3. Kapitel: Hysterie

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Astrid

„Nun, dass ist eine glaubwürdige Geschichte, die ihr uns hier erzählt." Die Frau, die als einzige nicht die Uniform der Beschützer trägt, lächelt. „Außerdem kann ich nicht abstreiten, dass ihr eine Verbindung zu diesen Drachen habt, Hicks der Hüne. Ihr und eure Leute sind von dem Verdacht freigesprochen." Sofort lockert sich der Kreis um uns und dieser Trog hört auf uns finster anzuschauen. Auch durch unsere Gruppe geht ein kollektives Aufstöhnen. Nur einen Drachen scheint das Ganze nicht zu beeindrucken. Lyra steht einfach nur mit hängendem Kopf da und ihre traurigen Augen versetzten mir einen kleinen Stich. So sieht sie immer aus, wenn die Sprache auf ihre Reiterin, Lydia, kommt. Ich bewundere sie dafür, dass sie den Kopf die meiste Zeit oben behält. Wenn ich Sturmpfeil verlieren würde, wäre ich am Boden zerstört. Wir haben einander erst seit so kurzer Zeit, aber ich kann mir ein Leben ohne sie kaum noch vorstellen. „Die Beziehung der beiden ist einfach einzigartig." Murmle ich leise vor mich hin. Sie sind einfach anders, das Band zwischen ihnen ist auf einer ganz anderen Stufe. „Was ist los?" Hicks schaut mich fragend an. Wir sind jetzt seit drei Monaten zusammen, wieso überrascht es mich noch, dass er selbst mein murmeln mitbekommt? Das war eigentlich schon immer so, selbst als wir ihn noch ignoriert haben, hat er uns immer genau zugehört. „Vorsicht, Hiccstrid Alarm." Ein Dutzend Beschützer dreht sich zu Rotzbacke. Was soll das denn jetzt? Als er die vielen fragenden Gesichter erkennt setzt er zu einer Erklärung an: „Hicks + Astrid = Hiccstrid und so wie ihr euch gerade angeschaut habt..." Er wird unterbrochen, weil Raffnuss plötzlich in hysterisches Gelächter ausbricht. Nun drehen sich alle Köpfe zu ihr und ich komme mir langsam wie in einem schlechten Bühnenstück vor. Neben den Zwillingen steht Fischbein, der einen der Betäubungspfeile in der Hand hält und ihn prüfend mustert. „Ich glaube das ist eine Reaktion auf das Betäubungsmittel." Erklärt er den vielen fragenden Namenlosen und den wenigen fragenden mit Namen. Unwillkürlich beginne ich zu zählen: 3, 2, 1...

Hicks

Kaum hat Fischbein zu ende gesprochen, beginnt Rotzbacke auch schon zu hyperventilieren. Er hatte mit fünf Jahren die letzte Welle des Leiden Odins miterlebt. Damals war es für ihn ziemlich knapp und er hat deshalb bis jetzt Angst vor jeder anderen Krankheit oder dem Anschein der Krankheit. Wir verdrehen dabei immer die Augen, aber lustig ist es ganz bestimmt nicht. In diesem Moment bricht Taffnuss in Tränen aus und ich frage mich augenblicklich, was in diesem Betäubungsmittel drin war. „Sowas ist uns bisher auch noch nicht untergekommen." Königin Mala schaut kopfschüttelnd auf die Zwillinge, die sich jetzt am Boden krümmen. „Wahrscheinlich eine Reaktion ihrer Thorstongene, wäre ja nicht das erste mal." Erklärt Fischbein nun und spielt damit auf einen Fall an, der jetzt ungefähr fünf Jahre her ist. Damals hatte halb Berk die Aalpocken und die waren schon verrückt. Aber als dann alle das Gegenmittel genommen hatten, hat sich herausgestellt, dass die Zwillinge auch auf das reagiert haben - mit völliger Hyperaktivität. Sie haben fast drei Tage lang nicht geschlafen und das ganze Dorf um seinen Schlaf gebracht. Nicht einmal die Drachen haben sich in dieser Zeit zu uns getraut. Wir stehen noch eine Weile um die beiden herum, aber es scheint auf die Schnelle kein Gegenmittel zu geben. Außerdem würden sie darauf wahrscheinlich auch reagieren. Irgendwann gehen die meisten Beschützer zurück an ihre Arbeit und auch Mala und Trok mit dem giftigen Blick ziehen sich langsam zurück. Nach fünf weiteren Minuten ist der Spuk dann auch endlich vorbei und die Zwillinge sind wieder einsatzfähig. Auch wenn sie davon sicher Muskelkater bekommen. „Ich hatte einen seltsamen Traum, ich lag auf dem Boden und konnte einfach nicht mehr aufhören zu weinen." Taffnuss schaut uns der Reihe nach an: „Habt ihr hier auch so komische Träume?" Alle schütteln den Kopf. „Nun ja mein Bruder, dein Unterbewusstsein scheint dir irgendwas mitteilen zu wollen." Nur Raffnuss springt natürlich sofort darauf an. „Weist du den noch warum du so entsetzlich traurig warst?" Bei Odin, das kann heiter werden.

Lydia

Fünf Schritte, dann um die Ecke. Jetzt dreiundzwanzig Schritte den Flur entlang. Zwei Wachen die mich schräg anschauen. Die eine Wache die mich weiterzieht. Mein Arm schmerzt immer noch höllisch. OK, einfach weiter zählen. Dreiunddreißig, Vierunddreißig, Fünfunddreißig, die Wache bleibt stehen. Sie hebt die Hand und gibt ein spezielles Klopfzeichen. Sechsmal kurz, pause, dann fünfmal kurz, wieder eine Pause, nochmal zweimal kurz und nach einer Kurzen pause ein einziges Mal lang. Es ist ein anderes wie beim letzten Mal, ich weis nur nicht, in welchem Takt sie ihre Signale tauschen. Die Tür geht auf, der Drachenjäger zieht mich hinter sich in den Raum. Es ist auch ein anderer Raum wie beim letzten Mal. Er ist nur spärlich möbliert, ein Tisch zwei Stühle. Die Wände sind kahl, nicht mal einen Stammbaum oder eine Landkarte hängt dort. In jedem anderen Raum, in dem ich bisher war, hing wenigstens eins von beidem. Der Jäger zieht mich mit Schwung vor sich und drückt mich dann auf einen der Stühle. Mein heutiger Gesprächspartner hat bereits gegenüber von mir platzgenommen. Ich schaue ihn so überheblich an, wie er es sonst gerne bei anderen tut. Er soll ja nicht denken, dass ich plötzlich Angst vor mir hätte. Ein plötzlicher Schmerz zuckt meinen Arm hinauf. Der Wächter hat meinen Arm, der mit der Verletzung, gepackt und ein Seil um ih geschlungen. Dieses bindet er jetzt am Stuhl fest. Ich habe keine Angst vor Viggo - er aber anscheinend vor mir. Manchmal frage ich mich, wie alles verlaufen wäre, wenn wir uns damals nicht getrennt hätten. Wie es nun wäre, wenn ich damals ehrlich gewesen wäre. Der Jäger verlässt den Raum, das ist neu. Viggo scheint allein mit mir reden zu wollen, was er wohl vor hat? Automatisch beginnt mein Kopf über eine Flucht nachzudenken. Das Seil an meiner Hand ist kein Problem, diese was-auch-immer-sie-sind kennen noch längst nicht alle meine Tricks. Ich bin unbewaffnet, das ist schlecht. Viggo hat ein Schwert, das könnte ich ihm abnehmen. Die Verletzung an meinem rechten Bein sowie diverse Verletzungen an Arm und Rücken sind noch nicht ganz verheilt, die Fluchtchancen sinken. Selbst wenn ich es hier raus schaffe, würde ich mich in diesen Gängen verlaufen. Mit etwas Glück würde ich vielleicht nach draußen gelangen, aber ich weis nicht wo ich bin und auch nicht wie ich von hier wegkommen sollte. „Nun meine Liebe, schön dich wiederzusehen." Ich setzte Flucht planen auf meine To do Liste. Eine unvorbereitete Flucht wäre sinnlos, dumm, leichtsinnig und wahrscheinlich auch schmerzhaft. Mir bleibt also nichts anderes übrig als mit Mister Drachenjäger zu reden. Besser kann es auch nicht werden.

Tut mir leid, dass es nicht richtig weitergeht. Aber jedes Detail zählt, denkt an meine Worte. Denn hier ist mehr als eine Sache, die später wichtig werden könnte. Bis dann, jolannasa

Fünf Jahre - und alles danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt