25. Kapitel: Angriff

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Astrid

Es ist tatsächlich mitten in der Nacht, als die Schiffe schließlich in Sichtweite kommen. Unser Dorf ist gut gesichert, die Wälder sind mit Fallen und Wikingern übersät. An den vermeintlich einsamen Stränden warten Beschützer, die sich bereit erklärt haben zu helfen. Wir Drachenreiter sind Startklar, wir warten nur auf den Angriff der feindlichen Schiffe.

Dieser kommt auch ziemlich schnell, obwohl ich ihn erwartet habe zucke ich zusammen, als die ersten Steine über meinen Kopf hinweg fliegen. Ich kann Katapulte nicht leiden, sie verursachen zu viel unkontrollierte Zerstörung. Aber gleichzeitig strömt Erleichterung durch meinen Körper, gepaart mit Adrenalin ist das eine explosive Mischung. Das Warten, dass in den letzten Stunden unerträglich wurde, hat endlich ein Ende, wir können loslegen. Während unsere Drachen abheben fühle ich mich an meinen ersten Kampf von Sturmpfeils Rücken aus erinnert. Es ist so ähnlich gewesen und doch ganz anders. Damals war Lydia noch bei uns und wir waren viel unerfahrener. Das ist jetzt nicht mehr so, was sich sowohl auf Lydia, als auch auf die Unerfahrenheit bezieht. Wir Drachenreiter wünschen uns noch einmal viel Glück, dann verteilen wir uns. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Lyra unruhig wird. Sie scheint etwas zu spüren, was wir nicht spüren. Ihre Ohren sind aufgestellt, ihre Muskeln sind angespannt und ihre Augen funkeln, wie sie seit Lydia weg ist nicht mehr gefunkelt haben. Es scheint, als würde sie etwas wissen, was wir nicht wissen und vielleicht ist das auch so. Sie hat schließlich viel schärfere Sinne als wir Menschen. Sturmpfeil wird unruhig und holt mich damit zurück in die Gegenwart. Auch ihr scheint etwas ganz und gar nicht zu gefallen, doch sie beruhigt sich wieder. „Kommst du oder willst du abwarten, bis sie sich von allein zurückziehen?" Ruft Hicks mir zu und ich gebe Sturmpfeil das Zeichen Ohnezahn zu folgen, der sich nun ebenfalls in die Schlacht einmischt. In der Dunkelheit verliere ich den Nachtschatten schnell aus den Augen. Ab und zu sehe ich eine Explosion, die von ihm kommen könnte. Aber Hicks hat vor allem Pfeile im Gepäck, die den Schiffen gefährlich werden könnten. Mit nur sechs Schuss wäre er ja sonst kaum eine Gefahr. Ich fange einen Pfeil ab, der sonst Sturmpfeils Flanke getroffen hätte. Das Schiff von dem er kam ist schnell ausgemacht. Ich gebe Sturmpfeil das Zeichen darauf zuzufliegen.

Lydia

Kurz nachdem das Zeichen zum Angriff verklungen ist schleiche ich mich aus meiner Kajüte. Die Kämpfer an Bord meines Schiffes sind zum Glück so beschäftigt, dass sie mich kaum wahrnehmen. Ich war schließlich schon oft genug unerkannt auf Drachenjägerschiffen um zu wissen, wie ich mich verhalten muss. Über mehrere Leitern komme ich auf das Deck des Schiffes. Dort angekommen schlängle ich mich durch die Kämpfer und Bogenschützen und suche nach einem ruhigen Platz. Tatsächlich geht es auf dem Schiff zu wie in einem Bienenstock. Ich verliere wertvolle Zeit vom Bug bis zum Heck zu kommen, wo es tatsächlich eine etwas Ruhige Ecke zwischen einigen Kisten. Ich lasse mich an der Außenwand des Schiffes hinab. Über mir zischen Steine und Pfeile aus allen Richtungen über den Himmel. Immer wieder sind Explosionen zu hören. Die Berkianer haben mit dem Nachtschatten Ohnezahn natürlich einen Vorteil, von dem Drago nichts weiß. Aber ob dieser sie retten wird, ich habe keine Ahnung. Die Außenwand meines Schiffes ist glitschig und ich muss aufpassen, dass ich nicht entdeckt werde. Immer wieder verliere ich wertvolle Zeit damit inne zu halten und abzuwarten. Wertvolle Sekunden sind es, in denen die ersten Opfer dieser Schlacht sterben. Es ist unglaublich, das sie alle nur auf Grund eines Rachefeldzuges sterben müssen. Als ich endlich etwas versteckt unterhalb der Blickwinkel der Bogenschützen, knapp über der Wasseroberfläche, zur Ruhe komme, ist die Schlacht bereits in vollem Gange. Über mir bellen die Generäle ihre Befehle. Der Himmel wird von den Drachen zusätzlich verdunkelt und das flackernde Licht des Feuers gibt dem Ganzen eine unheimliche Atmosphäre. Meine Finger greifen nach der kleinen Flöte aus Gronkeleisen, die ich immer noch bei mir trage. Meine Finger gleiten wie von selbst über das ausgeklügelte System von Knöpfen und Hebeln. Ich spiele die Erkennungsmelodie, die Lyra hoffentlich zu mir führen wird. Dann heißt es Abwarten und Hoffen.

Hicks

Die Feuer lodern gelb und orange in die Nacht und werfen ein unheimliches Licht auf die Drachen von Dragos Armee. Bisher konnte ich ihnen aus dem Weg gehen, doch das wird auf Dauer nicht funktionieren. Schon jetzt höre ich immer wieder Schreie und selbst, wenn ich die Stimme nicht erkenne, so hoffe ich immer, dass es ein Schrei des Schmerzes war und keiner des Todes. Die Zahl der Opfer, die diese Schlacht bereits gefordert hat wage ich nicht zu schätzen, ich würde mich nur selber belügen. Während Steine und Pfeile unaufhörlich an mir vorbei ziehen und die Generäle unter mir Befehle brüllen komme ich zur Ruhe. Meine Gedanken werden plötzlich wieder klar. Ich kann das Geschehen unter mir genauer betrachten. Noch immer glaube ich daran, dass wir eine Chance haben, diese Schlacht zu überleben. Ich glaube immer noch daran, dass wir diese Schlacht gewinnen können. Berk ist jetzt nur noch ein heller Punkt, der Rest ist Dunkelheit und ich kann mir trotzdem vorstellen, was dort gerade passiert. Wieder einmal werden Ohnezahn und ich eines, als wir auf eine Gruppe von Schiffen zusteuern. Die Manöver haben uns gut darauf trainiert, den Pfeilen und Steinen auszuweichen, die unaufhörlich über den Himmel ziehen. Ich frage mich, welcher Stratege die grandiose Idee hatte, Nachts anzugreifen. Das macht doch nur Sinn, wenn man einen Nachtschatten oder andere Drachen hat, die Nachts einen Vorteil haben. Oder, wenn man seine Opfer überraschen will, sie haben wohl nicht geahnt, dass wir sie erwartet haben. Ein Feuerschweif fliegt an uns vorbei und bemerkt uns nicht. Durch das Training bei den Caldera Leuten sind Ohnezahn und ich sogar noch besser auf einander abgestimmt. Ich schieße einige Pfeile ab, Beutel mit Zippergas sorgen dafür, dass die Schiffe schnell kampfunfähig werden. Niemand bemerkt uns, während die Explosionen in der Nacht verhallen. Am Himmel sehe ich zwei Drachen gegeneinander Kämpfen, keiner der Beiden scheint einer aus unserem Team zu sein.

Lorelei

Vor der Insel, die wohl den Namen Berk trägt teilen wir uns auf, ein Team sieben Drachenreitern macht sich auf, die Insel einmal zu umrunden. Die restlichen Reiter und Drachen fangen an sich in den Kampf einzumischen. Die Drachenflieger wissen gar nicht wie ihnen geschieht. Bevor sie irgendwie reagieren können, befinden sie sich schon im freien Fall und werden bewusstlos. Die Kräutermischung von Lydia erfüllt ihren zweck hervorragend. Einmal fliege ich fast in einen Mann auf einem Gronkel hinein. Sie sind so damit beschäftigt die Katapulte und Bogenschützen auszuschalten, dass sie uns kaum bemerken. Diese Entdeckung zeigt mir, dass es auf dieser Insel wohl auch Drachenreiter gibt. Vielleicht war Lydia einmal hier. „Diesen Drachen kenne ich doch!" Ruft plötzlich eine Stimme hinter mir. Ich lächle, wie kann man nur so blöd sein und sich verraten. Während Soraya wendet verschwindet das Lächeln allerdings wieder aus meinem Gesicht. Ich kenne den Drachenflieger. Es ist einer der Leute, die mir mein erstes Jahr im Versteck zur Hölle gemacht haben. Mit meiner Kapuze erkennt er mich nicht. Ich danke der Frau in meinen Gedanken noch einmal, dass sie ihn mir überlassen hat. In dem Moment, in dem ich das denke, kommt ein weiterer Pfeilregen auf uns zu. Soraya war zum Glück nicht so abgelenkt wie ich und weicht ihm souverän aus. Der Drachenflieger hat da mehr Probleme, sein Drache strauchelt. Einer der Pfeile verfehlt ihn nur knapp. Während er mit den Pfeilen beschäftigt ist habe ich Zeit mein Blasrohr hervorzuziehen. Ich ziele auf seinen Hals, doch der Feuerschweif setzt zum Angriff an, bevor ich den Beräubungspfeil abschießen kann. Soraya weicht aus. Ich spüre, dass sie sich nicht richtig wohl fühlt, hier oben hat sie keine Möglichkeit mit ihrer Umgebung zu verschmelzen. Der Feuerschweif feuert erneut, der Flieger lacht und Soraya reagiert zum Glück ein weiteres Mal rechtzeitig. Dieses Mal habe ich Zeit erneut zu zielen. Ich danke den Göttern, dass ich diese Fähigkeit nicht verlernt habe. Noch während der Feuerschweif zu einem weiteren Schuss ansetzt, schieße ich den Pfeil ab. Der Flieger fällt vom Rücken des Drachen. Soraya weicht dem erneuten Feuer aus und stürzt dann nach unten um den Flieger zu fangen. Dabei erkenne ich einen schemenhaften Umriss in der Dunkelheit. Es ist ein Nachtschatten und der Blick seines Reiters liegt genau auf mir.

Fünf Jahre - und alles danachWo Geschichten leben. Entdecke jetzt