Dreiundzwanzig

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Dilruba.
Meine Beine an meinen Oberkörper angewinkelt saß ich da und starrte an die leere Wand. Zum einem dachte ich wie verrückt nach, zum anderen existierte Leere in meinem Kopf. Zum einen herrschte ein riesen Chaos, zum anderen ein reines Nichts.
Als es an der Tür klopfte, raffte ich mich etwas auf, versuchte zu mir zu kommen.
"Komm rein", murmelte meine schwache Stimme. Das mit dem Aufraffen klappte ja echt gut!
Bartu streckte seinen Kopf rein.
"Wir machen einen Filmabend, mit ganz ganz gaaanz viel Schokolade und Süßigkeiten. Kommst du?" "Bartu-", bevor ich zu Ende sprechen konnte, unterbrach er mich. "-okay, sie kommt!", rief er nach unten, weswegen ich ihn versuchte böse anzufunkeln, doch es klappte nicht wirklich, denn mein kleiner Bruder sah unschuldig grinsend zu mir.

Seufzend richtete ich mich also auf und lief runter, wo ich auch schon meinen Zwilling und meinen älteren Bruder antraf. Bartu hatte bezüglich des gedeckten Tisches Recht. Es gab nichts, was es nicht gab. Meine Blicke glitten zu Erdinç, als er meinem Blick begegnete, verstand er, worauf er mit einem tiefen Lächeln zur Seite glitt und mir Platz zwischen sich und Dilay machte. Schnell begab ich mich auf diesen Platz und lehnte meinen Kopf auch schon direkt an seine Schulter. Mein Bruder holte tief Luft und drückte einen Kuss auf meinen Scheitel, danach schlang er auch schon seine Arme um mich, weswegen ich kurz friedlich meine Augen schließen musste.

"Wo sind Anne und Baba?", fragte ich, bevor Bartu den Film startete. Kurz herrschte Stille und alle Blicke drehten sich zu mir.
"Das haben sie uns beim Essen mitgeteilt", sagte meine Zwillingsschwester, das erklärte die Blicke von allen. Meine Brauen zusammenziehend versuchte ich mich daran zu erinnern.
"Ihre Liebe auffrischen oder so etwas in der Art", klärte mich mein älterer Bruder auf.
"Das heißt, wir haben über das Wochenende sturmfrei und können Party machen", rief Bartu voller Euphorie und brachte uns alle zum Lachen, denn er war ganz bestimmt kein Partytier.
"Machen wir doch schon", sprach ich also zu ihm. "Es gibt keine schönere Party als mit euch einen Filmabend zu machen", ergänzte ich, worauf ich liebevolle Blicke meiner Geschwister erntete.

Das ganze Wochenende verbrachten wir zu viert und die meiste Zeit eher Zuhause. Meine Geschwister gaben sich die größte Mühe, damit ich mich nicht alleine fühlte und abkapselte. Ich musste zugeben, dass es mir mehr als nur gut tat, dennoch war ich mir bewusst, dass es lediglich nur eine Verdrängung war und meine Probleme ganz sicherlich nicht löste.

Am Sonntagabend lag ich im Bett und wusste, dass ich nun nachdenken musste und nicht alles verdrängen durfte, doch je mehr ich nachdachte, desto aussichtsloser wurde alles und umso mehr verstrickte ich mich in meinen Gedankengängen. War mir bewusst, dass ich vieles falsch machte, doch wusste ich nicht, wie ich diese Dinge ändern sollte. War mir bewusst, dass ich wie ein Blatt war, welches von seinem Ast gefallen war und nun wahllos wegen dem Wind durch die Gegend geschleudert wurde.

Je mehr ich nachdachte, umso mehr hatte ich das Gefühl den Anforderungen meiner Familie nicht gerecht zu werden. Zeynels Liebe nicht gerecht zu werden. Doch das aller schlimmste war, dass ich das Gefühl hatte mir selber nicht gerecht zu werden. Ich wurde mir selber nicht gerecht, weil ich mich in Dingen verlor, die Nichtigkeiten waren. So standhaft wie Dilay war ich lange nicht, hatte das Prinzip der Selbstliebe und Selbstwertschätzung noch nicht begriffen. Doch genau deswegen wurde ich mir selber nicht gerecht. Ich wusste, wo das Problem lag, doch konnte ich es nicht beheben. Ich schaffte es nicht mir selber gerecht zu werden, mich selber an erste Stelle zu stellen und zerbrach daran.
Und je mehr ich nachdachte, umso verrückter machte es mich, dennoch schaffte ich es nicht meine Gedanken abzuschalten, sie waren da und wollten nicht verschwinden.

Erst als mein Wecker klingelte, schaffte ich es die Gedanken beiseite zu legen. Die ganze Nacht war ich wach gewesen und der Tag war mittlerweile angebrochen. Wobei man nicht wirklich viel davon sah, denn es war ziemlich bewölkt, trist und matt. Dieses Wetter zog mich nur noch mehr runter, passte dennoch perfekt zu meiner Gefühls- und Gedankenwelt.

Binjak⚓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt