4. Kapitel

102 8 3
                                        

Vanessa

Die fünf männliche Wesen vor uns, die Isa, die sich immernoch hinter meinem Rücken versteckte, und mich anstarrten, als würden ihnen gleich die Augen aus dem Kopf fallen, trafen aufeinander. Doch ich starrte zurück, stand wie versteint da und glotzte die drei neuen Gesichter an, die eben dazu gekommen waren. Keiner machte eine Anstalt sich zu bewegen oder etwas zu sagen - ich wüsste auch nicht was. Also betrachtete ich die Jungs näher:

der eine, der anscheinend Jay hieß, hatte zersauste Locken auf dem Kopf und eine leichte verängstigte Miene. Er trug, soweit ich das in der Dunkelheit erkennen konnte, ein hellblaues T-Shirt mit einem Schriftaufzug (?), den ich jedoch nicht lesen konnte, und eine schwarze Jeans. Der Typ rechts von ihm, der ihm gesagt hatte, dass er sich nicht in die Hose pissen sollte, hatte ziemlich kurze Haare, aber keine Glatze. Er trug ebenfalls eine schwarze Jeans sowie ein graues Shirt. Die Anderen drei standen hinter den beiden, weshalb ich nur von Hals bis Kopf ihres Körpers erspähte. Die Haare des Einen waren zur seite geworfen, die der restlichen Zwei waren hoch gegeelt.

Es herrschte eine eiserne Stille und langsam kam ich mir vor, als wären wir Statuen die in einem Museum ausgestellt waren - sowie eine menschliche Wachsfigur. Dieser Gedanke brachte mich zum Grinsen, was einer der Jungen wohl bemerkte, denn ich vernahm eine leise, zitternde Stimmt im Hintergrund: "Sie grinst, meinst du, sie hat sich irgendwas ausgedacht?" Ich benötigte einige Sekunden um zu realisieren, was er gesagt hatte, doch im nächsten Moment wurde ich bereits unsanft gepackt und jemanden über die Schulter geworfen.

Nun kam ich mir vor wie ein Sträfling. Es fehlten nur noch die Handschellen. Ich begann zu Zappeln, trat mit meinen Beine in der luft herum und schlug mit den Händen auf seinen Rücken - wer auch immer Er war und ich schrie er solle mich los lassen, jedoch verstärkte er nur den Griff um meine Hüften.

Mein Blick huschte hinüber zu Isa, die schlaff über die Schulter des Typen mit den zur Seite gestrichenen Haaren hing. Ihre Arme und Beine baumelten hin und her. Es wunderte mich. Denn eigentlich müsste sie genau einen solchen Aufstand machen, wie ich. Aber sie tat nichts. Ich hörte auf zu schreien und horchte der Stille. Ich beobachtete Isabell aufrichtig. Ihr Brustkorb hebte und senkte sich unregelmäßig, sie zog alle zwei Sekunden Luft ein und war schneeweiß. - Und dann wurde es mir klar: ein Asmaanfall.

Ich kreischte, schrie: "Lass mich runter!", aber er ging gemütlich weiter, "Ich muss ihr helfen!", nichts, "Sie stirbt sonst!" Er drehte sich ruckartig um und besichtigte meine halbtote Freundin. Ein "Oh" glitt über seine Lippen und dann landete ich auf meinen Füßen. In Sekundenschnelle sprintete ich zu ihr herüber. Ich zerrte und riss an ihren Armen. Der Typ, der sie in den Armen hielt, legte sie vorsichtig auf den Boden. Dort setzte ich mich zu ihr, bettete ihren Kopf auf meinem Schoß und griff nach Isas Rucksack. Mit zitternden Finger probierte ich hilflos den Reißverschluss zu öffnen, doch ich bekam es nicht hin. Jemand kniete sich neben mich, schubste meine Hände weg und zog den Reißverschluss auf. Bedanken konnte ich mich auch später- ich wühlte darin herum und nachdem ich das Asmaspray erfasst hatte, schnippste ich die Kappe ab und steckte Isa die Öffnung in den Mund, drückte auf die kleine Dose und wartete auf eine Reaktion.

Sie war fast bewusstlos.

....

Ein Husten. Ein Keuchen. Ein Niesen. Und das Aufklappen ihrer Augenlider. - Sie lebte!!!

Ihre kalten, blauen Augen schauten hoch in meine matten braunen. "Was ist passiert?", fragte sie heiser. " Du hattest einen Asmaanfall und bist fast gestorben!", sagte ich erleichtert, dass sie lebte, und blickte wütend in die Gesichter der Jungs, die sich um uns versammelt hatten und entschuldigend zurück sahen. Sie waren sichtlich überfordert, erleichtert und verwirrt.

Can I call you home?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt