Dilruba.
Nachdem ich geklingelt hatte, öffnete mir Vesna die Tür und fiel mir direkt um den Hals.
„Danke, dass du gekommen bist", sprach sie total aufgebracht. Es wunderte mich, ihre Art, ihr Auftreten. Das perfekt geschminkte Mädchen war verschwunden und vor mir stand ein zersaustes Mädchen.
Dunkle Augenringe, gerötete Augen, angeschwollene Tränensäcke, unordentliches Haar, Klamotten, die nicht zueinander passten. Was war hier los?„Vesna, was ist?", fragte ich sie besorgt, worauf sie den Kopf schüttelte.
„Komm, ich erzähle es dir oben." Stumm folgte ich in ihr Zimmer.„Wir waren ja am Wochenende im Club?" Ich nickte, während sich das schlechte Bauchgefühl in mir verstärkte.
„Du warst, aber am Samstag nicht da." Sie nickte zitternd. „Vesna, was ist passiert?" Tief durchatmend fuhr sie sich durch das Haar und fing an zu erzählen.
„Am Freitag war Tolun mit seinen Freunden in der Shisha-Bar, sie kamen erst später dazu. Und bevor sie kamen, habe ich den Jungen aus dem Dessous-Geschäft getroffen." Meine Augen wurden groß und das mulmige Gefühl in mir stieg.
"Er war mit seinen Freunden da, weswegen er mir nur von weitem zugenickt hat." "Vesna-" "-Bitte hör mir zu." Ich nickte.
"Auf jeden Fall kam dann auch Tolun mit seinem Freunden dazu, du weißt, wie er neben ihnen ist." Das größte Arschloch überhaupt. Ein frauenverachtendes Schwein. Ein ehrenloser Dreckskerl.Sie atmete tief durch.
"Einer seiner Freunde hat dann ein Kommentar von sich gegeben, was mir gezeigt hat, dass Tolun von unserem Wochenende zuvor erzählt haben musste. Aber er hatte ihnen zu viel erzählt, da waren Dinge dabei... Ich meine, sie müssen doch nicht wissen, wie es bei uns im Bett läuft?" Meine Augen wurden groß und ich verdeckte vor Scham mein Gesicht mit meinen Händen.
Wieso? Wieso?, stellte ich mir immer wieder die Frage. Wieso war man so? Wieso führte man eine Beziehung mit so einem Menschen?"Das hat mich zur Weißglut getrieben, weswegen ich ihn aus dem Club gezerrt habe. Wir haben gestritten, aber er wollte seine Schuld einfach nicht einsehen. Und dann- dann ist er einfach gegangen. Hat mich mitten in der Nacht ganz alleine draußen stehen lassen. Einfach hinter dem Club!" Sie lachte verbittert auf. Wieso? Wieso tat man sich das an? Wieso war man sich selber so wenig wert?
"Dann kam dieser Junge eben, er hatte unseren Streit anscheinend mitbekommen, er hat mich nach Hause gefahren, hat mich die Fahrt über getröstet." Sie seufzte, während ich die Luft anhielt.
"Seine Nummer hatte ich weggeschmissen, also sie war in dem Mülleimer meines Zimmers, habe es dann rausgesucht und ihm am nächsten Tag geschrieben, um mich zu bedanken. Er stand dann eine Stunde später vor meiner Tür mit Schokolade in der Hand, sorgt ja bekanntlich für Glückshormone. Meine Eltern waren nicht da, also habe ich ihn reingebeten. Und dann-dann-" "-mach Schluss", unterbrach ich sie, weswegen sie mich verständnislos ansah.
"Du hast einen Fehler gemacht, eine Entscheidung getroffen, indem du Tolun betrogen hast. Mach einfach Schluss. Eure Beziehung beruht nicht auf gegenseitigen Respekt, auf Vertrauen und Zuneigung. Beende es einfach."
"Dilruba, ich kann nicht."
"Du kannst nicht? Wieso? Willst du dir das weiterhin gefallen lassen? Minderwertig behandelt werden? Wieso hast du ihn betrogen? Weil dieser Junge, dir Zuneigung geschenkt hat." Sie senkte ihren Kopf.
"Ich habe gemerkt, wie sehr mir das gefehlt hat, wie sehr ich das gebraucht und vermisst habe. Einfach zu wissen, dass sich jemand wirklich um einen sorgt und nicht nur dann ankommt, wenn er sich befriedigen muss", sprach sie mit gesenktem Kopf, weswegen ihr dir Tränen runterliefen."Ehrlich Vesna, ihr habt keine gesunde Beziehung, ihr habt gar keine Beziehung. Das was du gemacht hast, war so falsch und egal was für ein Dreckskerl Tolun auch ist, niemand verdient es betrogen zu werden. Eure Beziehung hat keinen Sinn, beende sie einfach."
"Ich kann nicht."
"Wie du kannst nicht? Wieso?"
"Er würde es nicht verstehen, würde versuchen herauszufinden, wieso ich Schluss mache." Ich wusste, dass Vesna ihm niemals ihren Fehler beichten könnte, denn Tolun war ein richtiger Psychopath. Er würde Vesna dafür wahrscheinlich umbringen.Aufgrund eines Eifersuchtsanfalls -wobei Vesna nicht im geringsten die Schuld getragen hatte, sie hatte nichts getan, wurde lediglich angemacht, doch war nicht mal darauf eingegangen. Trotzdem. Trotzdem hatte Tolun sie dafür "büßen" lassen.
Mit einer aufgeplatzten Lippe.
Und das war nicht das erste Mal gewesen, doch Vesna hatte immer darüber geschwiegen, immer Ausreden gefunden. Ich hatte es nie verstanden, tat es bis heute nicht.Anfangs war sie an ihm gebunden, hatte ihm ihre Jungfräulichkeit geschenkt, was sie extrem an ihn gebunden hatte, doch das war nichts, was er verdiente. Sie hatte wirklich aus Liebe zu ihm alles mit sich machen lassen. Irgendwann war aber diese Liebe verflogen und hatte der Angst Platz gemacht. Dabei ging es Tolun nie um Vesna, sondern einfach nur um seine widerlichen männlichen Triebe.
Vesna war ein ziemlich hübsches Mädchen, ungeschminkt noch hübscher als geschminkt, aber er hatte sie gerne als Puppe bei sich. Er gab förmlich mit ihr an. Es war so widerlich. Anstelle, dass er sie vor den Blicken anderer schützte, präsentierte er sie stolz -worauf auch immer- ihnen. Und wenn jemand einen dummen Spruch abließ, ließ er Vesna dafür bezahlen."Was soll ich nur machen?", fragte sie mich total verzweifelt. Genau in dem Moment gab ihr Handy einen Ton von sich, da es auf dem Bett lag, hatten wir beide einen Blick auf die Nachricht.
>Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt bei dir melde, aber ich musste einige Sachen in mir klären. Habe die Beziehung zu meiner Freundin beendet...< der weitere Verlauf war nicht zu sehen, weswegen sie auf die Nachricht ging.
>Es lief seit langem nicht mehr so, wie es sollte und das hat mir mein Fehler bewusst gemacht. Verstehe mich nicht falsch, ich sehe das, was zwischen uns gelaufen ist nicht als Fehler, dennoch war es falsch, weil wir beide in einer Beziehung waren. Wenn du demnächst Zeit hättest, würde ich mich über ein Treffen freuen.< Vesna schluchzte laut auf."Vesna, egal ob du dich für oder gegen Tolun entscheidest. Auch dieser Junge ist nicht der Richtige. Wer einmal betrügt, tut es auch ein weiteres Mal."
Sie sah mich schmerzerfüllt an und nickte dann tief durchatmend. Ich wusste, dass sie die Aufmerksamkeit, die Rücksicht und Zuneigung des Jungens gerade genoss, aber es war falsch, er war falsch.
"Versetz dich in die Lage seiner Freundin, das hat sie nicht verdient, das ist nicht fair. Allein als er dich beim Shoppen angemacht hat, war das doch schon verdächtig, falsch."Da ich merkte, dass Vesna nur Schaden davon trug, lenkte ich das Gesprächsthema wo anders hin, in der Hoffnung, dass sie auf meine Worte hören würde.
Nachdem wir uns ziemlich lange unterhalten hatten, ging ich wieder nach Hause. Doch diese ganze Geschichte beschäftigte mich auf dem Heimweg extrem.
Vesna war bis vor einem Jahr noch ein komplett anderer Mensch gewesen, hatte sich nie geschminkt -was sie auch nicht nötig hatte-, hielt sich eher im Hintergrund auf. Auch mit Dilay hatte sie sich damals gut verstanden. Sie waren nicht wirklich Freunde, aber waren Mitschüler, die sich gut verstanden. Bis sie auf Funda und Sherin traf und diese sie aufnahmen. Ab diesem Zeitpunkt fing sie an sich rasant zu verändern. Hatte ihre wahre Identität abgelegt und eine Scheinidentität angenommen, doch jetzt war sie mehr als nur unglücklich.
Ich versprach mir selber, dass mir das nicht passieren würde. Sollte. Durfte.Once a cheater, always a cheater.
Ein kurzes Kapitel, weil ich euch nicht noch länger warten lassen will. Es tut mir echt leid für die längeren Wartezeiten derzeit! Aber glaubt mir; ich setze mich immer dann, wenn es möglich ist an die Geschichte und versuche an ihr zu schreiben.
Hoffentlich hattet ihr viel Spaß beim Lesen meine lieben Zuckermenschen! ❤Eure Verâ ♡
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Binjak⚓
Teen Fiction"Shared Dreaming" ein Phänomen, welches die Wissenschaft noch nicht untersucht hat. Doch Dilay und Dilruba können darauf schwören. Denn die Zwillinge hatten so oft denselben Traum. So oft, dass sie es irgendwann sein lassen haben mit zuzählen. Obwoh...