9. Kapitel: kleine Showeinlage hier und dort

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Astrid

Eine Weile fliegen Hicks und ich einfach schweigend neben einander her und genießen die Stille. Heute gibt es keinen nörgelnden Rotzbacke und keine Zwillinge, die die ganze Zeit verrückte Dinge machen. Es gibt auch keinen Fischbein, der Tagein Tagaus nur über Drachen reden könnte. Heute sind es nur wir zwei, die dem Sonnenuntergang entgegen fliegen...

Ach, da war ja noch was. Ich räuspere mich einmal kurz und habe zum Glück sofort Hicks volle Aufmerksamkeit. „Du wolltest mit mir reden, oder?" Fragt er und schaut mir direkt in die Augen. Ein Kribbeln fährt durch meinen Körper, aber ich muss mich konzentrieren. „Ja," ich mache eine Pause und lege mir die Worte sorgsam zurecht: „Es geht um Lydia." Sofort wird Hicks' Gesicht dunkel. Ich weiß, das er sich immer noch die Schuld an ihrer Entscheidung gibt. „Gothi hat gestern mit mir darüber gesprochen." Jetzt sieht er eher perplex aus, was mich fast zum Lachen bringt. „Unsere Heilerin hat extra deswegen auf dich gewartet?" Fragt er und seine Stimme klingt so ungläubig, dass ich doch Lachen muss. „Warte erst bis du erfährst, was sie gesagt, äh geschrieben, hat." Bringe ich zwischen zwei Lachern heraus. Es wird schleunigst Zeit wieder ernst zu werden. Ich glätte mein Gesicht und ziehe die Mundwinkel nach unten, während ich auf eine Antwort warte. Es kommt aber keine, Hicks schaut mich weiter einfach nur fragend an. Also beginne ich mich, nachdem ich mich vergewissert habe, dass ich auch wirklich nicht noch einmal losprusten muss, zu erzählen: „Sie hat mich auf dem Nachhauseweg tierisch erschreckt, als sie einfach so auf dem Weg stand. Ich habe sie gefragt, ob sie Nachts immer Leuten auflaure um sie zu Tode zu erschrecken. Aber sie hat nur geantwortet, dass sie das nur mache, wenn die Umstände es erfordern. Du hättest sie sehen sollen, total gruselig. Auf jeden Fall habe ich dann gefragt, welche Umstände das denn seien und sie hat so ungefähr ‚wenn ich nichts sage wird es niemand sagen' geantwortet." Noch im Nachhinein bekomme ich davon eine Gänsehaut und muss schon wieder unkontrolliert losprusten. Irgendwie hat mich diese Sache völlig aus dem Gleichgewicht gebracht.

Hicks

Astrid schüttelt sich und auch bei mir stellen sich die Härchen auf meinen Armen auf. Ich meine, es gibt weniger gruselige Sachen als eine Heilerin, die Mitten in der Nacht kryptisches Zeug schreibt. Dann beginnt sie aber plötzlich unkontrolliert zu Lachen und ich verstehe endgültig nichts mehr. „Ich habe dann irgendwas in Richtung ‚das kann man eigentlich nicht sagen nennen' gesagt und überlegt, ob ich doch zu lange unter dem Einfluss von Rotzbacke und den Zwillingen stand. Sie hat diese Zeit genutzt um zu verschwinden, aber auf dem Boden stand etwas in die Richtung." Sie reicht mir einen weiteren Zettel auf dem ein paar feinsäuberliche Textzeilen stehen:
Lydias Mutter war vor Jahren für eine Weile hier. Sie war jung und fröhlich und hatte spaß am Leben. Aber es war schnell klar, dass sie vor jemandem davon lief. Ich habe ihr bei der Geburt ihrer Tochter geholfen. Lydia hat einen mächtigen Feind und die Sache ist viel größer als ihr glaubt.
Erstaunt schaue ich darauf, das bedeutet, dass Lydia hier geboren ist. Doch wie kam sie dann nach Fönen und wer ist dieser mysteriöse Feind? Ich schaue Astrid erneut an und sie nimmt das als Anlass um Weiterzureden. „Das gruseligste an der Sache ist aber, dass dann der Regen eingesetzt hat und die Buchstaben weggespült hat. Zum Schluss blieb nur ein Satz übrig ‚Lydias Feind ist viel größer' Ein wunder, dass dieser Satz auch einen Sinn ergibt." Sagt Astrid und schaut mich fragend an. Das ist ganz schön viel zu verdauen, so viel Information auf einmal. Aber das bedeutet, dass Lydia wahrscheinlich in noch größerer Gefahr schwebt als wir dachten. Es bedeutet, dass wir sie wirklich bald finden sollten, wenn wir noch etwas bewegen wollen. „Hicks?" Astrid schaut mich fragend, zumindest sieht es aus den Augenwinkeln so aus. Aber ich blicke weiter gerade aus. „Wir fliegen heute Abend los." Erkläre ich mit fester Stimme. „Aber in welche Richtung?" „In die, in der wir noch nicht gesucht haben. Wir fliegen nach Norden."

Lydia

Ich nehme die Hand von der Brust des Drachens und er knurrt den Mann jetzt offen an. Es scheint diesen aber nicht zu beeindrucken, er lächelt weiter überheblich. Der Drache knurrt weiter, aber bevor er nach dem Mann schnappen oder einen Säurestrahl spucken kann schreite ich ein. Ich lege ihm wieder eine Hand an den Hals und beuge mich zu seinen Ohren. „Heute noch nicht." Flüstere ich und lächle den Mann dann wieder an. Dieser schaut erst zu mir und dann zu dem Wechselflügler neben mir. „Du scheinst es echt drauf zu haben. Wir können jemanden wie dich echt gut gebrauchen." Sagt er und schlägt mir auf die Schulter. Die Augen meines Wechselflüglers verengen sich aber ich streichle ihm beruhigend über den Hals. Der Mann schaut erst zu dem Drachen, dann zu mir. „Wirklich beeindruckend." Murmelt er und hebt die Hand. Ein weiterer Wächter kommt herein und packt mich am Arm. Ich kann dem Drachen gerade noch zurufen, dass er sich nicht um mich kümmern soll, dann zerrt der Wächter mich auch schon durch eine verborgene Tür in einen der Flure.

Die Zelle in die er mich nun bringt ist etwas besser ausgestattet als meine alte. Es gibt sogar ein vergittertes Fenster, durch das Tageslicht hereinfällt. Das Licht fühlt sich gut an, erst jetzt merke ich, wie sehr mir die Dunkelheit in der anderen Zelle wirklich zu schaffen gemacht hat. Mit dem Licht kommt auch die Hoffnung zurück. Vielleicht wird das Ganze ja doch nicht so schlimm. Doch ich habe mich zu früh gefreut. Die Tür fällt hinter mir ins Schloss und lässt mich allein zurück. Allein, mit meinen Gedanken, die immer noch um die Ereignisse in der Arena kreisen. Ich habe gespürt, das mich dort jemand beobachtet hat. Jemand, der nicht selbst in Erscheinung trat. Über die Absichten dieses Jemands kann ich nur spekulieren.

Seufzend lasse ich mich aufs Bett fallen, starre Löcher in die Decke und frage mich, wie es meinen Freunden auf Berk geht. Vermissen sie mich?



Wann bin ich den so selbstbezogen geworden?

Lorelei

Unsere nächsten Gegner kommen nicht aus dem Handelssektor. Sie sind Drachenflieger und damit unserem General Krogan unterstellt. Auch sie schlagen sich nicht schlecht, schließlich haben sie bereits eine andere Gruppe geschlagen. Doch sie verschieben fast nur die Hauptakteure und einige einzelne Jäger bleiben fast unberührt. Über ein Ablenkungsmanöver auf der rechten Seite gelingt es uns, oder Tim und Tom, die die Hauptarbeit machen, unsere Figuren in Stellung zu bringen. Unsere Gegner scheinen davon nichts mit zu bekommen. Ich kenne ihre Strategie, sie ist unserer gar nicht so unähnlich. Nur, das sie fast das komplette Spiel auf die rechte Seite verlagert und die Linke fast frei lässt (also von uns aus gesehen). Einer der Flieger legt mir seine Hand auf den Arm. Ich kenne ihn flüchtig von meinen Arbeiten hier. Jedes mal, wenn ich ihn gesehen habe, hat er versucht mit einer von den Bediensteten zu flirten. Schnell streife ich seine Hand ab, in dem ich mich weiter über das Spielbrett beuge und so tue, als würde ich mehrere Möglichkeiten durchgehen. Wir sind gerade am Zug und Tom will auch schon eine Figur verschieben, da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ihr Ablenkungsmanöver war auch nur ein Ablenkungsmanöver! Einige ihrer Figuren sind bereits für einen direkten Angriff bereit. Nur eine unserer Figuren ist so positioniert, das wir die Formation unserer Gegner durchdringen können. Ohne sie mir genauer anzuschauen bewege ich sie über das Spielfeld. Erst als das Spiel weiter geht sehe ich, welche Figur unser Spiel gerettet hat.

Wieder ist es der Verräter.

Vom restlichen Spiel bekomme ich nicht viel mit, meine beiden Teampartner kommen auch ohne mich zurecht. Gedankenverloren lasse ich meinen Blick über die Menge schweifen und entdecke dabei Tarik, der etwas abseits steht und den Spielern zuschaut. Unsere Blicke kreuzen sich und er lächelt. Ich lächle zurück und fühle mich gleich besser. Tarik arbeitet auf der Krankenstation als Pfleger. Als wir uns kennengelernt haben, sollte ich irgendwas dort putzen und bin dabei in einen völlig aufgelösten Tarik hineingelaufen. Er war an diesem Tag nämlich nicht wegen seiner Arbeit hier, sondern wegen seiner Frau. Später habe ich erfahren, das sie kurz vor unserem Zusammentreffen auf einem der Flure am Kindbettfieber gestorben war. Seine Tochter Maja ist jetzt zwei Jahre alt und es findet sich noch immer jemand, der ab und zu ein paar Stunden auf sie aufpassen kann. Auch ich mache das in meiner Freizeit. Ich mache es gerne, weil es mir zeigt, das es irgendwo in dieser Masse aus schlechten Angewohnheiten, schlechtem Geruch, verbitterten Herzen und falschen Idealen auch noch etwas Gutes gibt und ist es auch noch so klein.

Fünf Jahre - und alles danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt