Nur geträumt?

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Kurze Zeit später kamen sie, bewappnet mit zwei Handtüchern, zurück zu Marvin. Dieser stand immer noch neben dem Taufbrunnnen. Er hatte sich bereits Schuhe und Socken ausgezogen und seine nasse Hose hochgekrempelt.
Grinsend drückte ihm Paddy die Handtücher in die Hand.

Während sich Marvin so gut es ging trocknete, fragte Paddy Marie über die Kirche aus. Marie war froh, dass sie soviel darüber wusste.
Schließlich hatte sie früher viel Zeit hier verbracht und sich auch mit der Geschichte dieser Gemeinde beschäftigt.
Ohne es zu bemerken, redete sich Marie etwas in Rage.
Paddy beobachtete sie dabei und fand es witzig, dass sie alles mit Händen und Füßen erklärte. Das war so eine dumme Angewohnheit von ihr. Sie konnte beim Reden die Hände nicht still halten.

Paddy fand diese Angewohnheit irgendwie süß.
Ausserdem fand er es erstaunlich, dass eine junge Frau sich mit der Geschichte ihrer Kirche so gut auskannte.
"Toll, was du alles weißt. Echt beeindruckend. Ich finde es schön, wenn man sich mit seiner Kirchengemeinde so identifizieren kann", sagte er.
Marie wurde etwas rot im Gesicht und antwortete verlegen:
"Ich war einige Jahre Ministrant, da bekommt man so Einiges mit."

Paddy wandte sich seinem Freund zu, der gerade seine nassen Socken und Schuhe zusammenpackte.
"Dann sollten wir wohl erst einmal ins Hotel fahren damit du dich umziehen kannst.
Wir können dann morgen mit der Planung weitermachen."

"Darf ich fragen was ihr plant?" fragte Marie vorsichtig.
Sie wollte zu gerne wissen, was Paddy hier eigentlich wollte.
"Wir planen eine Agape-Tour im Juni.
Dafür suchen wir jetzt geeignete Kirchen aus und planen die ganzen Abläufe und so."
"Wow, das klingt toll! Wollt ihr dann auch hier spielen?"
fragte Marie voller Vorfreude.
"Sieht ganz gut aus", meinte Paddy lächelnd.
"Die Kirche gefällt mir. Sie hat einen schönen Charakter und eine super Akkustik!"

Maries Herz machte einen kleinen Freudensprung.
Paddy plante wirklich eine Tour und er würde auch noch in ihrem Ort auftreten!
Sie war schon jetzt ganz nervös.

Plötzlich erklangen die Kirchturmglocken.
Marie sah auf die Uhr. 12Uhr schon. Die Zeit war echt schnell vergangen. Ihre Mutter würde demnächst nach Hause kommen und sie wollte ihr gerne beim Kochen helfen.
Wenn sie sich schon wieder zu Hause einnistete, wollte sie wenigstens etwas im Haushalt helfen.

"Also, ich muss dann mal..", sagte sie missmutig und hielt Paddy die Hand hin.
"Schön, dich mal persönlich kennengelernt zu haben!"
Sie schaute ihm in seine großen, blauen Augen und war auf einmal wie in Trance.
Hilfe, dachte sie. Es fühlte sich so an, als würde sie eintauchen in eine andere Welt.
Nach einigen Sekunden, die ihr wie eine Ewigkeit vorkamen, gelang es ihr, den Bann zu brechen und den Blick von seinen Augen zu lösen.

Paddy antwortet: "Ganz meinerseits, Marie."
Auch Marvin reichte ihr die Hand und bedankte sich noch einmal für die schnelle Hilfe.
"Eigentlich sind wir dir was schuldig", meinte Paddy. Hast du Lust auf einen Kaffee bei uns im Hotel heute Nachmittag?
Du bist auch eingeladen!"
Marie glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Sie sollte mit Paddy Kelly einen Kaffee trinken gehen? Einfach so?
Sie war total überrumpelt. "Ähh, ja ..äh, wieso eigentlich nicht." stotterte sie.
"Um 15Uhr im Hotel Kirschner?"
"Ja, ok. Ich werde da sein! Dann bis später!" sagte Marie noch, dann drehte sie sich um und verließ gedankenverloren die Kirche.

Den Rückweg über war sie total in Gedanken vertieft.
Konnte es sein, dass sie tatsächlich Paddy Kelly getroffen hatte?
Irgendwie war sie sich plötzlich nicht mehr sicher, ob das alles real gewesen war.
Aber sie konnte ja nicht verrückt geworden sein. Sie hatte ja des öfteren Tagträume. Aber die waren niemals so real. Sie hatte ihn ja sogar berührt, als sie ihm die Handtücher gegeben hatte. Es war zwar nur eine ganz kurze Berührung gewesen, aber sie konnte sie jetzt noch spüren, wenn sie daran dachte. Auch sein Handschlag war kräftig gewesen. So etwas kann man sich nicht einbilden!!
Sie würde es ja heute Nachmittag sehen, wenn sie die beiden im Hotel traf.
Aber bis dahin blieb ihr nicht mehr viel Zeit und Marie konzentrierte sich darauf etwas schneller zu laufen.

Ihre Mutter war bereits von der Arbeit zurück und packte gerade die Einkaufstüten aus. Marie begrüßte sie und half ihr beim Verräumen der Lebensmittel.
"Na, warst du ein wenig draußen?" fragte ihre Mutter.
"Ja, ich brauchte etwas frische Luft. Bin an der Kirche vorbeigekommen", erzählte Marie betont beiläufig.
"Ja? fragte Maries Mutter mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht. Sie freute sich jedes mal, wenn Marie mal die Kirche besuchte oder davon sprach. Schließlich hatte sie sie christlich erzogen und es war ihr sowieso ein Dorn im Auge, dass ihre Tochter sich so davon abgewendet hatte.
"Das ist schön. Hast du eine Kerze für euch angezündet?"
Marie merkte, wie es in ihr anfing zu brodeln. Die mit ihren Kerzen! Sie glaubte tatsächlich, dass alles wieder gut würde, wenn man nur genügend Kerzen anzündet. Vielleicht wollte Marie momentan gar nicht, dass zwischen Thomas und ihr alles wieder gut war. Zumindest nicht einfach so.
Aber Marie versuchte, sich wieder zu beruhigen.
Sie meinte es ja nur gut! [i]So ist sie eben[i], dachte Marie und stellte die Milch in den Kühlschrank.

Nachdem alles verräumt war, begannen sie zu kochen.
Es gab Nudeln mit Lachs-Sahne-Soße.
Marie liebte es , wie ihre Mutter die Soße zubereitete. Sie hatte schon so oft versucht, sie genauso hinzubekommen. Aber nie schmeckte sie so gut, wie bei Mama.
Während Marie die Zwiebeln für die Soße zerkleinerte, überlegte sie, ob sie ihrer Mutter die Begegnung mit Paddy erzählen sollte. Eigentlich konnte sie ihr immer alles sagen. Früher hatten sie keine Geheimnisse voreinander gehabt.
Außerdem musste sie es jetzt irgendjemandem sagen, sonst würde sie platzen.

"Weißt du, wen ich vorhin in der Kirche zufällig getroffen habe?" begann sie zu erzählen.
"Das errätst du nie!"
"Etwa den Papst?" meinte ihre Mutter lachend.
"Haha", entgegnete Marie.
"Naja, wenn du so ein Staatsgeheimnis daraus machst!" erwiderte ihre Mutter und grinste sie an.
"Nein, nicht den Papst. Viel besser". ...und Marie erzählte ihrer Mutter die ganze Geschichte.


Als Marie die Geschichte beendet hatte, fing ihre Mutter an zu lachen. Schon während sie erzählte, hatte sie ihre Mutter immer wieder leise glucksen hören. Aber jetzt brach es aus ihr heraus.
Als sie sich beruhigt hatte, sagte sie: "Na, da bist du ja nicht die Einzige, die sich im Taufbrunnen ertränken will!"
"Ja, ja, mach dich nur lustig," entgegnete Marie.
"Also dieser Marvin war genauso genervt wie ich damals. Nur dass er, im Gegensatz zu mir nicht so viele Zuschauer dabei hatte."
"Entschuldigung, Schatz", beschwichtigte sie ihre Mutter. "Aber ich hatte gerade wieder diese Bilder im Kopf, wie du triefend in der Sakristei verschwunden bist!"

"Sag mal, findest du es denn gar nicht verwunderlich, dass ich Paddy Kelly bei uns in der Kirche getroffen habe?" fragte Marie irritiert.
"Naja, ich hab da demletzt im Pfarrbüro mal was aufgeschnappt, dass Paddy hier ein Konzert geben möchte. Das wollte ich dir immer mal gesagt haben. Ich habs aber immer wieder vergessen."
"Waaaas?", staunte Marie. "Du wusstest davon und hast es mir gar nicht gesagt?"
"Ich habs halt vergessen. Wusste gar nicht, dass du noch immer Fan bist. Ich dachte die Zeiten wären vorbei. Deshalb fand ich es auch nicht so wichtig", verteidigte sich ihre Mutter.
Woher sollte sie es auch wissen. Bis vor Kurzem hatte sich Marie ja wirklich nicht mehr für die Kellys interessiert.
"Hat sich in letzter Zeit wieder etwas geändert", sagte Marie ein wenig kleinlaut.
"Es war auf jeden Fall krass, ihn mal kennenzulernen."
"Und, gehst du da nacher hin? Ins Hotel, meine Ich?"
"ja klar. Glaubst du, das lasse ich mir entgehen?"

Nach dem Essen, half Marie ihrer Mutter noch den Tisch abzuräumen. Dann ging sie in ihr Zimmer, um sich was anderes anzuziehen. Marie durchwühlte ihre Tasche. Auf die Schnelle hatte sie eingepackt, was ihr zwischen die Finger gekommen war. Sie hatte nicht lange überlegt. Das bereute sie jetzt, denn sie tat sich schwer, aus den wenigen Teilen etwas passendes zu finden.
Schließlich entschied sie sich für eine weiße Leinenhose, ein türkises T-shirt und ein weißes Bolerojäckchen.
Es war nämlich richtig warm geworden heute.
Obwohl es erst März war, konnte man gut ohne Jacke rausgehen.
Sie ging sich noch einmal mit der Bürste durch ihr Haar, zog sich ihre Schuhe an und schnappte sich ihre Tasche.
Beim Rausgehen, rief sie ihrer Mutter zu: "Bin dann mal weg. Nehm dein Fahrrad mit!"
Dann fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.



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