Dilay.
Gemeinsam mit İklim deckten wir den Tisch, während Dilruba meiner Mama in der Küche half.
„Es ist so interessant, dass ihr so unterschiedlich und dennoch gleich seid", kam es von ihr, während ihre Blicke zu meinem Bruder glitten.
„Wieso?", fragte ich sie interessiert.
„Schau dir Dilruba an, sie verbiegt sich wegen den Ansprüchen der anderen. Versucht allen gerecht zu werden, so zu sein, wie die anderen sie haben wollen und scheitert daran. Und Erdinç ist das komplette Gegenteil, versucht immer für jeden da zu sein. Er setzt sich selbst immer viel zu hohe Ansprüche, so dass er fast unter ihnen kaputt geht. Aber es sind seine eigenen Ansprüche, seine eigenen Erwartungen an sich. Die Maßstäbe, die er sich selbst setzt, sind eigentlich viel zu hoch, nicht zumutbar. Er geht an seinem eigenen Perfektionismus unter, während eure Schwester an den Ansprüchen anderer untergeht."
Kurz dachte ich über ihre Worte nach und merkte, wie Recht sie hatte. Mein Bruder und meine Schwester bildeten beide ein extrem. Beide ein ungesundes Extrem.„Aber zumindest schafft es Erdinç, er meistert alles, was er sich als Ziel setzt", sprach ich meine Gedanken aus, worauf İklim anfing zu lachen und den Kopf schüttelte.
„Schau ihn dir genau an, Dilay. Dann wirst du es merken." Meine Blicke glitten zu meinem Bruder, welcher mit meinem Vater und Bartu auf dem Sofa saß.
Auch wenn sie gemeinsam lachten, merkte ich, dass Erdinç viel zu angespannt war. So kannte ich ihn gar nicht.
Vermutlich hatte er meine Blicke wahrgenommen, weswegen er seine Blicke zu mir drehte und mir fragend zuzwinkerte, ich lächelte ihm jedoch zu – um ihm zu symbolisieren, dass alles in Ordnung war. Danach glitten meine Blicke zu İklim. „Wieso?", fragte ich sie.
„Was meinst du, wieso er jeden Tag bis in die Nacht hineinlernt?", entgegnete sie mit einer Gegenfrage.
„Nein!", sprach ich, während meine Augen groß wurden.
„Doch, er hat seine letzte Klausur nicht bestanden."
„Wieso?", kam es erneut irritiert von mir. Irritiert, denn es ging um Erdinç und dass er eine Klausur nicht bestanden hatte, war unerklärlich.
Natürlich war es nichts Schlimmes, wer wusste, wie viele Klausuren ich während meines Studiums nicht bestehen würde, doch das alles traf nicht auf Erdinç zu. Denn er hatte einen ziemlich guten Schnitt und das war seine erste Klausur, die er nicht bestanden hatte.
„Er hatte zu viel im Kopf." Meinen Kopf legte ich leicht schräg und blickte mit gehobener Braue intensiver zu İklim. Sie seufzte.
„Ist es unsere Schuld?", hakte ich nach, worauf sie schnell mit dem Kopf schüttelte. „İklim, ich will, dass du die Wahrheit sagst." Nun seufzte sie. „Dilay, ja er hat sich auch wegen euch, vor allem wegen Dilruba, den Kopf zerbrochen. Du weißt, wie er ist. Wenn du ihm wirklich etwas bedeutest, dann würde er für dich durch die Hölle gehen. Und dass ihr ihm mehr als nur etwas bedeutet, brauche ich nicht erwähnen. Familie ist für ihn heilig, ihr seid für ihn heilig, das weißt du. Aber es war viel mehr. Du weißt doch, dass letztes Jahr unsere Freunde geheiratet haben? Die standen vor der Scheidung, wir waren fast täglich bei denen und haben versucht zu vermitteln. Das ist nun zwar zum Glück in Ordnung gekommen, aber das hat uns einfach auch mitgenommen. Nebenbei waren wir mit der Wohnungssuche beschäftigt. Er hat sich auch von der Arbeit keinen Urlaub genommen, obwohl er so kaputt war und das angebracht gewesen wäre, um für die Klausuren gescheit zu lernen. Er hat sich einfach zu sehr übernommen, sich mehr zugetraut, als er schaffen könnte. Und dass er nun durch die Klausur gefallen ist, kratzt so bisschen an ihm." Meine Blicke glitten erneut zu meinem Bruder, während ich wünschte irgendwas für ihn tun zu können.Aus meinen Gedanken weckte mich meine Mutter, welche mir sagte, dass ich meinen Vater und meine Brüder an den Tisch rufen sollte. Also setzte ich mich in Bewegung und lief zu ihnen. Mein Vater und Bartu liefen etwas weiter vor uns. Erdinç legte seinen Arm um meine Schultern.
„Was hat dir meine Hexe erzählt, dass du mich so mitleidig ansiehst?", grinste er. Auf seine Worte musste ich lachen und legte meinen Kopf an seiner Schulter ab.
„Es tut mir leid Abi", wisperte ich, weswegen er tief durchatmen musste.
„Es war nicht deine oder eure Schuld, glaub mir. Ich hätte auf İklim hören und einen Gang zurückschalten sollen. Aber wird schon, gehe einfach in die Nachholklausur." Auch wenn er das so locker rüberbrachte, fühlte ich, dass es nicht so war. Doch anscheinend wollte er nicht darüber sprechen, weswegen er das Thema einfach beendete, also passte ich mich ihm an.
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Binjak⚓
Teen Fiction"Shared Dreaming" ein Phänomen, welches die Wissenschaft noch nicht untersucht hat. Doch Dilay und Dilruba können darauf schwören. Denn die Zwillinge hatten so oft denselben Traum. So oft, dass sie es irgendwann sein lassen haben mit zuzählen. Obwoh...