Ohne Titel Teil23

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Als Marie am nächsten Morgen aufwachte, war sie im ersten Moment total verwirrt.
Orientierungslos sah sie sich um. Nachdem ihr klar wurde, dass sie zu Hause war, ließ sie sich erst einmal wieder in ihr Kissen sinken.
Aus dem Wohnzimmer hörte sie Yasmin lachen. Erschrocken sah sie auf die Uhr. Es war schon 10 Uhr. Das bedeutete, dass Thomas aufgestanden war.
Marie war überrascht. Das hätte sie nicht erwartet. Er schien sich ja doch einiges zu Herzen genommen zu haben.
Nachdem Yasmin ja versorgt war, konnte Marie noch einmal kurz den gestrigen Abend Revue passieren lassen.
Wenn sie jetzt so zurückdachte, kam es ihr fast vor, wie ein Traum.
Hatte sie das wirklich erlebt? Kurz zweifelte sie daran. Aber dann übermannten sie die Erinnerungen an Paddys innige Küsse und seine Berührungen. Sie konnte seine Lippen spüren und die Wärme, die er ausgestrahlt hatte.
Oh, wie gerne wäre sie jetzt bei ihm. Sie wünschte sich, Paddy würde neben ihr liegen und sie könne sich jetzt in seine starken Arme fallen lassen. Doch im selben Augenblick schämte sie sich für diesen Gedanken, immerhin war es ihr Ehebett, indem sie gerade lag.
Gedankenverloren warf Marie einen Blick auf ihr Handy. Als sie den Briefumschlag in der linken Ecke des Displays entdeckte, klickte sie gespannt darauf, um nachzusehen, wer am frühen Sonntag morgen schon etwas von ihr wollte.

Guten Morgen, du verrücktes Huhn!
Hoffe, du bist nicht mehr stinkig mit mir!
Was habt ihr denn so lange da oben getrieben? 
Können wir uns später sehn? Bin ja so gespannt!!
Grüßle Sandra

Marie musste grinsen. Sandra musste platzen vor Neugierde. Nachdem Marie wusste, dass Thomas am Nachmittag noch ein Fußballspiel mit seiner Jugendmannschaft hatte, schrieb sie zurück:

Morgen Mausi!
Hab mich abgeregt, keine Sorge!
Hab dich doch lieb!
Um 15 Uhr auf dem Spieli?
Grüßle Marie

Kurze Zeit später piepste es erneut.

Geht klar, bis später :-)

Las Marie.
Das stimmte sie fröhlich. Denn Sandra war inzwischen wieder ein sehr wichtiger Teil ihres Lebens geworden, den sie nicht mehr missen wollte.

Sandra kam ihnen schon aufgeregt entgegen, als Marie und Yasmin am Nachmittag den Spielplatz erreichten.
Wie immer wurde natürlich zuerst Yasmin begrüßt. Dann fiel Sandra Marie stürmisch um den Hals. „Jetzt erzähl schon, was war das gestern für eine Aktion? Zuerst dampfst du beleidigt ab, dann verschwindet Paddy, um wenig später wieder zu kommen und seine Gitarre und Bier zu holen und erneut zu verschwinden. Und dann hört und sieht man den ganzen Abend nichts mehr von euch. Die ganze Arbeit blieb an Jessie, Marvin und mir hängen.
Da musst du aber einen guten Grund haben, dich so dreist vor der Arbeit zu drücken!" schimpfte Sandra mit einem Lächeln im Gesicht.
Marie packte Yasmins Sandspielsachen aus, die Yasmin sofort in Beschlag nahm und sich zu einem Mädchen gesellte, die gerade dabei war, einen Sandkuchen zu backen.
Marie setzte sich mit Sandra auf die Bank neben dem Sandkasten und begann zu erzählen.
Als Marie den ersten Kuss erwähnte, blieb Sandra der Mund vor Spannung offen stehen. Sie konnte kaum glauben, was Marie ihr da erzählte. Obwohl sie von Anfang an geahnt hatte, dass Marie sich unsterblich verliebt hatte, konnte sie noch nicht ganz glauben, dass Paddy es tatsächlich geschafft haben sollte, Maries engstirnige Meinung zu ändern.
Aber als Marie ihr dann weitere Einzelheiten beschrieb und es Sandra bei ihrer Erzählung eiskalt den Rücken hinunter lief, wusste sie, dass Paddy sie von seiner Liebe überzeugt hatte.
Und als sie Maries Gesichtsausdruck und ihre Augen sah, während sie alles ausführlich schilderte, konnte sie Maries Liebe und Zuneigung, die sie für Paddy empfand geradezu spüren. Als Marie damit endete, dass sie nach dem wahnsinnig innigen Kuss erschöpft und überwältigt zu Boden gegangen waren und noch hinzufügte, dass es wahnsinnig schön gewesen war, umarmte Sandra Marie voller Freude und sagte: „Ich freu mich so für dich. Ich wusste, dass ihr euch liebt. Aber trotzdem hätte ich niemals gedacht, dass ihr so übereinander herfallen würdet. Wow! Ich weiß gar nicht was ich sagen soll!"
Eine Weile beobachteten sie schweigend, wie Yasmin mit dem fremden Mädchen eine Sandburg baute.
„Und, was hat Thomas dazu gesagt?" fragte Sandra und man konnte die Sorge sehen, die ihr ins Gesicht geschrieben war.
Marie sah sie geschockt an. „Wann sagst du es ihm denn?" fragte Sandra, nachdem sie ihren Blick gedeutet hatte.
„Natürlich gar nicht!" antwortete Marie empört. „Das würde doch unsere Ehe nur noch mehr zerstören!"
„Ja, aber......" Sandra war verwirrt. Was sollte das denn bedeuten?
„Ich dachte, ...du und Paddy.......also ihr....."
„Sandra, bitte! Du darfst mit niemandem darüber reden, hörst du? Es war wirklich wahnsinnig schön Paddys Nähe und seine große Liebe zu spüren, aber das war unser absolut letzter Kuss, sozusagen ein Abschiedskuss, wenn man so will!"
„Aber Marie, das darf doch nicht dein Ernst sein! Du hast doch selber gesagt, dass du ihn liebst. Er liebt dich auch, also was soll das? Ich versteh dich nicht!"
„Hör zu, Paddy und ich haben das besprochen. Wir sind uns einig, dass wir es bei Freundschaft belassen. Thomas und Yasmin sind wichtiger als eine überstürzte Liebe!"
Marie stand auf, um Yasmin zu begleiten, die gerade dabei war, dem Mädchen zu den Schaukeln zu folgen.
Sandra blieb verständnislos sitzen und schüttelte unmerklich den Kopf. Sie hatte sich so für Marie gefreut. Das wäre die Chance für Marie, endlich wieder glücklich zu werden und sie schlug sie einfach so aus!

Marie wusste, dass Sandra das nicht verstand und manchmal verstand sie es ja selber nicht. Aber eine Ehe einfach so hinzuschmeißen, dass war nicht ihre Art. Vor allem nicht für eine Liebelei, denn mehr war es ja schließlich nicht. Sicher, sie liebte ihn irgendwie. Aber wer weiß wie lange das anhalten würde. Sie kannte ihn ja nicht einmal richtig! Und dann hätte sie dafür eine Ehe riskiert...Ausserdem stand da immer noch die Sache mit der mysteriösen Freundin im Raum. Marie hatte Paddy nicht darauf angesprochen, weil sie den Moment nicht wirklich passend gefunden hatte. Zwar konnte sie kaum glauben, dass Paddy wirklich so abgebrüht sein konnte und ihr knallhart ins Gesicht log. Dennoch blieb ein Zweifel bestehen. 

Den Rest des Nachmittags spielten sie mit Yasmin und sprachen nicht mehr viel. Das Thema Paddy blendeten sie aus. Sandra wusste, dass es keinen Sinn hatte ihr weiterhin ihre Meinung zu sagen. Marie wusste, wie sie darüber dachte und momentan konnte sie ihr nur helfen, indem sie immer für sie da war. Alles Andere musste sie selbst entscheiden. Sandra fragte sich nur, wie lange es noch dauern würde, bis Marie begriff, dass sie etwas tun musste!

Zwei Wochen später waren Marie, Thomas und Yasmin auf dem Weg zu einer Familienfeier.
Ihre Tante feierte ihren 60. Geburtstag und hatte zu diesem Anlass die ganze Familie eingeladen. Marie hatte sich sehr über die Einladung gefreut. Ihre Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins lebten in ganz Deutschland verteilt und man sah sich leider nicht sehr häufig. Viele Cousinen und Cousins hatten inzwischen auch Kinder in Yasmins Alter und die Meisten hatte Marie noch nie gesehen.

Nach einer 3stündigen Autofahrt kamen sie endlich an. Yasmin hatte die Fahrt über geschlafen und war daher sehr gut gelaunt. Auch Marie hatte gute Laune. Nur Thomas war etwas genervt von der langen Fahrt. Überhaupt war er nicht derjenige, der Familienfeiern leiden konnte.
Marie genoss den Tag sichtlich. Die bekannten Gesichter zu sehen und sich darüber auszutauschen, wie es jedem Einzelnen ging, das war fast wie früher.
Yasmin war den ganzen Tag damit beschäftigt mit den andern Kids auf dem angemieteten Gelände herumzutoben. Es war einfach herrlich. Wenn nur Thomas nicht immer so eine Miene gezogen hätte. Immer wieder fragte ihn Marie, was denn los sei, aber er brummte nur vor sich hin und fragte, wann sie denn abreisen würden. Schließlich hätten sie noch eine lange Fahrt vor sich. Aber Marie ließ sich davon nicht die Laune verderben. Sie kannte seine Laune auf Festen. Sie gab ihm zu verstehen, dass sie niemals vor 19Uhr abreisen wollte. Schließlich mussten sie am nächsten Tag beide nicht arbeiten.
Auch gab sie ihm zu verstehen, dass er mal lächeln könnte.
Nach ihrer kleinen Ansprache gab sich Thomas tatsächlich große Mühe und nahm sogar Kontakt zu ihrem Cousin auf.
Marie war zufrieden. Allerdings stimmte es sie traurig, wenn sie die anderen Pärchen sah. Sie schienen so vertraut miteinander. Ihre Lieblingscousine war sogar zum 2.Mal schwanger. Nun war sie die Einzige, die nur 1 Kind hatte und das bekam sie auch ziemlich oft zu hören an diesem Tag. Als sie zum X-ten Mal gefragt wurde, wann den Yasmin ein Geschwisterchen bekommen würde und sie zum X-ten Mal mild gelächelt und „Mal sehen" geantwortet hatte, verkroch sie sich in die Hängematte, die etwas abgelegen, zwischen zwei großen Kirschbäumen aufgehängt war.

Es war wirklich traumhaft in der Hängematte zu baumeln, dabei in den strahlend blauen Himmel zu sehen und im Hintergrund das Kreischen der Kinder zu hören. So muss das Leben sein, dachte Marie und lächelte entspannt.
Irgendwann hob jemand die Hängematte an, um sie herauszuwerfen.
Marie protestierte laut.
„Hier steckst du also", .... grinste ihr Cousin Raphael und ließ sich zu ihr in die Hängematte fallen. Mit Raphael war Marie früher sehr eng befreundet gewesen. Auch, wenn sie schon damals 2 Stunden entfernt voneinander gelebt hatten, sahen sie sich in fast jeden Schulferien und verbrachten wirklich schöne Zeiten miteinander. Raphael war ihr schon immer sehr nahe gewesen. Kein Wunder also, dass ihm sofort auffiel, dass sie anders war als sonst.
„Was ist los, Marie? Irgendetwas stimmt doch nicht mit dir. Du bist so gedankenverloren heute." Marie sah ihn an und wusste, dass sie ihn nicht anlügen konnte.
„Es ist einfach momentan nicht so leicht. Mein Leben verläuft derzeit nicht so, wie ich es geplant hatte!" gab Marie zögernd zu.
„Ach weißt du, Marie. Bei den Meisten von uns verläuft das Leben nicht nach Plan. Man muss seine Sterne immer wieder neu ordnen. Das ist die Kunst des Lebens!"
Marie wischte sich möglichst unauffällig eine Träne von der Wange.
Raphael zog sie an sich heran und drückte sie ganz fest. „Hey, meine Kleine! So kenne ich dich ja gar nicht. Du hast früher so viel gelacht!" Raphael sah sie an und fragte. „Willst du darüber reden?" Marie schüttelte den Kopf. „Danke, aber heute will ich lieber mit euch gemeinsam Spaß haben. Ich schreib dir mal, ok?"
„Ja, mach das" lächelte Raphael. Eine Weile schaukelten sie noch in der Hängematte, bis sie sich wieder unter die Verwandten mischten.














Ein Geschenk des HimmelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt