Eine halbe Stunde später saß Paddy auf dem Beifahrersitz des Familienvans und starrte aus dem Fenster.
"Was ist los mit dir?" fragte Marvin, der den Wagen geschickt über die Autobahn lenkte.
"Du hast die ganze Fahrt über noch nicht ein Wort gesprochen."
"Ich brauche halt auch mal meine Ruhe", brummte Paddy.
"Das hat nicht zufällig mit einer gutaussehenden, jungen Dame, namens Marie zu tun, in die du total vernarrt bist?"
Paddy drehte aprupt seinen Kopf herum und sah Marvin brummig von der Seite an.
"Quatsch", erwiderte er und starrte erneut aus dem Fenster.
"Ach Paddy. Jetzt mach mir nichts vor. Ich weiß, dass irgendetwas vorgefallen ist, als ich im Hotel war. Die Luft zwischen euch hat gebrannt, als ich wieder zu euch kam"
"Ich hab's getan", sagte Paddy, nachdem er einige Löcher in die Luft gestarrt hatte.
"Was hast du getan?" fragte Marvin etwas irritiert.
"Ich hab sie geküsst!"
Marvin warf ihm einen erstaunten Blick zu und es fiel ihm schwer sich auf den Verkehr zu konzentrieren.
"Was? Du hast.....Wow! Paddy is back!" triumphierte Marvin.
"Aber warum bläst du dann Trübsal? War es so schlimm?" fragte Marvin leicht grinsend.
Paddys Mund verzog sich zu einem verträumten Lächeln.
"Es war umwerfend! Amazing, you know?"
Ein wohliger Schauer umhüllte ihn, als er an Maries sanfte Lippen dachte, die die seinen so verführerisch berührt hatten.
"Es war wie in einem schönen Traum, so unwirklich und dennoch so real. Ich bin noch nie in meinem Leben so verführerisch und gleichzeitig unschuldig geküsst worden!""Ja, aber das ist doch schön. Ich mein,..das freut mich für dich, echt!"
"Ja schon, aber..." wollte Paddy erwidern, aber Marvin fiel ihm ins Wort.
"Jetzt fang bitte nicht wieder mit dem Blödsinn an, dass du Gewissensbisse hast, weil sie verheiratet ist. Ich versteh ja, dass das nicht die beste Voraussetzung ist. Aber das Leben ist nicht immer perfekt. Es gibt heutzutage so viele Ehen die scheitern. Man kann sich gegen wahre Liebe nicht zur Wehr setzen. Du musst es ja nicht überstürzen. Lass es doch einfach auf dich zukommen und dann wirst du schon sehn was passiert.""Wenn das mal so einfach wäre", erwiderte Paddy.
"Ich war jahrelang im Kloster. Glaubst du, das habe ich einfach so zum Spaß getan? Du verstehst das vielleicht nicht. Aber ich bin eben sehr gläubig und somit glaube ich auch an die Liebe. Und wer einmal geheiratet hat und Gottes Segen für die Ehe bekommen hat, der sollte sich nicht einfach scheiden lassen und sich den Nächsten angeln!"
Marvin drehte seinen Kopf so ruckartig herum, dass er beinahe das Steuer verrissen hätte.
Er sah Paddy entsetzt von der Seite an. Dieser starrte wieder unberührt aus dem Fenster. Marvin lenkte den Wagen auf die rechte Spur und fuhr einen Parkplatz an.Wortlos stieg Marvin aus dem Auto und lief auf dem Parkplatz auf und ab. Bis er sich schließlich unter einem Baum auf eine Bank setzte. Er sah sehr nachdenklich aus.
Nach einer Weile stieg auch Paddy aus und setzte sich neben ihn auf die Bank.
„Tut mir leid, " sagte er. Man sah seinen Gesichtszügen deutlich an, dass er seine so eben gesagten Worte bereute.
„Ich hab nicht daran gedacht, dass du...... "
Marvin ließ ihn nicht zu Ende sprechen.
„Dass ich geschieden bin?" Marvin sah ihn fragend von der Seite an.
„Mal ganz ehrlich, Paddy. Wärst du auch mit mir befreundet, wenn du mich erst nach dem Kloster kennengelernt hättest? Bin ich denn ein schlechter Mensch für dich, nur weil ich geschieden bin?"
„Nein, natürlich nicht. Ich möchte dich als meinen Freund nicht missen. Du hast die ganze Zeit zu mir gehalten und dafür bin ich dir sehr dankbar. Das darfst du nicht falsch verstehen. Ich akzeptier auch eure Entscheidung, aber verstehen kann ich sie trotzdem nicht."
Paddy strich sich die Haare von der Stirn, die ihm der Wind ins Gesicht geblasen hatte.
„Weißt du Paddy, ich glaube auch an Gott und auch an die Liebe. Aber Menschen verändern sich. Liebe ist ein Gefühl, welches man nicht steuern kann.
Du hast Sarah damals verlassen, weil deine Liebe zu Gott größer war. Hast du Sarah denn nicht geliebt?"
„Doch, sicher. Aber vielleicht war die Liebe nicht groß genug!" antwortete Paddy.
„Siehst du, das meine ich. Du hast sie geliebt, wolltest ihr sogar einen Antrag machen und dann...Manchmal entwickeln sich die Dinge einfach anders als man denkt oder will. Was hättest du getan, wenn ihr schon verheiratet gewesen wärt? Hättest du deine Entscheidung anders getroffen?
Glaube mir Paddy. Ich hätte mir nichts sehnlicher gewünscht, als mit Sonja glücklich zu werden. Das waren wir ja auch. Sonst hätte ich sie wohl kaum geheiratet. Ich habe sie wirklich geliebt. Du warst doch dabei. Glaubst du, unsere Hochzeit war nur ein Fake?
Oh nein. Wir hatten unsere Zukunft schon geplant. Aber unsere Gefühle und Lebenswünsche haben unseren Plänen einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Menschen entwickeln sich weiter Und manchmal verändert man sich innerlich so sehr, dass da kein Platz mehr für den Partner ist. Man ist auf einmal zu verschieden, verstehst du?"
Marvin sah Paddy fragend an.
„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich um unsere Liebe getrauert habe, als mir bewusst wurde, dass sie nicht mehr so stark ist, wie sie sein sollte. Ich habe nächtelang geweint, weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte, dass unsere Liebe irgendwo verloren gegangen war. Aber es würde mir jetzt sehr viel schlechter gehen, hätten wir uns weiter zu einer Beziehung gezwungen."
Marvin stand auf und lief vor der Bank auf und ab. Die Geräusche der vorbeifahrenden Autos begleiteten ihn im Hintergrund. Irgendwann hielt ihn Paddy vorsichtig am Arm fest und sagte: „Bitte setz dich. Du machst mich ganz nervös!"
Marvin setzte sich wieder neben Paddy auf die Bank.
Nach einer Weile sagte Paddy etwas verlegen: „Hey" und er boxte Marvin leicht an die Schulter.
Marvin drehte sich zu ihm um.
„Ich wollte dich wirklich nicht verletzen. Ich weiß ja, dass du dir die Entscheidung sicher nicht leicht gemacht hast. Und es tut mir auch sehr leid, dass ich in dieser Phase deines Lebens nicht so für dich da sein konnte, wie es sich für einen Freund gehört.
Ich freu mich auch ehrlich sehr für dich, dass du momentan wieder glücklich verliebt bist! Und ich wünsche dir, dass es auch so bleibt!"
Paddy stand auf, hielt ihm die Hand hin und meinte: "Freunde?"
Marvin sah ihn an. Dann flog ihm ein Lächeln übers Gesicht. „Wie soll man deinem Dackelblick widerstehen?"
Er stand auf und umarmte seinen langjährigen Freund.
Bevor sie wieder ins Auto stiegen, nahm er Paddy bei den Schultern und sagte:" Paddy, bitte gib Marie eine Chance! Sie ist kein schlechter Mensch. Wenn sie wirklich so unglücklich ist mit ihrem Mann, dann muss sie etwas tun. Ausserdem hast du sie ja auch geküsst, oder? Und in der momentanen Situation würdest du das nicht einfach so tun. Dafür kenne ich dich zu gut! Und egal, was du darüber denkst, ich würde mich freuen, wenn ihr zueinander finden würdet." Er klopfte Paddy aufmunternd auf die Schulter und stieg ins Auto.Den Rest der Fahrt schwiegen sie. Beide waren in ihre Gedanken versunken.
Sicherlich hatte Marvin Recht. Es war nicht leicht die Liebe zu kontrollieren. Aber alles einfach so hinzuwerfen, nur weil es mal nicht klappt? In guten wie in schlechten Zeiten. Das versprach man sich doch vor Gott.
Andererseits hatten Marvin und Sonja lange gekämpft. Das hatte man ihm erzählt. Er war damals im Kloster einfach zu weit weg gewesen von seinen Mitmenschen. Das war auch mit ein Grund für seinen Austritt gewesen.
Nachdem er wieder zurück war, wurde nicht viel über dieses Thema gesprochen, das wurde Paddy mit einem Mal klar.
Es war wieder einmal nur um ihn gegangen. Er kam zurück, er musste sich wieder einleben, er musste seine Karriere wieder ankurbeln.
Er hatte Marvin nicht einmal ernsthaft gefragt, wie es ihm ergangen war, wie es zur Scheidung gekommen war,....
Schmerzlich wurde ihm in diesem Moment bewusst, was für ein miserabler Freund er doch gewesen war.
Und Marvin? Er hatte die ganze Zeit zu ihm gehalten. Hatte seine Entscheidung damals ohne Diskussionen akzeptiert.
Er hatte ihn immer vor den Anderen in Schutz genommen und nie ein böses Wort über ihn verloren.
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Ein Geschenk des Himmels
FanficMarie ist verzweifelt. Der Traum ihrer heilen Familie scheint zerstört, ihre Ehe am Ende. Selbstzweifel plagen sie , sie ist am tiefsten Punkt ihres Lebens angelangt. Doch plötzlich geschieht etwas, das ihr Leben komplett auf den Kopf stellt.