Vanessa
Nach dem täglichen 'Aus-dem-Bett-kommen', hatten Isa und ich uns gleich auf den Weg gemacht. Wir hatten beschlossen das verlassene Haus am Waldrand erneut aufzusuchen und nach Chätzen zu durchforschen. "Hast du auch einen Dietrich eingepackt?", fragte Isa sicherheitshalber nach. "Ach ja.", glitt es über meine Lippen. Ich zog eine schwere Kiste unter dem Bett hervor, die alle möglichen Werkzeuge beinhaltete und krammte etwas darin herum. Ich griff nach dem länglichen Teil, welches wir brauchten um ein Schloss zu knacken.
Im vier-Schritt-Marsch trampelten wir durch die Flure des Hauses. "Eins, zwo, drei, vier"- sagten wir im Chor.Plötzlich schlug eine Tür neben uns auf und eine der Erzieherinnen stand im Rahmen. "Jetzt seid doch mal leise!", schrie sie uns an. "'tschuldigung", nuschelte Isa, während ich versuchte mir ein Grinsen zu verkneifen. Sie warf uns noch einen wütenden Blick zu, bevor sie die Tür mit einem lauten Bumm wieder schloss.
Kichernd hopsten wir weiter. "Die war aber böse", meinte Isabell. "Wir sind aber auch böse Mädchen!", kicherte ich.
Das Waisenhaus hatten wir bereits verlassen und standen nun vor der breiten Holztür hinter der verdreckten Villa. Ich fischte den Dietrich aus meinem Rucksack und setzte ihn am Schloss an. In null-komma-nix hatte ich die Tür geöffnet und stellte mich in den Rahmen, um Isa gentelmenlike herein zu bitten. Mit einem leisen Seutzfen ging sie an mir vorbei. Wir traten ein paar Schritte in die Villa ein. Und schon war er da: der WOW-Effekt. Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass das Licht, das durch die einzelnen Räume strömte, keines Wegs von außerhalb kam, da mir aufgefallen war, dass die Fester zu genagelt mit Brettern waren. Ich glaube, zu diesem Haus würde der Spruch: 'Die inneren Werte zählen' wohl am Besten passen. Denn das, was wir hier vor Augen hatten, entsprach nicht einmal im Geringten den Vermutungen, die ich, bevor wir dieses Haus betreten hatten, geschöpft hatte. Oh nein.
Die Wände waren weiß wie Schnee, ebenso der Boden, der funkelte, als das Licht darauf traf. Rechts von uns stand ein schwarz lackierter Schuhschrank mit silbernen Füßen. Daneben eine Gadrobe, an der die feinsten Anzüge und Jacken hingen. Erstaunt schwebte mein Blick durch den Raum. Es war ein Flur, schätzte ich. Auch Isabell schien es die Sprache verschlangen zu haben. So etwas hatten wir noch nie gesehen. Vorsichtig ging ich auf die erste Tür zu, die links in das nächste Zimmer führte. Die Tür stand offen, sodass ich einen schnell Blick erhaschen konnte. Keine Menschenseele. "Komm, hier ist niemand.", rief ich
Isa zu und bog ab. Auch hier war es ziemlich modern eingerichtet. Eine Küche und dahinter das Wohnzimmer. Die Küche bestand aus vielen glänzenden Arbeitsblatten und einer Insel in der Mitte. Ein Ofen, ein Herd und sogar ein Grill waren eingebaut. Sonst entdeckte ich nur Schränke und Schubladen, die ich gar nicht erst durch suchte, denn wer bewahrte teure Dinge schon in der Küche auf, und den fetten Kühlschrank, der in der hinteren Ecke platziert war. Im Wohnzimmer lag ein wunderschöner, bestimmt handgestickter Teppich auf dem Boden. An der längsten Wand erstreckte sich eine rote Ledercouch und direkt gegenüber war ein großer, schwarzer Flachbildfernseher an der Wand angebracht. Die Wände behielten die Farbe weiß. Unter dem Fernseher hockte ein kleiner Tisch, der voll bepackt mit Kontrollern und den dazu gehörigen Konsolen war. Aber wir gingen weiter. Isa betrachtete schon das nächste Zimmer, während ich immernoch damit beschäftigt war, alles genau unter die Lupe zunehmen. Ich trat in das Badezimmer. Zwei lange Waschbecken und darüber hängende Spiegel plus eine Toilette, die, wenn ich mich nicht vertat, eine vergoldete Schüssel hatte und in der hinteren Ecke die Dusche. Ich schlenderte weiter. Gerade als ich einen anderen Raum besihtigen wollte, vernahm ich ein lautes Knacken und erschrack heftig, fiel zurück und riss eine zuvor auf einer Glasvitrine stehende Vase mit, die sofort zerschepperte und in tausend Scherben zersprang. "Scheiße", fluchte ich. Isa kam mir zur Hilfe. Sie nahm meine Hand und zog mich hoch. "Auuuu", heulte ich auf. Ich hatte mich geschnitten. Durchsichtige Scherbenteile steckten in meinem Fleish und ließen das dunkel rote Blut herausquellen. Ich wischte es mit einem Taschentuch weg. "Was war eigentlich dieses Knacken?", fragte ich Isa unter leichten Schmerzen. "Ich dachte du warst das.", gab sie zurück.Wir sahen uns blitzschnell in die Augen. Kurzerhand ergriff ich ihre Hand und flüchtete ins Wohnzimmer, wo ich das einzige Fenster entdeckt hatte. Ich legte den Hebel um und machte das Fenster auf. Knack! Ich bekam Panik. Mit meinen Füßen trat ich das morsche Holz vor dem Fenster weg. Es fiel hinuter. Ich wagte ebenfall einen Blick. Das waren lockere fünf Meter. Höhenangst. Ich würde keine fünf Meter in die Tiefe springen! "Na los!", drängelte Isa hinter mir. Ich konnte die Angst in ihrer Stimme hören. Ich tastete an den Außenwänden - eine Regenrinne, die nach unten führte. Ich klammerte mich daran fest und kletterte hinab. Isa sprang mutig und landete unsaft auf den Füßen. Dann liefen wir einmal ums Haus herum, doch wurden von einem blendenen Licht gestoppt.
"Wa-Was wo-wollt ihr?", erklang eine ängstliche , männliche Stimme. Das Licht flackerte, was bedeuten musste, das der jenige, der die Taschenlampe hielt, zitterte. Ich schritt etwas voran. Der Mann leuchtete auf unsere Oberkörper, dennoch tief genug, dass ich ordentlich sehen konnte und zerstrubbelte Locken auf dem Kopf des Mannes erblickte. Isabell stand ungefähr zwei Schritte hinter mir. Dann hörte ich Schritte auf mich zu kommen. Aber es war nicht der Typ mit der Taschenlampe, sondern ein anderer junger Mann, der nicht auf mich sondern auf ihn zu ging. "Boar Jay, jetzt piss' dir mal nicht in die Hose!", mekerte eine Stimme, die wohl dem gerade gekommenden Typen gehörte. Ich musste grinsen. Isa ergriff meine Hand und ich drückte zu. "Alles okay.", versicherte ich ihr. "Jay, das sind doch bloß Kinder!",meinte er genervt. "Aber die si-sind bei un-uns einge-gebrochen!", erwiderte der Andere, der anscheinend Jay hieß. "Was ist hier los?", hechteten weitere Stimmen und schon standen fünf Jungs vor uns.

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Can I call you home?
Fiksi PenggemarIsabell und Vanessa, beste Freunde, stehen ihrem bemitleidenswertem Schicksal, als Waisenkinder, bei. Doch sie lassen sich nicht unterkriegen. Durch Diebstahl, Einbrüche und Betrug verdienen sie sich das nötige Geld. Die Schule haben sie geschmissen...