7. Kapitel: Drachen

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Astrid

Lydias Mutter war vor Jahren für eine Weile hier. Sie war jung und fröhlich und hatte spaß am Leben. Aber es war schnell klar, dass sie vor jemandem davon lief. Ich habe ihr bei der Geburt ihrer Tochter geholfen. Lydia hat einen mächtigen Feind und die Sache ist viel größer als ihr glaubt. Immer wieder lese ich die Zeilen, die unsere Heilerin Gothi geschrieben hat. Jedes Mal hoffe ich, das ich in der Dunkelheit irgendwas übersehen habe. Doch das stimmt nicht, jedes Wort steht dort so schwarz auf weis. Am Himmel ziehen dunkle Wolken auf, die den Mond und die Sterne verdecken. Ohne das Licht kann ich das geschriebene nicht mehr erkennen, doch ich kenne es bereits auswendig. Die Worte brennen sich in mein Gedächtnis ein und ich bin nicht fähig mich zu bewegen. Auch als es zu regnen beginnt und es wegwischt. Irgendwann bleiben nur noch ein Satz übrig: Lydias Feind ist viel größer. Ein wahres Wunder, dass auch dieser Satz sinn ergibt oder hat das einen höheren Sinn? Inzwischen bin ich bis auf die Knochen durchnässt und Sturmpfeil schnaubt besorgt. Sie hat recht und so mache ich mich endgültig auf den Heimweg. In Dunkelheit und strömendem Regen bewege ich mich vorwärts. Die Stille von vorher ist immer noch allgegenwärtig, auch wenn sie vom prasseln des Regens durchbrochen wird. Mehrmals habe ich das Gefühl, dass mir jemand folgt. Immer wieder drehe ich mich um, aber da ist niemand. Nur die Wolken, der Regen und Sturmpfeil sind meine treuen Begleiter. Irgendwann bin ich tatsächlich daheim in meinem Bett angelangt. Doch ich finde keine Ruhe. Die ganze Nacht wälze ich mich hin und her und als ich doch einschlafe träume ich, dass jemand mein Gespräch mit Gothi belauscht hat und es nun seinem Boss erzählt.

Lydia

Als ich wieder zu mir komme habe ich jegliches Zeitgefühl verloren. Ich bin völlig orientierungslos. Erst langsam kann ich meine Augen öffnen. Ich liege auf einem kalten Steinboden. Er erinnert mich ein wenig an die Arena in Berk. Nur, dass dieser Raum eindeutig geschlossen ist. Es gibt nur das Licht, dass von Fackeln an den Wänden gespendet wird. Alles hier scheint aus Stein zu sein. Nur an einer Seite gibt es ein Metallgitter. Eine Person steht dahinter, doch ich kann sie nicht erkennen. Sie verbirgt sich im Schatten. Von irgendwo her ertönt ein Scharren, dann ein Quietschen. Das ungute Gefühl, dass ich nicht allein bin beschleicht mich. Tatsächlich glüht in diesem Moment etwas grünes auf. Ich erkenne Wechselflüglersäure. Wer kam den auf diese blöde Idee? Die Säure eines Wechselflüglers verätzt einfach alles. Stein, drachensicheres Material, Haut, nichts ist sicher vor ihr. Erst langsam wird mir bewusst, in was für einer Situation ich stecke. Wechselflügler können sich an ihre Umgebung anpassen, für das Auge sind sie komplett unsichtbar. Doch ihre Säure könnte mein Ende bedeuten. Nein, das stimmt nicht. Sie würden sich nicht die Mühe machen, nur um mich dann einem Drachen vorzuwerfen. Das ist ein Test, ein Test, den ich entweder bestehe oder nicht überlebe. Ich habe mich vorher so hoffnungslos gefühlt, mich nach dem Tod gesehnt. Nach einem Ende. Doch jetzt spüre ich von all dem nichts mehr. Ich habe neue Energie bekommen und warte nur darauf sie zu benutzen. Trotz allem möchte ich nicht sterben, zumindest nicht durch das Feuer/die Säure eines Drachen. Noch immer werde ich beobachtet, noch hat der Wechsleflügler nicht angegriffen. Ich weis nicht, was das für meine Zukunft bedeutet, für die Zukunft aller, doch ich weis, dass ich das überleben werde. Noch einmal schließe ich die Augen

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Das neue Mädchen schien wirklich Talent zu haben. Er stand in der Loge, vom Schatten verdeckt und schaute ihr zu. Vielleicht war sie wirklich die, die er suchte. Die Tochter der Frau, die er wirklich bewundert hatte. Grimborn hatte seine Sache gut gemacht. Doch im Umgang mit ihr schien er befangen. Noch wusste er nicht wieso, doch das würde er auch noch herausfinden. Die Junge Frau in der Arena schlug nun die Augen auf. Sie schien völlig orientierungslos, eine seltene Reaktion auf das Betäubungsmittel. Die Frau, die wahrscheinlich ihre Mutter war, hatte auch so reagiert. Sie hatte ihre Schwangerschaft gut versteckt. Es hatte Monate gedauert, bis er dahinter gekommen war. Damals hatte sie das Kind bereits Versteckt und er hatte es nie gefunden. Bis Grimborn vor ein paar Monaten zu ihm gekommen war und ihm gesagt hatte, dass er sie gefunden hatte. Jetzt wollte er sehen, ob sie wirklich so ein Talent hatte, wie eine seiner Quellen behauptete. Ein leises Quietschen erklang, als das Tor sich öffnete. Etwas Säure ätzte sich durch den Stein. Die junge Frau schreckte auf. In dem Dämmerlicht der Fackeln konnte er ihr Gesicht nicht gut erkennen. Eigentlich sollte das wenige Licht es ihr schwerer machen, doch jetzt ärgerte er sich darüber. Es war viel zu dunkel ums etwas zu erkennen. Ihm blieb nichts weiter, als auf die Reaktion des Wechselflüglers zu warten. Er würde direkt angreifen. Doch dieses Mal lies er sich Zeit. Bisher war jeder seiner Leute an ihm gescheitert, jetzt wollte er sehen, wie es ihr mit diesem Drachen ging. In ihrer Befragung hatte sie angegeben in Fönen aufgewachsen zu sein. „Respektiere die Drachen und sie respektieren dich." Hatte sie rezitiert. Das war das Motto der Fönizier. Ein grauenhaftes Motto wie er fand. Drachen konnten einen nicht respektieren, sie konnten nur töten. Dafür lebten die Fönizier allerdings schon ziemlich lange in Frieden mit den Drachen. In diesem Moment stieß der Drache ein zischen aus. Er schaute nach unten und sah, dass die junge Frau die Augen geschlossen hatte. Eine interessante Taktik, dass musste er zugeben.

Hicks

Am nächsten Morgen rufe ich eine Besprechung der Drachenreiter in der alten Arena ein. Je schneller sich die Sache mit dem Drachen für meinen Vater erledigt hat, desto schneller können wir uns wieder auf die Suche machen. Trotzdem bin ich froh, dass er aus eigenem Antrieb ein Drachenreiter werden will. Es wird auch für die Bewohner von Berk einfacher werden die Drachen zu akzeptieren. Astrid hat einen Lachanfall bekommen, als ich es ihr vorher erzählt habe. „Du denkst schon wie ein Oberhaupt." Hat sie gesagt. Jetzt erkläre ich auch den anderen kurz, was es mit dem Treffen auf sich hat. Dann zeigen sie meinem Vater ihre Drachen. Dabei fängt Astrid an. „Der tödliche Nadder ist schön, aber auch stark und man sollte sie nie unterschätzen." Erklärt sie. Zuerst scheint mein Vater interessiert, doch dann macht er einen schweren Fehler. Im Toten Winkel des Drachens bewegt er sich auf ihn zu und berührt dann Sturmpfeils Schnauze. Diese erschrickt und feuert prompt einen Stachelschuss ab. Danach ist klar, dass Haudrauf der Störrische, kein Reiter eines Nadders ist. Rotzbacke macht weiter und redet wie ein Verkäufer über seinen riesenhaften Albtraum. Astrid stellt sich zu mir und wir beobachten, wie Vater auf den Drachen steigt. „Ich wünschte Lydia wäre hier." Murmle ich. Sie hätte sofort gewusst, welcher der richtige Drache für ihn ist. Wir verschränken unsere Hände in einander. Hackenzahn flammt auf, auch der Albtraum ist aus dem Rennen. Vom Gronkel und dem Zipper müssen wir gar nicht reden. Keiner unserer Drachen scheint der Richtige für meinen Vater sein. Die Frage ist, welcher Drache es dann ist?

Fünf Jahre - und alles danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt