24. Kapitel: Das Warten hat ein Ende

61 6 0
                                    

Hicks

Tatsächlich dauert es fast eine halbe Woche, bevor die erste Patrolie, bestehend aus den Zwillingen und Fischbein, total aufgeregt zurückkommt. „Hicks!" Ruft Taffnuss so laut, dass Rotzbacke aus seinem Schönheitsschlaf aufschreckt. „Ist was?" Fragt er und erntet dafür genervte Blicke von allen anderen. „Nein, wir sind völlig umsonst von so schnell wie möglich zurückgeflogen." Antwortet Fischbein ihm mit hörbarem Sarkasmus in der Stimme. Das scheint Raffnuss aber nicht verstanden zu haben: „Es ist also auch kein duzend Schiffe hier her unterwegs und ein Geschwader Drachen?" Fragt sie verwirrt und erntet dafür Kopfschütteln. „Und auf dem Rückweg haben wir auch keine weiteren Schiffe gesehen?" Fragt Taffnuss weiter und ich bin mir fast schon sicher, dass er das nicht ernst meint. Andererseits kann man sich bei ihnen auch nie sicher sein...
Erst jetzt geht mir auf, dass wir ganz andere Sorgen haben. „Wie viele Schiffe? Und was meint ihr mit dem Drachengeschwader?" Frage ich also sofort und stürze dabei in den Raum mit der Karte. Die anderen Folgen mir nach einigen Sekunden. „Wir konnten sie nicht zählen, aber es waren auf jeden Fall mehr Schiffe, als Viggo damals hatte." Erklärt Fischbein. „Sie waren schon hier." Er deutet auf einen Punkt, der bereits in unserer zweiten Observationslinie liegt. Ungläubig schauen Astrid und ich uns an. Wir hatten heute Morgen Patrolie und ich glaube nicht, dass wir eine so hohe Anzahl übersehen haben. „Die Schiffe haben eine sehr hohe Geschwindigkeit, sie werden Berk spätestens morgen früh erreichen." Erklärt Fischbein, der unseren Blickwechsel natürlich bemerkt hat. Ich muss sagen, gute Nachrichten, hören sich anders an. Andererseits haben wir den Angriff erwartet. Dieses Warten hat nun ein Ende. Wir können nicht weiter so tun, als würde nichts passieren. Unsere Situation ist auf einmal viel wirklicher, realer. Das alles passiert tatsächlich, es ist nicht nur ein komischer Traum, aus dem ich erwachen kann. Ich bin nicht eingeschlafen, während ich eigentlich Ausschau nach Drachen halten sollte. Die Drachen sind ja noch nicht einmal böse! Für einen Moment halte ich inne und gedenke dieser Verrücktheit. Dann mache ich mich an die Arbeit. Wir haben eine Insel zu verteidigen.

Lorelei

Als ich die Schiffe aus der Ferne erkenne weiß ich nicht, was ich von dieser Situation halten soll. In den letzten Tagen habe ich den Gedanken an diese Situation grundsätzlich gemieden. Viel zu viele schlechte Erinnerungen sind mit diesen Schiffen verbunden. Ich war noch ein kleines Mädchen, als ich sie das erste Mal gesehen habe. Damals waren sie Befreier für uns. Doch das hat sich schnell geändert. Mit zwölf Jahren bin ich Nyx begegnet und kurz darauf auch Lydia und ihrem Drachen. Ob Lyra überhaupt noch lebt? Zusammen mit ihnen und einigen anderen Helfern habe ich das Programm aufgebaut, dessen Mal sich noch immer um mein Handgelenk windet. Auch die Drachenreiter hinter mir und Soraya tragen es ausnahmslos. Ein weiteres Mal haben sie sich meiner Führung anvertraut. Ein weiteres Mal werde ich Drachenreiter in einen Einsatz führen. Wahrscheinlich werde ich mich wieder überschätzen und kläglich versagen. So wie in jener Nacht, als eine Befreiungsaktion aus dem Ruder lief. In dieser Nacht züngelten die Flammen gelb und orange in den Himmel. In dieser Nacht hat Nyx ihre ewige Ruhe gefunden. In dieser Nacht wurde ich zu dem Versteck gebracht, dass ich bis vor kurzem nie verlassen habe. In meiner Abwesenheit sind die Drachenjäger so wie das Programm aufgestiegen und beide haben sich verändert. Die Drachenreiter hinter mir glauben nicht mehr an das Programm. Nachdem ich gefangen genommen wurde und einige andere Gründungsmitglieder aus ähnlichen Gründen verhindert waren hat sich das Programm zu einer Organisation geworden, die der, die wir immer bekämpft haben, gar nicht so unähnlich ist. Zumindest an manchen Stellen. Der Hass und die Hilflosigkeit hat manche unserer ehemaligen Freunde zerfressen und jetzt, wo die Entscheidung kurz bevor steht, ist das Programm außen vor. Ich glaube es war von Anfang an sein Schicksal. Zusammen mit fast zwanzig anderen Drachenreitern verfolge ich die Schiffe nun in sicherem Abstand und warte auf den Moment, in dem wir einen Unterschied machen können.

Lydia

„Wir werden Berk spätestens morgen früh erreichen." Viggo studiert die Karte auf seinem Schreibtisch. Wir halten mal wieder eine Krisensitzung in seiner Kajüte ab. Wir, das sind er, ein paar Heiler, Mägde, Drachenflieger, drei Kämpfer und ich. Im Vergleich zu dieser Armee sind wir lächerlich wenig, aber wir können einen Unterschied machen. Das müssen wir einfach weiter glauben um nicht ganz die Hoffnung zu verlieren. „Ich denke, dass Hicks uns inzwischen entdeckt haben dürfte. Nach allem, was wir erfahren haben müssen sie mit einem Angriff rechnen." Ich sage das ganze mit sachlicher Stimme, schließlich habe ich genug Training darin meinen Gefühle zu verbergen. Manchmal sogar vor mir selbst. „Wir werden also wahrscheinlich schon früh auf Gegenwehr treffen." Überlegt Theodora, eine der Heilerinnen, weiter. „Und diese Leute sind echt gut, das letzte Mal mussten wir uns zurückziehen." Erklärt Viggo. „Ich denke sie werden wieder Hilfe von den Berserkern bekommen, dazu noch die Beschützer des Flügels. Wenn Dagur seine komplette Armada schickt, haben sie eine der größten Armadas unserer Zeit auf ihrer Seite. Es könnte sein, dass ihre Schiffe sogar die Anzahl unserer Schiffe übertrifft." Dieser Gedanke gibt mir noch mehr Hoffnung für diese kleine Insel. „Aber was machen wir jetzt um zu helfen?" Fragt einer der Kämpfer und spricht damit aus, was uns allen Sorgen macht. „Ihr alle habt diese Armee schon mehrmals unauffällig sabotiert, das müsst ihr auch weiterhin versuchen. Ich werde versuchen meinen Drachen zu rufen und mich um die Flieger kümmern. Alle anderen Flieger helfen mir und vielleicht bekomme ich dabei sogar noch etwas Hilfe von einer unerwarteten Seite." Theodora schaut mich durchdringend an. „Du denkst an Lorelei, die den Wechselflügler mitgenommen hat." Sagt sie schließlich und ich nicke. „Sie war früher eine Drachenreiterin, das verliert man nicht so leicht." Durch den Raum geht ein überraschtes Raunen. Damit scheint niemand gerechnet zu haben. Mir ist das nur recht, ich glaube daran, dass Lorelei sich nicht zu sehr verändert hat und das sie immer noch weiß was das richtige ist. „Also gut," beendet Viggo die Sitzung „lasst uns an die Arbeit gehen."

Astrid

Die Briefe an die Berserker und Beschützer, die hier in der Nähe gewartet haben sind schnell geschrieben. Wir sind den Plan schon hundert mal durchgegangen. Alles klappt sogar noch reibungsloser als bei Viggo vor ein paar Monaten. Die Schutzbedürftigen werden Evakuiert, die Wachen werden verdoppelt und der Zeitraum zwischen den Patrolien wird halbiert. Wir sehen die Schiffe immer näher kommen. Es sieht so aus, als würde das eine Schlacht in der Dunkelheit werden. Uns soll es recht sein, mit Ohnezahn haben wir in der Nacht einen Vorteil, den man nicht unterschätzen sollte. Das ganze Dorf gleicht nun einem summenden Bienenstock, aus dem sich Haudrauf bisher aber herausgehalten hat. Die Erwähnung des Namens Drago Blutfaust scheint unangenehme Erinnerungen in ihm hervorgerufen zu haben. Hicks macht sich sorgen um seine Gesundheit.
Bei unserer nächsten Patrolie, sehen wir die Armee unseres Gegners das erste Mal mit eigenen Augen. Sie ist noch größer, als wir sie uns vorgestellt haben und dadurch, dass auch Drachenflieger zu ihr gehören, ist unser Luftvorteil hinfällig. Wir müssen uns überlegen, wie wir die Reiter von ihren Drachen bekommen, ohne die Drachen zu verletzen. Das ist vielleicht das größte Problem, das wir im Moment haben und es ist ein Problem, das die Schlacht entscheiden könnte. Andererseits scheinen sie nicht mit sofortiger Gegenwehr zu rechnen, der Überraschungsmoment hat sich in den letzten Monaten zu einer unserer Lieblingstaktiken entwickelt. Also vor allem zu einer Lieblingstaktik von Hicks. Insgesamt sieht es nicht so schlecht für uns aus, was mich misstrauisch macht. Irgendwas an der Flotte schreit mich an, das da etwas ist, mit dem wir nicht rechnen, etwas, das uns das Leben kosten könnte. Vor ein paar Monaten war meine Lebensausicht nicht sonderlich rosig, ich wäre im Drachenfeuer oder an einer Krankheit gestorben. Die wenigsten schafften es bei uns wirklich alt zu werden. Früher hätte ich jeden Tag sterben können und es hat mir nichts ausgemacht. Jetzt könnte ich in dieser Schlacht sterben und es macht mir mehr Angst, als ich jemals davor hatte und das ist gut so. Denn diese Angst wird mich schlussendlich am Leben halten.

Ja, ich muss gestehen, dass ich darüber nachgedacht habe dieses Kapitel schon wegen dem Titel zu spät zu bringen. Da das aber nicht passiert ist wird auch am Mittwoch ein neues Kapitel kommen. So viele werden es nicht mehr sein. Bis dann, jolannasa

Fünf Jahre - und alles danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt