Vierunddreißig

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Dilay.
Während meine Eltern bei der Lehrerkonferenz waren, hatten sich alle bei uns versammelt. Dieses alle beinhaltete: İklim, Erdinç, Bartu, Dilruba, Zeynel, Daniel und Besim. Ach ja, selbst Deniz und Sinem waren da.
Wir saßen alle auf unserer Couch und obwohl immer wieder mal gesprochen wurde, schafften es die Gesprächsthemen nicht sich lange zu halten.

Diese Sache sorgte dafür, dass ich mich nur noch mehr anspannte und irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und fing an durch den Raum zu laufen. Wie lange ich so hin- und herlief, wusste ich nicht. Doch es war Erdinçs Stimme, die mich in die Realität zurückholte.
"Hock dich auf deinen Hintern, wegen dir ist uns allen schlecht."
"Du hast natürlich leicht reden", blaffte ich ihn an.
"Vergreif dich nicht in deinem Ton", ermahnte er mich, worauf İklim ihm bittend die Hand auf den Oberarm legte, um ihn zu beruhigen.
"Dann hör auf mich anzuprangern, wenn ich auf heißen Kohlen sitze!"
Bevor Erdinç erneut etwas sagen konnte, stand Besim auf und zog mich aus dem Zimmer.
Sobald wir aus dem Raum waren, drückte er mich eng an sich und vereinigte unsere Lippen.

Als wir uns atemlos von dem Kuss trennten, legte er seine Hände um mein Gesicht.
"Beruhig dich, ja? Es wird alles gut werden und wenn nicht, dann wiederholen wir gemeinsam das Jahr, an einer anderen Schule!"
"Spinn nicht rum, du wirst das Jahr dein Abi machen!"
"Wenn du an der Schule bleibst, ja."
"Besim, seien wir ehrlich zueinander, du wirst länger für dein Studium brauchen als nötig, weil du dir so viel Freizeit wie nur möglich nehmen wirst. Das heißt; auch wenn ich ein Jahr später anfangen sollte zu studieren, werde ich vermutlich früher fertig als du." Er legte seinen Kopf in den Nacken und fing an über meine Worte zu lachen.
"Wo du Recht hast, Zemer."
"Deswegen kannst du dir diesen Gedanken sofort aus dem Kopf schlagen."
"Dann werd ruhiger, ich verstehe, dass du angespannt bist, aber Erdinç hat nicht ganz Unrecht. Du treibst mit dem Hin- und Hergelaufe alle in den Wahnsinn. Außer deinem Bruder hat sich niemand getraut das zu sagen."
"Du?"
"Gegenüber jedem habe ich eine große Fresse, nur bei dir nicht."
"Wer's glaubt wird selig." Er zwinkerte mir zu, was mich Grinsen ließ.

Nachdem ich mich etwas beruhigt hatte, setzten wir uns wieder rein und ich sah, dass Besim wirklich Recht hatte, denn als wir den Raum betraten, sahen wir alle miteinander sprechen.
Ich wusste nicht, dass meine Unruhe alle eingenommen hatte. Der Grund, wieso ich so kurz vor den Prüfungen nicht fliegen wollte, war; dass keine andere Schule mich aufnehmen würde und ich somit mir den ganzen Stress mit den Klausuren erneut geben müsste und darauf hatte ich absolut kein Bock. Auch hatte ich keine Lust mir erneut ein Jahr lang von pädagogisch inkompetenten Lehrern irgendwas vorschreiben zu lassen.
Ja, ich hatte die Schule oder eher gesagt unser Schulsystem sowas von satt, denn es war alles andere als gut. Vielleicht war es gut, sobald man es mit irgendwelchen Schwellenländern verglich, doch falls diese unser Maßstab waren, dann war das mehr als nur traurig. Dann war das sogar ziemlich erbärmlich.

Nach einer weiteren Stunde, in der ich versucht hatte, mich zu zügeln – doch innerlich angespannt des Todes war – betraten meine Eltern das Wohnzimmer, was mit einem Mal für eine eisige und ohrenbetäubende Stille sorgte.

Der Gesichtsausdruck meines Vaters ließ mich hart schlucken und ich spürte, wie Besims Hand an meine glitt, es war beruhigend und dennoch änderte es nichts an der Tatsache, dass ich von der Schule geflogen war. Knapp einen Monat vor meinen Abitur-Prüfungen.

Meine Mutter, welche meine Lage bemerkte, fing das Sprechen an.
„Du bist nicht von der Schule geflogen", waren ihre ersten Worte, doch ich konnte sie nicht realisieren.
„Was?", fragte ich irritiert nach.
„Du bist nicht geflogen!", sprach Besim vor Glück lachend, während er mich an seine Brust zog, als mein Vater sich räusperte, löste ich mich von Besim und sah konzentriert zu meinem Vater.
Ich war zwar nicht von der Schule geflogen, dennoch schien es ein Problem zu geben, ein großes Problem.
„Noch ein einziger Fehler, Dilay, dann kann dich keiner mehr retten, nicht nur was deine schulische Karriere betrifft, sondern auch vor dem, was ich dir auferlegen werde. Ich habe lange meine Augen verschlossen, weil ich als Schüler nicht besser war, aber ich werde es nicht zulassen, dass du ohne jeglichen Abschluss dastehst. Mit dem Zeugnis, welches man dir aushändigen wird, wird dich keine Schule annehmen, dass kann ich dir garantieren. Deswegen wirst du dich die nächsten Monate zusammenreißen und keine Aktion mehr veranstalten. Ich will nichts mehr zu Ohren bekommen. Haben wir uns verstanden, junge Dame?" Schwer nickte ich, denn noch nie hatte ich meinen Vater so erlebt, noch nie hatte er mir – oder generell einem von uns – so die Leviten gelesen, doch ich wusste, dass er dabei nur an mich dachte. Mein Vater stampfte aus dem Zimmer, worauf ich aufsprang und ihm nacheilte.

Binjak⚓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt