Dilay.
Denizs Nachricht hatte eine Unruhe in mich gepflanzt. Denn es war nicht Besims Art unterzutauchen und niemanden an sich ranzulassen. Auch wenn er einen Fehler begangen hatte, wusste er sich zu entschuldigen, es war immer auf seine persönliche Art und Weise. Nicht dass Besim mit Blumen vor einem stand, nein, das war ganz und gar nicht seine Art.
Obwohl er sich entschuldigte, war er lässig drauf, dennoch sah man ihm die Reue an. Man sah ihm die Reue an, weil Besim sich nur dann entschuldigte, wenn er wirklich Schuld trug, wenn er einen Fehler begangen hatte. Doch niemals entschuldigte er sich für etwas, wo ihn keine Schule betraf, für etwas, was sein Gegenüber falsch verstanden hatte.Dieses Mal jedoch war er im Unrecht und das wusste er, weswegen ich inständig gehofft hatte, dass er vorbeikommen würde, um sich zu entschuldigen. Er tat es nicht. Wieso nicht?, hatte ich mich die ganze Zeit gefragt, bis Medina mir gestern die Antwort geliefert hatte.
Sie hatte mich um ein Treffen gebeten, zu welchem ich natürlich zugesagt hatte, doch wusste ich, dass es kein lockeres Geplaudere sein würde.
"Ich war bei Abi Zuhause-" 'Abi' nannte sie ihren Bruder nur in seiner Abwesenheit, etwas was mich schon immer zum Grinsen gebracht hatte. Nicht jedoch gestern.
"-beziehungsweise wollte ich zu ihm, aber er hat abgesperrt und den Schlüssel drin gelassen, weswegen niemand reinkommt. Zu meinem Glück hat er mir die Tür geöffnet, aber nur einen Spaltbreit." Sie atmete tief durch. "Ihm geht es nicht gut, Dilay. Seine Augen waren total rot und dunkle tiefe Augenringe haben seine Augen überschattet. Es ging eine sehr starke, sehr sehr starke Alkoholfahne von ihm aus. Sein Bart war total zersaust und ungepflegt. Und der Flur sah aus wie ein Saustall. So kenne ich meinen Bruder nicht. So kennt ihn niemand. Nicht mal du, glaub mir."
Natürlich hatten ihre Worte mir die Luft zum Atmen kurz geraubt. Besim war zwar schon immer ein unordentlicher Mensch gewesen. Doch war er sauber, fast schon penibel. Und ich wusste, dass Medina nicht von Unordnung sprach, sondern von Dreck. Das wiederum zeigte, wie ernst Besims Lage war."Du musst zu ihm." Ich nickte. Natürlich musste ich zu ihm. In diesem Zustand konnte ich ihn nicht fallen lassen. Das Prinzip der Loyalität hatte höchste Priorität bei mir. Auch wenn Besim dieses Prinzip gebrochen hatte. Nur deswegen hatte ich doch so lange gezögert. Sonst wäre ich schon zu ihm gegangen als Deniz mir erzählt hatte, dass es ihm nicht gut ging.
"Du verstehst das nicht", seufzte das hübsche Mädchen vor mir, welche kein bisschen türkisch aussah. Genauso wie Besim. Bei den Geschwistern kamen die albanischen Gene eindeutig zum Vorschein, was witzig war, denn ihr Vater hatte diese Gene kein bisschen. Sah typisch türkisch aus. Kaum zu glauben, dass die Geschwister seine Kinder waren.
"Was verstehe ich denn nicht, Medina?"
"Er braucht dich", machte sie mir mit Nachdruck klar.
"Das habe ich verstanden, deswegen werde ich zu ihm gehen."
Erneut seufzte sie.
"Ich hasse es, dass ich das tun muss", sprach sie eher zu sich selbst als zu mir.
"Dilay, Abi braucht dich. Aber nicht auf diese Art und Weise. Nicht freundschaftlich."
"Auf was für eine Art und Weise denn dann, Medina?"
"Er hat Gefühle für dich, deswegen ist er doch so am Boden zerstört." Auf ihre Worte musste ich laut auflachen, doch als ich bemerkte, dass sie nicht lachte und ziemlich ernst war, verging mir mein Lachen.
"Du meinst es ernst?", stellte ich schluckend fest, was sie mit einem Nicken bestätigte.
"Das-das ist Schwachsinn." Sie schüttelte ihren Kopf.
"Denk darüber nach Dilay. Dann wirst du mir Recht geben."
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Binjak⚓
Teen Fiction"Shared Dreaming" ein Phänomen, welches die Wissenschaft noch nicht untersucht hat. Doch Dilay und Dilruba können darauf schwören. Denn die Zwillinge hatten so oft denselben Traum. So oft, dass sie es irgendwann sein lassen haben mit zuzählen. Obwoh...