Sechzehn

849 106 138
                                    

Dilay.
Nachdem ich Dilruba aus meinem Zimmer geschmissen hatte, klopfte es an der Tür. Es war nicht sonderlich schwer zu erraten, wer davor stand.
"Nein", rief ich also.
"Das interessiert mich nicht, ich habe nur geklopft, damit du Bescheid weißt, dass ich komme, nicht um Erlaubnis zu bitten", sprach mein Bruder, als er im Zimmer stand.
Vermutlich war Bartu bei Dilruba, während Erdinç in meinem Zimmer stand. Es war schon immer so gewesen. Erdinç und ich hatten schon immer ein besseres Verhältnis, so wie Bartu und Dilruba. Es ging nicht darum, wer wen mehr liebte, sondern wer wen besser verstand.

Obwohl man das Erdinç -heute- nicht anmerkte, war er zu seiner Schulzeit auch ein Rebell gewesen. Ich brauchte vermutlich nicht erwähnen, dass er mein größtes Vorbild war. Seine rebellische Art hatte sich mit den Jahren gelegt, aber an seiner spitzen Zunge merkte man bis heute, dass er sich von niemandem unterkriegen ließ. Selbst von seinen Dozenten nicht. Er sagte immer "Jahrelang haben sie studiert, doch haben dabei vergessen Mensch zu werden" -natürlich traf das nicht auf jeden seiner Profs zu, doch es gab einige, die er ganz besonders hasste und mit denen er auf Kriegsfuß war.

"Was willst du?", seufzte ich ergeben, während er auf mein Bett zulief und es sich dort gemütlich machte. Obwohl ich meine lockere Art von ihm hatte, ging mir nun seine lockere Art gegen den Strich.
"Nichts", entgegnete er provozierend.
"Dann verlass mein Zimmer, Erdinç."
"Oh, da ist ja heute jemand ganz besonders zickig. So kenne ich dich gar nicht, Schwesterherz."
"Ich werde dir nicht erzählen, wieso wir gestritten haben. Geh Bartu fragen."
"Habe ich schon. Dilruba und Besim sind ein Paar?", fragte er unglaubwürdig. Das war so unglaubwürdig, dass es niemand den beiden abkaufte.
"Nein."
"Das weiß ich. Das ist schon klar. Dilruba könnte mit Besim nicht. Und Besim nicht mit Dilruba. Aber was läuft dann?"
"Erdinç, das geht dich gar nichts an. Geh dich um dein Studium oder um deine Verlobte kümmern."
"Meine Verlobte schläft schon, weil sie morgen Früh arbeiten muss, sonst würde ich Zeit mit ihr verbringen und meine Zeit nicht mit dir vergeuden." Natürlich nahm ich diese Worte nicht ernst, denn ich wusste, wie sehr mich mein Bruder liebte, wie wichtig ich ihm war. Er versuchte mich nur mit Absicht zu provozieren.
"Und um mein Studium will ich mich gerade nicht kümmern, weil euer Beef interessanter ist." Auf seine Worte lachte ich verächtlich.
"Alles klar du Student."
"Erzählst du es mir jetzt?"
"Nein."

Dieses Mal seufzte er und deutete neben sich. Sein Angebot nahm ich all zu gern an, denn das Geschehnis von heute hatte echt an meinen Nerven gezerrt und ich wusste, dass die Nähe meines Bruders gut tun würde. Also lief ich auf ihn zu und ließ mich neben ihn auf meinem Bett nieder. Mein Kopf ruhte auf seiner Brust, während er mir durch das Haar fuhr.
"Es gefällt mir nicht dich so zu sehen. Euch so zu sehen."
"Morgen habe ich mich schon wieder erholt. Ich brauche nur Schlaf und Ruhe."
"Daran zweifele ich nicht. Doch wann wird Dilruba sich einkriegen?" Ich zuckte mit den Schultern.
"Denkst du es bringt was, wenn ich den strengen älteren Bruder rauslasse?" Auf seine Worte musste ich laut lachen.
"Du und strenger älterer Bruder? Ist klar." Er schlug mir leicht gegen den Kopf.
"Sprich anständig mit deinem älteren Bruder!", ermahnte er mich voller Ernst -nicht.
"Okay mein geliebter älterer Bruder."
"So ist brav!" Auf seine Worte mussten wir beide lachen.

Eine Weile lang herrschte Stille zwischen uns, während Erdinç mir durch das Haar fuhr. Seine innige Geste war so beruhigend und ich war ihm dankbar für seine Anwesenheit, denn sonst hätte ich mich nur unnötig über Dilruba und somit auch über Besim aufgeregt.
"Dilay?"
"Hmm?"
"Kann es sein, dass du Läuse hast?", fragte er an einer Strähne ziehend, worauf ich ihm gegen die Brust schlug.
"Hör auf so ein Arschloch zu sein!" Auf meine Worte lachte er amüsiert.

Wir unterhielten uns noch eine Weile lang, bis ich mich zu seinem Gesicht richtete und ihm einen Kuss auf die Wange gab.
"Danke Abi", hielt ich meinen Dank kurz, er wusste jedoch, wie ernst das gemeint war und wie dankbar ich ihm war. Dass mein Dank aus dem Herzen kam.
"Bitte meine kleine Rebellin", sprach er mir einen Kuss auf den Scheitel gebend, worauf ich lächelnd meine Augen schloss, da mich die Müdigkeit einholte.

Binjak⚓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt