Kapitel 84

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Sura

Zwei Stunden bis zur Hinrichtung

»Wir müssen etwas tun, Mrs Billings! Wir können doch nicht weiter so untätig herumsitzen!«, herrsche ich meine Chefin an und gehe vor ihrem Schreibtisch auf und ab.

»Wenn der Gnadengesuch abgelehnt und das Video der Staatsanwaltschaft als Beweis nicht gereicht hat, dann können wir leider nichts tun.«

Ich schüttle mit dem Kopf, während sie spricht, und würde am liebsten vor lauter Ungeduld irgendetwas umschmeißen. »Aber verstehen Sie denn nicht? Jason Strent ist unschuldig! Das beweist das Video! Irgendein Komplott ist da zugange und wenn wir das nicht aufhalten, dann haben Sie gewonnen!«

»Was sollte ich denn Ihrer Meinung nach jetzt unternehmen?«, fragt sie und klingt dabei eingeschnappt. Kein Wunder, so wie ich mich hier gerade benehme. Ich weiß, dass ich meinen Job riskiere, doch Jasons Leben ist wichtiger.

»Rufen Sie den Direktor bitte an. Schildern Sie ihm, was Sie wissen. Vielleicht lässt er mit sich reden und verschiebt die Hinrichtung wenigstens. Wir brauchen bloß noch etwas mehr Zeit. Ich weiß, dass ich ganz nahe dran bin!«

Mrs. Billings schüttelt mit dem Kopf und ich seufze frustriert auf. »Haben Sie heute schon mal Fernsehen geschaut?«, fragt sie mich und bevor ich antworten kann, hat sie den TV, der in ihrem Büro hängt, eingeschalten. Mir bleibt der Mund offen stehen, als ich realisiere, dass es heute nur ein Thema gibt: Jasons Hinrichtung. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals so ein Aufruhr war.

Ständig wird ein Bild von ihm eingeblendet und seine Tat, von der er nicht einmal mehr etwas weiß, wird geschildert. »Mr. Rinz wird nicht mit sich reden lassen. Wir brauchen handfeste Beweise, vorher tut sich gar nichts.«

Im Grunde ahne ich, dass sie recht hat. Doch aufgeben kommt nicht in Frage. Ich hatte Leo sogar bereits gestern noch die Original CD geschickt, in der Hoffnung, dass die Staatsanwaltschaft nur gedacht hatte, dass es gefälscht ist und es deshalb abgelehnt hat. Aber auch das haben sie ohne mit der Wimper zu zucken nicht als Beweis angenommen.

»Ich weiß, dass Ihnen dieser Fall viel bedeutet hat und das Sie sich einen anderen Ausgang gewünscht hatten, dennoch möchte ich das Sie wissen, dass ich sehr stolz bin. Sie haben einiges herausgefunden und sich somit Ihre weitere Karriere bei der Texas News gesichert.«

Wahrscheinlich sind das die nettesten Worte, die mir meine Chefin jemals gesagt hat, doch sie sind in diesem Moment völlig unbedeutend für mich. »Wenn Sie mir nicht helfen wollen, dann muss ich es eben selbst versuchen«, zische ich und verlasse ohne ein weiteres Wort ihr Büro. Sie ruft erzürnt meinen Namen, doch ich reagiere gar nicht.

Wütend packe ich meine Sachen zusammen, als mein Handy klingelt. Ich nehme es und klemme es mir zwischen Schulter und Ohr, während ich weiter mein Zeug suche. »Hill«, sage ich und stopfe meinen Laptop in seine Tasche.

»Guten Tag, hier ist das Calvary Hospital.« Sofort bin ich ganz Ohr und nehme das Handy in die Hand.

»Gibt es Neuigkeiten wegen Susan? Wie geht es ihr?«, frage ich panisch und in meinem Kopf spielen sich alle möglichen Horrorszenarien ab.

»In der Tat. Sie ist vor einer halben Stunde aufgewacht und sagt ständig ihren Namen. Wenn Sie also ...«

»Ich bin sofort unterwegs«, sage ich und lege auf. Eilig schnappe ich mir meine Handtasche und fahre zum Krankenhaus.

Mein Herz klopft aufgeregt bei dem Gedanken, dass Susan aufgewacht ist. Vielleicht hat sie ihren Angreifer ja erkannt, denke ich mir hoffnungsvoll und gebe noch etwas mehr Gas.

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