gefährliche Anziehungskraft

231 12 1
                                    

Am nächsten Morgen brachte Marie Yasmin, nach einem ausgiebigen Frühstück, zu ihren Schwiegereltern.
Es war nur ihre Schwiegermutter da, die Yasmin wie immer sehr fröhlich begrüßte.
Die Stimmung hatte sich seit dem letzten Mal etwas gebessert.
Aber Marie spürte immer noch das Unverständnis, welches in ihren Blicken und in ihrer Stimme lag.
Wenn das zwischen Thomas und ihr etwas klarer war, würde sie es ihr einmal erklären. Momentan hatte das keinen Sinn. Zuerst wollte sie mit Thomas reden.
Yasmin hatte sofort etwas gefunden, was ihre ganze Aufmerksamkeit einnahm. Ihre Puppe, die immer bei der Oma blieb, musste umgezogen werden. Yasmin fand kaum Zeit sich von Marie zu verabschieden, was es Marie etwas leichter machte zu gehen.

Als die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, atmete Marie tief durch. Sie war froh, dass keiner die Schwierigkeit dieser Situation an Yasmin ausließ.
Sie wusste, dass Yasmin bei allen Familienmitgliedern gut aufgehoben war.

Marie sah auf die Uhr. Gerade einmal 9Uhr morgens.
Um 15Uhr musste sie beim Hotel sein.
Was sollte sie jetzt machen?
Dieses Gefühl von Freiheit kannte sie schon gar nicht mehr.
Sie beschloss, etwas bummeln zu gehen. Ganz alleine, mit viel Zeit. Seit Yasmin auf der Welt war, hatte sie nicht mehr so viel Zeit am Stück für sich gehabt.
Sie bummelte gemütlich durch das örtliche Einkaufszentrum.
In einem Schaufenster entdeckte sie ein wunderschönes Sommerkleid. Genau so etwas hatte sie schon lange gesucht. Wenn jetzt der Sommer kam, konnte sie so ein luftiges Kleid gut gebrauchen.
Sie beschloss, es anzuprobieren.
Es passte wie angegossen. Sogar die Länge war perfekt. Sonst hatte sie mit langen Kleidern und Hosen immer Probleme, weil sie so klein war.
Nachdem sie mit ihrem Anblick im Spiegel mehr als zufrieden war, kaufte sie sich das Kleid.
Was war das für ein Gefühl!
Fast wie damals, als sie sich von ihrem ersten selbstverdienten Geld eine Hose gekauft hatte.
Gut gelaunt und zufrieden steuerte sie das Schuhgeschäft an.

Nachdem sie sich noch ein paar Sandalen und einige Sachen für Yasmin gekauft hatte, setzte sie sich in ein Cafe, um die Beute noch einmal zu sichten.

Das hatte sie schon immer so gemacht.
Im Cafe überlegte sie sich, wie sie Thomas zu einem Gespräch bringen konnte.
Eigentlich hatte sie warten wollen, bis er von selbst auf die Idee kam. Aber nachdem das nicht der Fall zu sein schien, beschloss sie, ihm eine sms zu schreiben. Sie wollte jetzt endlich ein klärendes Gespräch. Immerhin waren sie so lange zusammen und hatten so viel gemeinsam erlebt. Da konnte man ja nicht einfach so das Handtuch werfen.
So machte sie ihm per sms den Vorschlag, sich am Freitag Abend, wenn er Yasmin brachte, Zeit für ein Gespräch zu nehmen. Sie könnten erst gemeinsam Yasmin ins Bett bringen und dann Essen gehen, um alles noch einmal in Ruhe zu besprechen. Sie fand die Idee richtig gut. Im Restaurant war die Chance gegeben, sich ganz ruhig miteinander zu unterhalten, ohne ausfallend oder beleidigend zu werden.
Vielleicht konnte man ja doch wieder einen gemeinsamen Nenner finden, worauf man wieder etwas aufbauen konnte.

Marie hatte dem Kellner gerade das Zeichen zum Bezahlen gegeben, da piepste ihr Handy.
Schnell bezahlte sie den Cappuchino und das Wasser, um dann neugierig die sms zu lesen.
Sie war gespannt, was Thomas dazu sagen würde.
Sicher war er einverstanden. Es musste ja auch in seinem Interesse sein, Klarheit in die Situation zu bringen.
Aber noch während sie die Nachricht las, wurde sie ganz blass im Gesicht und die Kinnlade fiel ihr herunter.
Kurz darauf wechselte ihre Gesichtsfarbe zu krebsrot. Wütend packte sie ihr Handy ein, schnappte sich ihre Tüten und marschierte wütend Richtung Parkhaus.
Oh, das war mal wieder so typisch für Thomas. Marie wusste gar nicht was sie dazu sagen oder denken sollte.
Sie kannte ihn ja eigentlich nicht anders. Was hatte sie denn erwartet? Aber trotzdem nervte es sie ungemein!

Als sie bei ihren Eltern ankam, warf sie erst einmal mit viel Schwung den Schlüssel auf den kleinen Tisch im Eingangsbereich. Ihre Mutter bog um die Ecke und fragte erstaunt: "Nanu, was ist denn los?"
Marie schnaubte, warf ihre Schuhe in die Ecke und schleppte ihre Tüten ins Wohnzimmer. Dort ließ sie sich aufs Sofa fallen.
"So. Jetzt kommst du erst einmal runter und erzählst, was los ist", meinte ihre Mutter.
"Ich habe Thomas vorgeschlagen, dass wir am Freitag irgendwo Essen gehen und mal miteinander reden," sagte Marie schon etwas ruhiger.
"Das ist doch eine tolle Idee", erwiderte Maries Mutter mit einem erfreuten Lächeln im Gesicht.
"Ja, das dachte ich auch. Aber der Herr möchte lieber Fussball gucken, als sich mit mir zu unterhalten", erklärte Marie mit schnippischem Unterton.
"Und am Samstag kann er auch nicht, weil sie da ein Turnier mit der Fussballjugend haben."
Marie schnaubte schon wieder. Auch Maries Mutter wusste nicht so recht, was sie darauf sagen sollte.
Thomas schien wirklich nicht mehr sehr viel an der Beziehung zu liegen.
Aber, um nicht noch Öl ins Feuer zu gießen, meinte sie beschwichtigend: " Naja, vielleicht fragst du mal, ob er am Sonntag Zeit hat."

Marie sprang auf, schnappte sich ihre Tüten und sagte wütend: " Achso, muss ich jetzt sehen, wie ich es dem feinen Herrn recht machen kann? Soll ich vielleicht auch noch auf Knien angerutscht kommen und ihn um ein Gespräch bitten?"
Dann lief sie, heulend vor Wut in ihr Zimmer. 

Ein Geschenk des HimmelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt