23. Kapitel - Die Befragung

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David stand auf der Veranda und schaute in den Himmel. Er versuchte so wenig wie möglich zu blinzeln, so dass ihm schon Tränen in den Augen standen. Aber er wollte nichts verpassen. Dabei wusste er nicht einmal, was er verpassen könnte.

Er fuhr leicht über sein Handgelenk, in das Tamara gebissen hatte. Es war nichts mehr zu sehen. Cayden hatte die Wunde gut verschlossen und es war nicht einmal eine Narbe übrig geblieben.

Dennoch spürte er sie ab und zu noch.

Und heute merkte er es extrem. Es war kein Schmerz, eher ein ungutes Gefühl. So als ob die Stelle pulsieren würde. 

Irgendetwas lief fürchterlich schief.

Er konnte nicht sagen, was es war.

Schließlich war er immer noch hier in Berlin, während Tamara auf dieser verdammten Vampirinsel war. Aber irgendwas stimmte nicht das spürte er.

Am liebsten wäre er selbst nach Ludokar geflogen, wenn er nur eine Ahnung hätte, wie er helfen könnte. Doch er war nur ein Mensch. Er konnte gar nicht helfen. Und das gefiel ihm nicht.

Er war es gewohnt zu helfen. Er war ein Polizist. Und er war ein guter Polizist.

Doch jetzt war er hilflos.

Er hatte Tamara schon einmal im Stich gelassen und nun tat er es wieder. Gezwungenermaßen natürlich, aber er fühlte sich schlecht deswegen.

Die Sonne ging unter.

Das war eigentlich immer der Augenblick an dem Tamara herunter kam. 

Bevor sie nach Ludokar abgereist war. 

Bevor sie Cayden kennengelernt hatte. 

Bevor alles so kompliziert wurde.

Leise lachte er.

Es war auch schon vorher kompliziert. Schon immer. Selbst als sie noch...gelebt hatte.

Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie er sie kennen gelernt hatte. Auf einmal war sie in sein Leben getreten, gerade als er gedacht hatte, sein Dasein wäre einfach nur langweilig. Er hatte zwar Freunde gehabt, doch die waren alle in einer Beziehung gewesen. Er nicht! Nicht einmal ansatzweise. Während seine Freunde ihre Wochenenden mit ihren Freundinnen verbrachten, war er alleine. Er hatte auf seinen altersschwachen Laptop herumgespielt und gehofft, das Wochenende würde schnell vorbei gehen.

Wie erbärmlich er damals war.

Doch dann war Tamara aufgetaucht.

David wusste, dass sie verheiratet war. Er wusste, dass sie ein Kind hatte.

Doch es störte ihn nicht. Das war das erste Mal, dass er gegen seine Prinzipien verstieß. Er freundete sich mit jemanden an, den er vorher nie kennengelernt hatte. Stundenlang chatteten sie und sie erzählten von ihrem Leben.

Doch dann hatte er den Kontakt abgebrochen.

David hatte es als zweite Chance gesehen, als sie unerwartet auf seinem Balkon aufgetaucht war. Doch nun hatte er das Gefühl, dass er auch diese Chance verspielt hatte.

Die Tür zu der Veranda ging auf und Jala kam heraus.

Sie umarmte ihn von hinten und er streichelte ihr kurz über die Arme.

„Du grübelst schon wieder!", meinte sie.

Es lag kein Vorwurf in ihrer Stimme, sondern Verständnis.

Er nickte.

„Irgendwas geschieht. Ich kann es mir nicht erklären, aber ich spüre es."

Sie legte ihren Kopf an seinen Rücken.

Bestien der DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt