Zwölf

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Dilruba.
Als Zeynel das Klassenzimmer betrat, fanden seine Augen meine, worauf er anfing zu lächeln und auch mir ein Lächeln damit ins Gesicht verzauberte.
Er wollte einen Schritt in meine Richtung machen, doch hielt inne, als er bemerkte, dass meine Freunde bei mir saßen.
Oder ich bei ihnen.
Sein Gesicht nahm einen harten Zug an, doch dann hoben sich seine Mundwinkel in die Höhe. Es war ein Lächeln. Ein bitteres Lächeln. Danach schüttelte er seinen Kopf und lief zu seinen Freunden, während ich hart schluckte.

"Hat der Angst, dass wir ihn auffressen oder wieso diese Geste?", fragte Funda verächtlich.
Nichts konnte ich sagen, nichts erwidern, ihn nicht ihn Schutz nehmen, weil seine Geste mich so sehr getroffen hatte, dass ich zu sehr damit beschäftigt war meine Tränen zurückzuhalten. Erst gestern war er so liebevoll gewesen.

"Also wenn das immer so weiter gehen wird, dass er mal gut zu dir ist, mal schlecht, dann überleg dir das am Besten nochmal", kam es von Funda, weswegen ich meinen Blick zu ihr drehte. Sagte das gerade wirklich ein Mädchen zu mir, welches von ihrem Freund schon zum vierten Mal betrogen wurde?
Funda musste meinen Blick vermutlich gedeutet haben.
"Ich denke nur an dich, Dilruba. Ich will, dass du glücklich bist. Er will von dir, dass du dich veränderst, deine Freunde hinter dir lässt. Doch wahre Liebe baut doch darauf auf, dass man sein Gegenüber mit allem akzeptiert." Auf diese Worte schwieg ich.

Während dem Unterricht glitten meine Blicke immer wieder zu Zeynel, welcher mir jedoch keinen einzigen Blick würdigte.

Nachdem es zur Pause klingelte, sprintete ich aus dem Klassenzimmer zu den Toiletten, wo ich mich dort einsperrte und kurz laut aufschluchzte.
Es herrschte ein reines Chaos in meinem Kopf, ich hatte das Gefühl mein Leben nicht mehr im Griff zu haben. Niemandem gerecht zu werden. Ich verlor mich selber, verlor mich in allem, was geschah. In dem Schmerz, in der Veränderung.
Erschöpft lehnte ich meinen Hinterkopf an die Klotür.

Jeder hatte irgendwelche Erwartungen an mich, während ich lediglich das Gefühl hatte keiner dieser Erwartungen erfüllen zu können. Ich scheiterte, scheiterte kläglich in allem, was ich tat.

"Dilruba?", hörte ich Vesnas Stimme, worauf ich mir die Tränen aus dem Gesicht wischte und aus der Kabine trat. Mit traurigen Augen musterte sie mich und zog mich dann in ihre Arme.
"Danke", wisperte ich leise, denn das hatte ich gerade so nötig gehabt.

Nachdem ich mich endgültig beruhigt hatte, liefen wir auf den Pausenhof, wo Sherin und Funda schon standen.

"Dich würdigt er keines Blickes, aber dafür deine Zwillingsschwester", sprach Sherin geradeaus schauend. Auch ich schaute in diese Richtung und das, was ich da sah, raubte mir die Luft in den Lungen.
Zeynel und Dilay standen da beieinander, Dilays Hand lag auf Zeynels Oberarm. Meine Schwester war im Umgang mit Jungs locker, diese Gesten hatten bei ihr keine körperliche, sondern rein freundschaftliche Bedeutungen, das wusste ich.
Dennoch setzte es mir zu. Es schmerzte. Ich wusste nicht auf wen meine Wut größer war. Zeynel oder doch Dilay?

Dilay sagte irgendwas, weswegen Zeynel anfing zu lachen und sie ihm dann zuzwinkerte. Woher kam dieses Feuer, dass man in meinen Lungen entfacht hatte?
Da mir die Tränen in die Augen stiegen, wollte ich gehen, doch jemand hielt mich an meinem Handgelenk zurück.
"Du willst doch jetzt nicht Schwäche zeigen?", ertönte Fundas harte Stimme.
Nein, das wollte ich nicht. Als Dilay ihren Blick hob, begegnete sie meinem. Voller Zorn sah ich mein Duplikat an. Ihre Brauen zogen sich zusammen, doch ich wandte meinen Blick voller Verachtung ab.

Die Zeit nach der Pause hatte ich weder Zeynel noch Dilay eines Blickes gewürdigt. Damit ich auf andere Gedanken kam, gingen wir mit den Mädels nach der Schule in ein Café.
Vor Frust ließ ich meine Vernunft beiseite und fing wie die Mädels auch an zu rauchen. Drei Zigaretten hatte ich in dieser Zeit geraucht und dann auch noch Vesnas Packung mitgenommen. Es waren nur noch zwei Kippen drin und sie hatte es mir angeboten. 'Falls du es brauchen solltest, um dich zu beruhigen', hatte sie gesagt und ich hatte es angenommen.

Binjak⚓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt