ein tragischer Geburtstag

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Marie saß auf ihrem Sofa und starrte aus dem Fenster. Es regnete Bindfäden, mal wieder. Typisch für den Herbst, dachte Marie und passend zu ihrer Stimmung.
Die letzten Wochen waren wirklich rasend schnell vergangen. Es kam ihr vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass sie hier eingezogen war. Dabei waren inzwischen bereits 10 Wochen vergangen und es war jetzt schon Mitte November.
Ihre Stimmung passte sich ganz dem miesen Regenwetter an, welches schon seit einer Woche den Himmel grau färbte. Dann doch lieber Schnee, dachte sie grimmig.
Yasmin war bereits im Bett und Marie dachte mal wieder viel zu viel nach.
So sehr sie die erste Zeit in ihrer eigenen Wohnung genossen hatte, desto mehr wurde ihr plötzlich bewusst, wie einsam sie doch war. Yasmins zweiter Geburtstag vor drei Wochen war das letzte Mal gewesen, an dem sie ihre Freunde gesehen hatte. Sandra war viel mit Gabriel unterwegs, was sie gut verstand und ihr auch gönnte. Jessie hatte eine Menge mit der Gemeindearbeit zu tun und konnte sich nur selten loseisen. Sicher, sie nutzte auch jetzt immer noch die Zeit um Musik zu machen, zu lesen und zu entspannen. Aber sie merkte, dass sie wieder bereit war, unter die Leute zu gehen.
Anfangs hatte Paddy noch sehr häufig geschrieben, was seit einer Woche auch nachgelassen hatte. Sicher hatte er jetzt viel mit der Tour zu tun. Schließlich sollte es in drei Wochen los gehen. Marie hatte es schön gefunden, dass er ihr so oft geschrieben hatte, um sie auf dem Laufenden zu halten. Er hatte sie sogar gefragt, ob er ihre Songs benutzen dürfe.
Natürlich hatte sie sofort zugestimmt. Er wollte tatsächlich ihre Songs benutzen. Für was auch immer. Das hatte sie sehr stolz gemacht. Auch wenn sie davon ausging, dass er sicher nur Teile daraus verwenden würde, freute sie sich darüber.
Komischerweise hatte er bisher in keiner eMail seine Freundin erwähnt. Sicher wollte er nicht, dass Marie traurig wurde. Schließlich lebte sie gerade in Scheidung und die gemeinsamen Stunden, die sie verbracht hatten, bedeuteten ihr sehr viel, das wusste er. Da wollte er sicher nicht gleich damit prahlen, wie glücklich er doch war.
Marie schaltete den Fernseher ein und war nach einer halben Stunde eingeschlafen.

Am letzten Wochenende im November hatte Marie Geburtstag. Aber anstatt eine große Party zu feiern, saß sie abends alleine vor dem Ferneseher und sah sich verblödete Serien an.
Ihre Eltern hatten einen Winterurlaub in den Bergen gewonnen. Ihre Mutter wollte eigentlich gar nicht fahren, aber Marie hatte ihr klar gemacht, dass sie keine fünf mehr war und einen Geburtstag ohne ihre Eltern durchaus verkraften würde. Auch Sandra und Gabriel waren übers Wochenende weggefahren. Gabriels Schwester feierte die Taufe ihrer jüngsten Tochter und Gabriel war Taufpate.
Marvin und Laura waren in Berlin. Leider zu weit weg um zu einem Geburtstag extra anzureisen und Jessie hatte mal wieder eine Sitzung mit dem Gemeinderat.
Da saß sie nun, Mutterseelenallein, vor dem Fernseher und feierte ihren Geburtstag.
Yasmin hatte Papawochenende, so dass sie ganz alleine in ihrer Wohnung war.
Kurzerhand beschloss sie, noch einmal raus zu gehen. Sie musste es ausnutzen, sich so frei bewegen zu können. Also lief sie Richtung Marktplatz. Dort gab es einige Bars, in denen sie früher öfter einmal gewesen war. Nachdem sie zwei Wein getrunken und sich mit zwei alten Bekannten unterhalten hatte, bemerkte sie, dass es ziemlich langweilig war alleine wegzugehen. Also holte sie sich noch eine Flasche Baileys im Supermarkt und schlenderte nach Hause. Sonst hatte sie immer geschimpft, dass der Supermarkt bis 24 Uhr geöffnet hatte, weil sie es für unnötig hielt. Heute allerdings bemerkte sie zum ersten Mal den Vorteil dieser Öffnungszeit.
Zu Hause angekommen, gönnte sie sich erst einmal ein Glas Sekt. Den Sekt hatte sie von ihrem Vermieter bekommen, mit besten Wünschen zum Geburtstag.
Sie hob das Glas und sagte leicht deprimiert: „Alles Gute zum Geburtstag, Marie!"
Dann holte sie ihren Lieblingsfilm aus dem Regal: Titanic.
Ja, sie wusste wie verdammt kitschig er war. Aber sie liebte ihn einfach. Ausserdem erinnerte er sie immer an ihre Teenie-Zeit. Damals war sie mit ihren Freundinnen ganze 10 Mal im Kino gewesen. Als Video hatte sie ihn bestimmt 60 oder 70 mal gesehen. Sie kannte jede Handlung und sicher fast jedes Wort auswendig und dennoch musste sie jedes Mal heulen wie ein Schlosshund, wenn Jack, alias Leo DiCaprio in das kalte Meer sank.

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