Dilruba.
Am Montag wurden wir per Zufall in Partnerarbeit aufgeteilt. Zu meinem Glück -oder auch Pech, das wusste ich noch nicht- war mein Partner Zeynel.
Sein Gesichtsausdruck war fernab von jeglichen Emotionen. Er schaute leer und das gefiel mir ganz und gar nicht. Doch was für ein Recht hatte ich dagegen zu streiken?
Anders hatte ich es mir nicht verdient.
Wir sollten erst den Text lesen und ihn dann besprechen.„Notwendigerweise ist die Liebe früher als der Haß, und notwendigerweise wird
nichts gehaßt, wenn nicht dadurch, daß es dem mit dem Geliebten Übereinstimmenden entgegengesetzt wird. Und demgemäß gilt, daß jeglicher Haß durchLiebe verursacht wird.", hatte Thomas von Aquin geschrieben. Ob Zeynel mich nun hasste?Da mir diese Zeilen ganz besonders gefielen und ich sie markieren wollte, streckte ich mich zu meinem Mäppchen, damit ich einen Textmarker rausholen konnte.
Da Zeynel einfach nur neben mir saß und sich nicht regte, fragte ich ihn, ob er auch einen brauchte. Da ich keine Antwort erhielt, blickte ich fragend zu ihm, doch seine Augen hatten lediglich meine Handgelenke fokussiert, die heute schlimmer aussahen als gestern. Doch der Schmerz hatte zumindest etwas nachgelassen.
Vorsichtig -als ob das nicht auffallen würde- zog ich meine Ärmel über meine Handgelenke, Zeynels intensive Blicke drehten sich zu mir. Kurz machte er den Anschein, als ob er etwas sagen wollen würde. Kurz, nur ganz kurz, so dass ich mir nicht wirklich sicher war, ob ich es mir einbildete oder ob er wirklich etwas hatte sagen wollen.Unsere Partnerarbeit verlief nicht sonderlich produktiv, weswegen ich jedoch nicht wütend auf Zeynel sein konnte, schließlich hatte ich das nicht anders verdient.
Sobald die Stunde zu Ende ging, war Zeynel auch schon verschwunden, ich packte meine Sachen zusammen und ließ mich dann erschöpft auf meinem Stuhl sacken.
"Geht's dir gut?", hörte ich dann die Stimme von Dilay mich fragen, weswegen ich sie mit einem Lächeln beschenkte.
"Flieht Besim immer noch vor deiner Wut?", fragte ich sie, doch sie seufzte nur.
"Es scheint mehr als nur das zu sein."
"Wie meinst du das?"
"Er war am Wochenende nicht arbeiten, hat sich aber auch nicht krank gemeldet. Deniz meinte, dass er an seine Anrufe nicht rangeht und ihn von der Tür verscheucht hätte", sprach sie ihre Augenbrauen kreuzend.
"Du machst dir Sorgen um ihn", stellte ich fest, worauf sie mit den Schultern zuckte.
"Das ist nicht seine Art. Normalerweise nimmt er alles auf die lockere Schulter."
Kurz biss ich mir auf die Lippe, weil ich mir die Härte meiner Tat erst neu bewusst wurde."Wieso gehst du nicht einfach zu ihm?"
"Soll ich mich dann auch noch von ihm entschuldigen, weil ich im Recht war? Soll er seine Tat ruhig noch etwas bereuen."
Ich überlegte, ob ich Dilay sagen sollte, dass Besim mehr empfand, doch konnte weder ihre noch seine Reaktion darauf einschätzen, weswegen ich es dabei beließ.
"Komm, wir sind schon zu spät", forderte sie mich auf, seufzend erhob ich mich und schlenderte mit ihr zur Tür.Als wir aus dem Klassenzimmer traten, sah ich Zeynel, welcher sich an die Wand gelehnt hatte. Da er uns sah, richtete er sich auf und war mit zwei Schritten bei uns.
"Wer war das?", lautete seine Frage, während sein Kinn auf meine Handgelenke deutete. Hart schluckte ich. Wusste nicht, was ich antworten sollte.
"Ich muss zum Unterricht", kam es von Dilay, welche einen Abgang machte.
Ach und wir nicht?, dachte ich mir kurz, biz mich Zeynels Stimme wieder in die Realität holte."Ich habe dich etwas gefragt, Dilruba."
"Ist das denn so wichtig Zeynel?"
"Ja ist es."
"Wieso interessiert dich das so sehr?"
Wütend atmete er durch und fuhr sich durchs Haar.
"Ich hätte auch einfach Dilay fragen können, aber habe es bevorzugt dich zu fragen. Wirst du antworten? Ja oder nein?"
"Tolun", kam es über meine Lippen.
"Tolun?", hakte er fragend nach.
"Vesnas Freund", entgegnete ich nickend.
"Wieso?"
"Vesna lag wegen ihm im Krankenhaus und dann habe ich ihn zur Rechenschaft gezogen. Deswegen."
Sein Kiefer war angespannt und als meine Augen zu seinen Händen glitten, merkte ich durch seine geballten Fäuste, dass nicht nur sein Kiefer, sondern sein ganzer Körper angespannt war.
Er drehte mir mit einem Mal den Rücken zu und ging einfach.
"Zeynel!", rief ich ihm nach. Er blieb stehen, doch drehte sich nicht zu mir.
"Können wir reden?"
"Über deine tolle Beziehung?", fragte er voller Verachtung, bevor ich etwas erwidern konnte, fing er erneut an zu laufen, weswegen ich es dabei beließ.
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Binjak⚓
Teen Fiction"Shared Dreaming" ein Phänomen, welches die Wissenschaft noch nicht untersucht hat. Doch Dilay und Dilruba können darauf schwören. Denn die Zwillinge hatten so oft denselben Traum. So oft, dass sie es irgendwann sein lassen haben mit zuzählen. Obwoh...