Neunzehn - Teil I

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Dilruba.
Zuhause angekommen, lief ich direkt auf Boncuk zu, weil er der Einzige war, bei dem ich meinen Schmerz rauslassen konnte, ohne zu sprechen.
Unser Husky lief erfreut auf mich zu, doch je näher er kam, sank auch seine Laune. Er spürte es. Spürte, dass es mir nicht gut ging und fühlte mit mir. Vielleicht war ich genau aus diesem Grund zu ihm gekommen, weil ich Mitgefühl brauchte und kein Mitleid.

"Danke, dass es dich gibt", flüsterte ich dem Husky, mit den schönen Augen zu, während ich meinen Kopf in seinem Fell begrub. Kurz jaulte er auf, weswegen ich mich lachend von ihm trennte.
"Mach dir keine Sorgen um mich, Boncuk. Ich büße nur für meine Dummheit", sprach ich schulterzuckend. Der Husky fing an mein Gesicht abzuschlecken, weswegen ich auflachen musste. Ihn knuddelnd drückte ich ihm noch einen Kuss auf den Kopf, worauf er freudig mit dem Schwanz wedelte und ich lächeln musste.

Im Haus angekommen, ging ich erstmal warm duschen, in der Hoffnung, dass es mich beruhigen würde. Es half, doch sorgte es auch dafür, dass meine Tränen flossen. Zeynels Blicke waren hart gewesen, verletzt. Ob ich Zeynel nun endgültig verloren hatte? Dieser Gedanke sorgte dafür, dass mir jeglicher Halt entglitt, weswegen ich mich auf dem Boden niederließ, meine Beine an mich zog und meinem Schmerz freien Lauf ließ.

Angezogen und mit noch nassen Haaren stand ich in Dilays Zimmer, wartete, dass sie kam. Irgendwann legte ich mich müde in ihr Bett und schloss meine Augen.

Schreiend und weinend wachte ich aus meinem Albtraum auf. Auf dem Bett zog ich meine Beine an meinen Körper, schlang meine Arme um diese und legte meinen Kopf auf meinen Beinen ab. Zusammengekauert schluchzte ich und wartete, bis die bedrängenden Gefühle in mir verschwanden.

Während ich so wartete, hörte ich mit einem Mal die Stimme von Dilay nach mir rufen. Mein Kopf schnellte in die Höhe und als ich meine Zwillingsschwester wirklich vor mir erblickte, erfasste mich eine innere Ruhe.
Dilay lief eilig zu mir und umschloss mich dann in ihre Arme, worauf auch ich meine Arme um sie schloss.

"Hast du es gespürt?", fragte ich Dilay, während wir beide in ihrem Bett lagen und ich mich wieder beruhigt hatte. Die Antwort auf diese Frage wusste ich und sie nickte mir bestätigend mit dem Kopf.
"Dilay, ich muss dir etwas beichten." Fragend sah sie mich an.
"Ich habe dein Handy genommen und von da aus Zeynel eine Nachricht geschrieben, damit wir uns treffen. Auf meine Nachricht hätte er nicht reagiert. Es tut mir leid wirklich, aber ich war so verzweifelt."
Sie gab mir einen Kuss auf die Wange.
"Alles gut, mach dir keinen Kopf darum. Das Gespräch ist nicht gut gelaufen?", fragte sie mich.
"Musst du mich so gut kennen?"
"Du bist meine Zwillingsschwester. Hast du deswegen so schlecht geträumt?"
"Nein, es war ein reiner Wirrwarr." Sie öffnete ihren Mund, wollte wissen was ich ihr verschwieg, doch schloss ihn dann wieder.

"Warst du bei Besim?", wechselte ich das Thema gekonnt -auffällig. Ich sah wie ihre Augen bei der Frage aufleuchteten.
"Was ist bei ihm passiert?", fragte ich aufgeregt, weswegen sie lachen musste.
"Ich glaube, also so wie es jetzt scheint, sind wir ein Paar." Voller Freude quiekte ich auf und bevor ich anfangen konnte etwas zu sagen, hörten wir Erdinçs Stimme. Unser älterer Bruder stand an der Tür.
"Wenn ihr schon laut sein wollt, dann schließt die Tür. Wenn nicht dann seid leise, denn es ist für euch kaum zu glauben, aber es gibt Leute in diesem Haus, die schlafen oder lernen wollen. Beides würde ich euch auch empfehlen." Dilay verdrehte ihre Augen, weswegen ich kichern musste.
"Wenn du fertig bist Herr Oberschlau, kannst du jetzt die Tür schließen und gehen."
"Natürlich Frau Ich-habe-immer-zu-allem-etwas-zu-sagen", entgegnete dieser, wünschte uns noch eine gute Nacht und schloss dann die Tür hinter sich.

Nachdem Erdinç weg war, sah ich mit einem Grinsen zu Dilay, doch merkte, dass sie nicht so glücklich war, wie sie sollte.
"Willst du es mir erzählen?", fragte ich sie vorsichtig, worauf sie aufseufzte.
"Ich weiß nicht, ich bin so verwirrt."
"Weswegen?" Dilay schwieg.
"Wegen der Sache mit Besim?", fragte ich vorsichtig.
"Ja", sagte sie und drückte ein quadratisches Kissen -welches normalerweise zur Verzierung diente- gegen ihr Gesicht. Anstelle meine Zwillingsschwester zu bedrängen, wartete ich, denn ich wusste, wenn Dilay angefangen hatte zu sprechen, würde sie es zu Ende bringen. Doch sie brauchte einfach nur etwas Zeit.

Wütend warf sie mein Kissen weg und sah dann verzweifelt zu mir.
"Das bin ich nicht. Ich zerbreche mir nicht wegen irgendwas den Kopf. Wenn ich etwas ändern kann, dann tue ich es und wenn nicht, dann ist es mir egal. Aber diese Situation ist so-" sie atmete tief durch und suchte nach dem richtigen Wort.
"Verzwickt?", fragte ich voller Vorsicht nach, weswegen sie direkt heftig nickte.
"Das ist es! Verzwickt! Ich will Besim nicht verlieren. Aber das werde ich, wenn ich seine Gefühle nicht erwidere. Aber meine Gefühle ihm gegenüber sind nicht so stark."
"Sicher? Vielleicht gestehst du es dir auch nur nicht ein?"
"Ach keine Ahnung, Dilruba! Ich sehe nur in seinen Augen wie stark diese Gefühle sind und habe Angst." Sie fing an zu lachen. "Ich", sie deutete auf sich. "Ich habe Angst. Kannst du dir das vorstellen?" Ja, das konnte ich, denn egal was für eine ehrliche Art Dilay an sich hatte, wusste ich, dass sie sich eigentlich davor scheute Menschen wirklich wehzutun. Sie verwendete ihr großes Mundwerk nicht um jemanden damit zu verletzen, sondern lediglich, um zu ihrer Meinung zu stehen.

"Hör auf meine Gedanken zu lesen."
"Du weißt, dass ich nichts dafür kann", sprach ich schulterzuckend.
"Also Besims Blicke sind so tief, dass ich mich frage, wieso ich es davor nicht gesehen habe?"
Meine Augenbraue glitt in die Höhe.
"Ist ja okay, ich weiß, dass ich es nicht sehen wollte und es deswegen nicht gesehen habe."
"Bakmak ama görememek (Schauen, aber nicht sehen können)", sprach ich.
"Görmek istememek (Es nicht sehen wollen)", korrigierte sie mich, weswegen ich lächeln musste.
"Ich weiß nicht mal, ob ich es schaffe seiner Liebe gerecht zu werden. Das ist alles so ekelhaft gerade. Ich weiß nicht mal, wie ich mich verhalten soll. Es fühlt sich alles so komisch an. Ihn zu küssen kommt mir so verkehrt vor, sogar ihn zu umarmen fühlt sich komisch an, weil ich weiß, dass er mehr fühlt. Ich weiß echt nicht, Ruba." Als sie meinem Spitznamen -den mir Bartu als kleines Kind gegeben hatte, weil ihm Dilruba zu lang war- verwendete, musste ich lächeln.
"Doch, du weißt es ganz genau, Lay", auch ich verwendete ihren Spitznamen und merkte in diesem Moment, dass unser jüngerer Bruder eindeutig verrückt war. Verrückt, aber süß.
Wir sahen uns beide an und prusteteten mit einem Mal los, weil diese Situation so absurd war.

Nachdem wir uns beruhigt hatten, griff Dilay nach meiner Hand und legte ihren Kopf auf meiner Schulter ab -so hatten wir als kleine Kinder immer geschlafen.
"Ich will nicht nachdenken", murmelte sie.
"Dann tu es nicht", flüsterte ich.
Sie seufzte, schloss ihre Augen und kurz darauf wurde ihr Atem auch schon gleichmäßiger und flacher, was mich innerlich lachen ließ. Egal wie groß Dilays Problem war -zumindest für sie-, sie konnte trotz allem in aller Seelenruhe schlafen, etwas was ich bis heute bewunderte.
"Gute Nacht Zwillingsschwester", flüsterte ich ihr zu und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel.

Es ist sehr kurz, ich weiß, aber ich hasse es euch warten zu lassen. Sieht es als kleine Entschädigung.
Hoffentlich hattet ihr viel Spaß beim Lesen meine lieben Zuckermenschen! ❤
P.S: ich bin weiterhin auch auf Snapchat (👻: hayalimdin1905) erreichbar.

Eure Verâ ♡

Binjak⚓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt