damit du ihn dir durchlesen kannst. Bis dann", verabschiedet sie sich und ich bin so geschockt, dass ich gar nichts antworte.

Ich beobachte, wie sie ihre Sachen zusammenpackt, ihre langen Haare nach hinten streicht und mir noch einmal zuwinkt, bevor sie mit schwingender Hüfte, den Besucherraum verlässt und mich mit meinen Gedanken alleine lässt. Das dabei nicht mehr nur die Sorge um sie in meinem Kopf herumschwirrt, sondern auch wie gut sie aussieht, macht es nicht gerade besser.

*Am Donnerstag geht es für mich in den Urlaub. Deshalb gibt es jetzt bis dahin jeden Tag ein neues Kapitel. <3*

ENEMIESWo Geschichten leben. Entdecke jetzt