Um 18Uhr holte Marie Yasmin bei ihren Schwiegereltern ab.
Die gute Stimmung, die sie seit heute morgen begleitete, war auf einen Schlag Vergangenheit, als sie die wohnung betrat.
Dort, wo es sonst meist ziemlich laut war, da hier viele leute unter einem Dach lebten, herrschte plötzlich Schweigen. Die Blicke, die Marie entgegenflogen, strahlten Unverständnis aus.
Oh man, dachte Marie. Es hätte so ein schöner Tag sein können! Irgendwie konnte sie Thomas Familie ja verstehen. Schließlich war Thomas das einzige Kind der Familie, welches bis dato glücklich liiert gewesen war. Bei den anderen Geschwistern schien es nicht so recht zu klappen.
Ihre Schwiegereltern hatten sich gefreut, als mit Yasmin endlich ihr lang ersehntes Enkelkind geboren wurde und sie hofften bereits auf das Nächste. Zumindest kamen ständig Anspielungen, wie :"Wenn Yasmin dann erst einmal ihr Geschwisterchen hat" oder Ähnliches.
Marie war deswegen schon des Öfteren genervt gewesen. Schließlich wussten sie auch um die finanzielle Situation und waren auch schon einige Male Zeugen einer Auseinandersetzung geworden. Sie wussten, dass es in den letzten Monaten nicht gerade harmonisch zugegangen war zwischen Thomas und Marie.
Jetzt spielten sie die Moralapostel und behandelten sie wie Luft.
Nur Yasmin war, wie immer, gut gelaunt und lief ihr lachend und "Mama" schreiend, entgegen.
Marie fing sie auf und wirbelte sie einmal durch die Luft. Dann drückte sie ihr einen dicken Kuss auf die Wange und drückte sie ganz fest. Yasmin lachte und schmiegte sich an sie.
So war es meistens, wenn Marie sie abholte.
Das entschädigte für Alles.
Marie zog Yasmin Schuhe und Jacke an. Dann fragte sie, wie üblich, ob Yasmin Mittagsschlaf gemacht habe, ob sie gut gegessen habe und wie es sonst so war.
Ihre Schwiegermutter antwortete kurz und knapp und würdigte sie dabei keines Blickes. Für Yasmin ließ sich Marie nichts anmerken. Sie tat so, als sei alles wie immer.
Als sie sich verabschiedet hatten, fuhr Marie mit Yasmin wieder zurück zu ihren Eltern.
Bevor sie Yasmin abgeholt hatte, war sie noch schnell zu Hause vorbeigefahren, um noch ein paar Sachen für Yasmin und sich mitzunehmen. Sie war ganz froh darüber, dass Thomas Spätschicht hatte und sie ihm so nicht über den Weg laufen musste. Morgen würde sie ihn mal anrufen. Ein Gespräch war dringend notwendig!
Ganz entgegen Maries Befürchtungen, schlief Yasmin sehr schnell ein. Marie hatte dasselbe Ritual wie zu Hause durchgeführt und das Bett kannte Yasmin ja bereits.
Marie war sehr erleichtert, dass Yasmin sofort eingeschlafen war und beschloss, den Tag gemütlich zu beenden. Das tat sie dann auch. Sie saß mit ihren Eltern zusammen im Wohnzimmer und sie unterhielten sich über alte Zeiten.
Es tat gut mit jemandem zu reden. Natürlich fiel das Gespräch auch auf Thomas. Maries Mutter sagte ganz unerwartet: "Es tut mir leid, was ich gestern Abend gesagt habe. Ich möchte natürlich auch nicht, dass du unglücklich bist. Aber du musst dir gut überlegen, was du tust. Auch Yasmin zuliebe.""Ja, das weiß ich ja", entgegnete Marie. "Aber das ist gar nicht so leicht, wenn man selbst nicht genau weiß, was man will!"
Ihre Mutter legte ihr den Arm um die Schultern und sagte mitfühlend: "Ich weiß, Marie. Ich weiß!"
Marie war sichtlich erleichtert, dass ihre Mutter ihr keine Vorträge mehr hielt, sondern ihr einfach nur zuhörte.
Nachdem sie noch lange gesessen und geredet hatten, ging Marie erst nach 24Uhr ins Bett. Das war sehr ungewöhnlich für sie. Seit Yasmin auf der Welt war, ging sie immer früh ins Bett. Man wusste ja nie, wann man wieder raus musste.
Yasmin schlief die Nacht durch, was Marie sehr freute. So hatte sie wenigstens ein paar Stunden Schlaf am Stück bekommen.
Wie gewohnt, um 6Uhr, war die Nacht dann aber doch zu Ende.
Marie holte Yasmin aus dem Bett und sie kuschelten noch eine Runde im großen Bett weiter, bis sie dann um 7Uhr fertig angezogen in der Küche standen. Maries Mutter war bereits wach und kochte gerade Kaffee. Sie war immer so früh wach, ob sie arbeiten musste oder nicht. Marie hatte das immer schon bewundert.
"Guten Morgen, ihr zwei!" begrüßte sie sie und strich Yasmin über den Kopf. Dann halfen sie gemeinsam den Tisch zu decken.
Maries Vater erschien kurz in der Küche, um Guten Morgen zu sagen und sich gleichzeitig auch schon zu verabschieden. Er trank seinen Kaffee morgens immer im Geschäft.
Während dem Frühstück klärte Marie noch einmal ab, ob es wirklich in Ordnung gehen würde, wenn sie später noch einmal kurz verschwinden würde. Sie hatte am vorherigen Abend bereits erzählt, dass sie das Konzert organisieren sollte und so. Und dass sie mit Paddy noch einmal verabredet war.
"Aber klar", sagte Maries Mutter. Sie drehte sich zu Yasmin und sagte: "Wir beide gehen dann gemeinsam auf den Markt und kaufen ein." "Ein", bestätigte Yasmin, die in letzter Zeit immer mehr Wörter lernte und manchmal plapperte wie eine Wasserfall. Auch wenn man sie nicht immer verstand.
Nachdem Marie und Yasmin noch eine Runde mit den Holzklötzen gespielt hatten, verabschiedete sich Marie und fuhr mit dem Fahrrad zum Hotel. Sie fand es sehr praktisch mit dem Rad unterwegs zu sein. Man war schneller als zu Fuß und unabhängiger, als mit dem Bus. Und man bekam überall einen Parkplatz.
Allerdings war sie etwas spät losgefahren, sodass sie erst um fünf nach zehn das Hotel betrat.
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Ein Geschenk des Himmels
FanficMarie ist verzweifelt. Der Traum ihrer heilen Familie scheint zerstört, ihre Ehe am Ende. Selbstzweifel plagen sie , sie ist am tiefsten Punkt ihres Lebens angelangt. Doch plötzlich geschieht etwas, das ihr Leben komplett auf den Kopf stellt.