Neunzehn - Teil II

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Dilay.
Besim hatte meine Hand fest umgriffen, während wir zu den Jungs liefen. Ich sah Daniels fettes Grinsen schon von Weitem und musste deswegen meine Augen rollen. Meine Blicke glitten zu Besim, welcher mir zuzwinkerte. Normalerweise hätte ich ihm jetzt ein Grinsen geschenkt. Normalerweise. Aber irgendwie war im Moment nichts normal. Irgendwie stand meine Welt Kopf. Und irgendwie war das zwischen uns komisch. Komisch störend.

"Na, seid ihr jetzt endlich als Paar unterwegs?", fragte uns Daniel, weswegen meine Augen groß wurden und er lachen musste.
"Woher-", ich unterbrach mich selber und sah dann zu Besim, welcher mich versuchte unschuldig anzulächeln. Meine Augen verdrehend löste ich unsere Hände. Das hier engte mich ein. Es war verrückt, aber Besims Liebe engte mich ein.
War Liebe nicht ein schönes Gefühl? Wieso engte es mich dann ein?
Dabei wusste ich genau, es hatte nichts mit Besims Gefühlen zu tun, nichts mit seiner Liebe. Es war verdammt klischeehaft, aber nicht er war das Problem, sondern ich. Ich wusste immer noch nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. Ich wusste nicht, wie meine Gefühle standen. Wusste nicht, ob sie überhaupt so stark und tiefgründig waren, dass sie Besims Gefühlen gerecht wurden. Ich wusste gar nichts.
Daniel legte einen Arm um meine Schulter und zog mich zu sich, während Besim ihn mit nur einer gehobenen Braue musterte und dann grinste.
"Zieht bei mir nicht. Oder zumindest nicht, wenn du der Junge bist, versuchs erst gar nicht." Das zu hören beruhigte mich. Es war also alles normal zwischen uns. Alles normal zwischen den Jungs, Besim und mir. Es würde sich nichts ändern. Zumindest solange ich mich zusammenriss.

Die Woche verlief damit, dass ich regelrecht vor Besim floh, was echt krank war. Doch solange ich meinen Gefühlen nicht im Klaren war, konnte ich nicht so tun, als ob alles in Ordnung sei. Ich musste mich selber erst sortieren. Doch wusste ich auch ganz genau, dass all das Besim auffiel. Wie auch nicht, wenn er mich besser als ich selbst kannte?
Und ich wusste, es tat ihm nicht gut, dass ich vor ihm floh. Er wirkte müder, gedankenverloren. Dennoch ließ er es unkommentiert, tat so, als ob er nichts bemerkte. Dabei wusste ich es besser, wusste, dass mein Verhalten ihm schadete und seins mir wiederum wehtat. Wir wussten beide, dass wir uns durch unser Verhalten nicht gut taten, dennoch handelte niemand von uns. Aus Angst, dass das alles schlimmer machen konnte.
Es fühlte sich so an, als ob wir beide auf einem kleinen Holzboot saßen, beide mit einer Axt in der Hand. Abwechselnd ließen wir unsere Axt auf dem Holz nieder. Wir würden bitterlich untergehen, doch niemand von uns war bereit aufzuhören.

Eine Hand legte sich um meine Taille und zog mich eng an sich, ich brauchte nicht zu der Person schauen, spürte, wer es war.
"Kommst du heute Abend mit mir zur Arbeit?", flüsterte Besim in mein Ohr.
Bevor ich zu ihm sah, blickte ich auf und begegnete Fundas stechendem Blick auf mir, welche am anderen Ende der Turnhalle stand. Mit ihren viel zu knappen Shorts und dem viel zu kurzen Top, welcher ihren Bauch freigab, fragte ich mich, was sie bezweckte. Danach fiel mein Blick auf meine Schwester, welche gedankenverloren zu Zeynel sah. Als mein Blick zu Zeynel glitt, wollte ich tief seufzen. Er mied jeden von uns. Ich wusste, dass er mich lediglich mied, weil er verletzt war und ich ihn zu sehr an Dilruba erinnerte, weswegen ich ihm nicht wütend sein konnte. Doch ich wollte etwas für ihn tun. Ihm irgendwie gut tun, denn es tat echt weh ihn so zu sehen.

"Zemer", hauchte Besim in mein Ohr.
"Hmm?", sprach ich zu ihm aufsehend.
"Wirst du mitkommen?", fragte er mich, während ich etwas sah in Besims Augen, das ich nicht deuten konnte. Deuten wollte.
"Ich kläre das Zuhause ab und gebe dir dann Bescheid, okay?"
Besim nickte und führte sein Gesicht nah an meins, wo er mir einen Kuss auf die Wange gab. Früher war das kein Problem gewesen, doch jetzt war es das. Denn es lag so viel mehr in seinem Kuss. So viel mehr, was ich raus spüren konnte und all diese Gefühle in ihm machten mir Angst. Unsere Augen trafen sich und wir ließen sie miteinander sprechen. Das was wir mit Worten klären mussten, ließen wir unsere Augen besprechen. Wissend, dass das nichts bringen würde. Denn dieses Schweigen tat uns nur noch mehr weh, verletzte uns nur noch mehr. 

Binjak⚓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt