Acht

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Dilruba.
Als ich den Saal verließ, rannte ich direkt aufs Klo, wo ich mich einsperrte und kurz aufschluchzte. Doch ich versuchte mich zu beruhigen und alles runterzuschlucken. Meine Augen schließend atmete ich tief durch, bis es an der Tür klopfte und ich einen erschrockenen Schrei losließ. „Dilruba, geht es dir gut?", fragte mich Zeynels Stimme. Zeynels Stimme? Was hatte er auf dem Mädchenklo zu suchen?
"Zeynel? Was hast du auf dem Mädchenklo zu suchen?" „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht." Ich musste lächeln. Er hatte sich Sorgen um sich gemacht, so wie an dem Tag, an dem ich ihn angefahren hatte. Auf einmal umfasste mich bittere Reue, ich hatte mich ihm gegenüber ungerecht verhalten. „Kommst du da jetzt raus oder soll ich die Tür einschlagen?" Seine Worte brachten mich zum Lächeln. Doch die Reue in mir machte mir klar, dass ich nicht das Gesicht hatte, um ihm ins Gesicht zu blicken. „Kannst du mich alleine lassen?", fragte ich zögerlich. „Kann ich schon-" ich spürte Enttäuschung und kurz blieb mir die Luft weg. „-die Frage ist nur, ob ich das will." „Wie jetzt?" „Ich kann dich prinzipiell schon alleine lassen, aber ich will das nicht. Vor allem im Moment." Lange brauchte ich auf diese Worte nicht mehr fackeln und öffnete geschwind die Tür, worauf ich direkt vor ihm stand.
„Gehts?", fragte er, worauf ich lediglich nickte. „Lass uns irgendwo anders unterhalten. Das hier fühlt sich so verkehrt an", sprach er irritiert und brachte mich aufgrund seiner Blicke zum Lachen. Auch über Zeynels Lippen huschte ein kurzes Lächeln, danach zog er mich aus dem Klo, in dem er nach meiner Hand griff. Mein Herzschlag blieb mit einem Mal stehen und beschleunigte sich dann im nächsten Moment. Ob das gesund war?
Ich bezweifelte es, doch es fühlte sich so an. Zumindest auf seine eigene Art und Weise, auf eine komische und dennoch schöne Art und Weise. Während Zeynel mich führte, konnte ich mich gar nicht darauf konzentrieren, wohin es ging, da meine Blicke auf unseren verschränkten Händen lagen. An dem Hintereingang der Schule kam er dann letzlich zu stehen und sah mir tief in die Augen, der Blick aus seinen dunklen Augen war so intensiv, dass ich ihm nicht standhalten konnte, also wandte ich meinen Blick ab.
„Was hat er gesagt?", fragte er mich sanft, dennoch fordernd.
„Nichts", wisperte ich.
„Dilruba, was hat er zu dir gesagt", seine Stimme war immer noch sanft, doch machte mir klar, dass er nicht nachgeben würde. Also richtete ich meinen Blick auf und sah ihm dann tief in die Augen.
„Er hat wirklich nichts gesagt", sprach ich die Wahrheit aus. Er hatte nichts gesagt, er brauchte nichts sagen, allein seine Anwesenheit reichte vollkommen aus. „Wieso hat er dich dann so aus dem Konzept gebracht?" Die Frage war nicht wieso, sondern eher wie. Und als ich an das Wie dachte, stellten sich all meine Härchen in die Luft und ich musste innerlich erzittern. Doch natürlich war das Zeynel nicht entgangen.
„Dilruba", sprach er dann total sanft und voller Mitgefühl, was das Fass bei mir zum Überlaufen brachte. Ohne zu überlegen klammerte ich mich an ihn und fing an zu schluchzen, um so das Gift in mir frei zulassen, damit es mich nicht vergiftete. Zeynel zog mich direkt fest in seine Arme und ließ mich seine Geborgenheit spüren. Als ich mich nicht beruhigte, legte er seufzend sein Kinn auf meinem Kopf ab, so dass er mir nun noch näher war.
„Shht beruhige dich", wisperte er mir dann zu. Als ich merkte, wie gut es tat seine Stimme zu hören, klammerte ich mich enger an ihn, worauf er mich anscheinend verstanden hatte und anfing zu reden. Ich konnte nicht wirklich wahrnehmen, was er da sagte, doch allein seine Stimme zu hören beruhigte mich extrem. Nach einer Weile wurde mein Griff um ihn lockerer und ich versuchte mich vorsichtig von ihm zu trennen, doch Zeynels Arme lagen immer noch um mich, weswegen ich hoch zu ihm schaute.
Er öffnete seinen Mund, doch schloss ihn dann wieder mit einem Lächeln und gab mich langsam frei. Sein Lächeln ließ auch mich lächeln, worauf Zeynels Lächeln nur noch größer wurde.
„Wieso lächelst du so?", fragte ich dann meinen Kopf leicht schief legend, was ihn nur noch mehr zum Lächeln brachte.
„Hey, ich rede mit dir!" Diesmal lachte er kurz auf und dieser Anblick und Klang waren einfach wunderschön, weswegen auch ich leise lachen musste.
„Deswegen", erklärte er mir, doch ich verstand nichts.
„Weswegen?", fragte ich deswegen verständnislos.
„Weil du jetzt auch gelacht hast." Unwillkürlich zogen sich meine Lippen zu einem Lächeln. Genau in dem Moment klingelte es zur Pause.
„Wollen wir zu den anderen gehen?", fragte Zeynel mich, weswegen ich zurückhaltend nickte. Es würde komisch sein in ihrer Gruppe zu sein, da ich dort nicht wirklich einen Platz hatte. Doch meine Freunde waren nicht da, sie hatten die Sache mit dem Feiern am Wochenende mal wieder etwas übertrieben und schwänzten deswegen eine Klausur.

Binjak⚓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt