Ein absolut perfekter Moment

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Als Paddy mit der Gitarre an der Feuerstelle ankam, lag Marie auf der Bank, hatte die Beine aufgestellt und schaute in den Himmel.
Als Kind hatte sie das oft gemacht, wenn sie traurig oder nachdenklich war.

Arme Marie, dachte Paddy.
Aber er hoffte, sie mit der Musik wieder etwas aufzuheitern. Wenn Marie Musik so liebte, wie sie sagte, würde es ihr helfen. Es ist immer hilfreich, wenn man etwas tut, was man liebt.
und Musik konnte so unheimlich befreiend sein!

Ohne ein Wort zu sagen, setzte sich Paddy auf eine der Bänke und begann die Seiten seiner Gitarre zu zupfen.
Überrascht fuhr Marie hoch.
Sie hatte ihn gar nicht kommen hören.
Als sie ihn da sitzen sah mit seiner Gitarre, ging ihr das Herz auf.
Sie liebte den Anblick von Männern mit Gitarre im Arm.
Das verlieh ihnen irgendwie etwas Sinnliches.

Die Töne zu hören, die Paddy seiner Gitarre entlockte, zu sehen, wie seine Finger gekonnt über die Seiten glitten und dabei seinen zufriedenen Gesichtsausdruck zu betrachten,
das war wie Magie!
Noch magischer wurde es, als Paddy zu singen anfing.
"Abba Father..." begann er leise und gefühlvoll.
Die ersten Töne verliehen Marie eine Gänsehaut.
Seine Stimme war so einmalig schön und sie so nah zu hören, war unglaublich.
Sie hatte sich in letzter Zeit oft gewünscht, Paddy noch einmal singen zu hören. Aber da hatte sie nicht im Entferntesten daran gedacht, dass er nur für sie singen würde und sie ihm dabei so nah sein könnte.

Nach und nach wurde Paddys Gesang immer lauter und aus dem anfänglichen Zupfen der Gitarrenseiten wurde ein rockiges Schlagen.
Er steigerte die Lautstärke immer mehr, bis er sein Abba Father zu schreien schien und seine Gitarre einem fast schon leid tun konnte.
Dann wurde er wieder leiser.
Er stand auf und gab Marie zu verstehen, dass sie sich ebenfalls hinstellen sollte.
" So, und jetzt zeige ich dir, wie man sich richtig Luft machen kann! Ich will, dass du jetzt mitsingst."
"Waaas? Ich? Mit dir?" stammelte Marie ungläubig.

"Ganz genau", bestätigte Paddy.
"und zwar genauso, wie ich es gerade gesungen habe.
Es wird immer lauter und am Ende schreist du es regelrecht heraus. Ich sage dir, das befreit total." Paddy musste grinsen, als er ihren ungläubigen Gesichtsausdruck sah.
"Probier es einfach aus. Hier hört dich ja keiner!"
Naja, keiner ist gut, dachte Marie.
Paddy würde sie schließlich hören.

Es war schon ewig her, dass sie vor jemandem gesungen hatte.
Damals in der Schulband hatte sie ständig vor Publikum gesungen. Aber seitdem nicht mehr.
Zu Hause war sie zwar immer am Singen, aber nur für sich. Sie konnte doch nicht hier vor Paddy...

"Abba Father.." begann Paddy gefühlvoll.
Er sah sie auffordernd an. Marie schlug das Herz bis zum Hals.
Zaghaft begann sie mit Paddy zu singen.
Dieser nickte ihr aufmunternd zu.
Das ermutigte Marie und sie sang noch ein bisschen lauter.

Dann steigerte Paddy wieder die Lautstärke und sagte: "So, und jetzt schließ die Augen und schrei alles aus dir heraus!"
Marie schloss ihre Augen. In ihren Gedanken spielte sich ein kleiner Film ab. Sie sah Thomas, was ihr erneut einen Stich ins Herz versetzte. Sie sah ihre Chefin, die sie ständig ungerecht behandelt hatte und sie sah ihre süße, kleine Yasmin, um deren Zukunft sie sich sorgte....
Und plötzlich war es gar nicht mehr schwer. Sie schrie: "Abba Father". Sie ließ alle Blockaden los und es tat wirklich gut!
Sie war wie in Trance.
Dann wurde die Gitarre wieder leiser und Marie öffnete die Augen. Paddy sah sie bewundernd an und nickte dabei.
"Genauso hab ich mir das vorgestellt. Das machen wir gleich noch einmal!"

Wow, dachte Paddy, während er erneut anfing die Gitarrenseiten zu zupfen So eine Stimme hätte ich ihr gar nicht zugetraut!
Er sah Marie an, wie sie mit verheulten Augen vor ihm stand.
Ihr Zopf, der vorher sehr ordentlich zusammen gebunden war, sah jetzt ein wenig verwuschelt aus und einzelne Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht.
Aber Paddy gefiel es so viel besser. Es sah süß aus und passte irgendwie zu ihr. Er musste lächeln, während er seine Gitarre immer heftiger schlug und Marie dabei beobachtete, wie sie all ihre Emotionen herausschrie.

Ein Geschenk des HimmelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt