Kapitel 19

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Langsam fährt der Zug in den Bahnhof ein und hält am Bahnsteig. Durchs Fenster sehe ich mich mit großen Augen um und stelle fest, dass schon viele Familien auf dem Bahnsteig ihre Kinder erwarten.

Also drehe ich mich eilig um und sehe, dass Oliver bereits aufgestanden ist und unsere Koffer von der Ablage nimmt, bevor er mir den meinigen reicht und dann auf Thunder hinab nickt. "Denk daran, dass du ihn anleinen musst." sagt er ernst und ich nicke. Es war eine der Sachen, die ich nicht ganz verstanden habe, als Oliver sie mir erklärt hat. Weshalb musste man seine Hunde anleinen, wenn man sie gut erzog, hörten sie doch auf einen. Doch ich widersprach nicht und auch Thunder macht keinen Mux, während ich ihm ein schwarzes Halsband und eine Leine umlege und diese dann in meine freie Hand nehme, bevor ich dem Älteren auf den vollen Bahnsteig folge.

Wir hatten seiner Mutter vor einigen Tagen einen Brief zukommen lassen, den nur sie Lesen konnte. Für ihren Mann hatte es ausgesehen, wie einfache Werbung, da wir den Brief mithilfe von Professor McGonagall verzaubert hatten. Ich war ziemlich stolz auf unser Werk gewesen und Oliver hatte einfach gehofft, dass seine Mutter den Brief rechtzeitige erhalten würde und sich somit auf das heute anstehende vorbereiten konnte.

Schweigend folge ich Oliver auf den Bahnhof und ziehe Thunder sanft etwas enger an meine Seite. Achtlos wickle ich die Leine um mein Handgelenk und lege ihm stattdessen die Hand auf den Kopf, während Oliver ziemlich zielsicher durch die Menge steuert und ich eine Weile damit verbringe seinen breiten Rücken anzustarren, während wir uns durch die Menschen schlängeln.

Wenige Zeit später halten wir etwas abseits und ich schiebe mich langsam neben Oliver, um Misses Wood kennenzulernen. Sie ist schlank und ziemlich zierlich, doch sie hat die selben braunen Augen, wie ihr Sohn. Lächelnd strecke ich ihr die Hand entgegen. "Hallo. Ich bin Rosa und das da, ist Thunder." stelle ich mich und den schwarzen Hund vor und die Frau mittleren Alters lächelt uns fast schüchtern an. "Ich bin Camille. Olivers Mutter." erwidert sie leise und schüttelt meine Hand kurz, bevor sie sie zurückzieht und wieder um ihre Handtasche legt. In meinen Augen war Olivers Mutter ein zartes und sanftes Wesen, so dass ich noch weniger verstehe konnte, wie jemand Hand an sie legen konnte und so würde ich alles versuchen um zu helfen.

"Die Männer vom Ministerium warten draußen am Wagen." informiert uns Camille sanfte und ich nicke zustimmend. "Das ist gut. Wir sollten das hinter uns bringen." erwidere ich und Oliver legt seiner Mutter einen Arm um die Schultern. Wir hatten beide auf der mehrstündigen Zugfahrt viel darüber geredet, was es für ihn und vor allem seine Mutter bedeuten würde, wenn wir die Sache jetzt durchzogen und so hatte Oliver ein wenig Zuversicht für die ganze Unternehmung gefasst, während seine Mutter auf mich mehr als nur eingeschüchtert wirkte, doch wer wollte es ihr verübeln, nachdem sie so viele Jahre unter dem Einfluss und der Kontrolle ihres Mannes gelebt und gelitten hatte. Doch ich war mir recht sicher, dass sie nach dem Sommer schon wieder gut auf ihren eignen Beinen stehen konnte.

Langsamer folge ich Oliver und seiner Mutter nach draußen, um den beiden einen Moment für sich zu geben und um mich ausgiebig auf dem Bahnsteig umzusehen. Er war groß und hell und über all wuselten Menschen umher, die ihren nächsten Zug erreichen wollten, etwas essen oder ihren wartenden liebsten in die Arme fielen. So viel gab es zu sehen, doch ich folgte den andern nach draußen, wo uns tatsächlich ein dunkles Auto und zwei Zauberer in Anzug erwarteten. Stumm wurde uns die Tür geöffnet und wir rutschten zu dritt auf die Rückbank, während Thunder es sich zu unseren Füßen mehr oder weniger bequem machte und mit einem leisen Knurren ab und an quittierte, wenn ihn jemand mit dem Fuß anstieß oder ein Schlagloch auf der Straße ihn aus seinem leichten Schlaf riss.

Ein Großteil der Fahrt durch London verläuft schweigend. Erst als wir die Stadtgrenzen hinter uns gelassen haben, dreht sich einer der Männer zu uns um und lächelt freundlich. "McGonagall hat uns ihre Situation kurz geschildert und uns dazu angehalten ihnen diskret und zügig zu helfen." sagt er, was mich leicht zum Schmunzeln bringt. "Also werden wir mit ihnen kommen und ihren Mann dann Oblivieren, damit er alles vergisst. Wir werden ihm die Gedanken einsetzen, dass er sie vor einigen Jahren verlassen hat und nun auf der Suche nach einer neuen Liebe ist. Wir können ihm kaum seinen Unwillen gegenüber der Zauberei nehmen, doch wir können ihm alles nehmen, was sie betrifft und ihre magischen Fähigkeiten, so dass sie beide und auch ihr Mann noch einmal von vorn beginnen können." erklärt er und Camille nickt knapp. Seitdem sie sich mir vorgestellt hat, hat sie kein Wort mehr gesagt und ich seufze leicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie sich fühlen musste. Professor McGonagall hatte mir mal gesagt, dass aus Liebe oftmals Gewohnheit werden konnte und so war Camille vielleicht die Behandlung ihres Mannes einfach nur gewohnt und sie würde beginnen aus sich herauszukommen, sobald sie frei von ihm war.

Oliver war ebenso schweigsam und starrte stur aus dem Fenster, während die Landschaft am Fenster vorbeizieht und sich langsam wieder in eine kleine Stadt wandelt, wo wir langsamer werden und der Fahrer im Gewirr der Straßen abbiegt, bis er vor einem kleinen und von Außen recht hübschen Haus hält. Auf den ersten Blick könnte man nie sagen, was in diesem Haus für ein Mann das Sagen hatte und dies erinnerte mich an etwas, dass Cedric mal gesagt hatte, man solle ein Buch nie nach seinem Einband beurteilen, sondern nur nach seinem Inhalt und in diesem Moment fand ich diese Metapher mehr als passend.

Still steigen wir aus, als auch schon ein großer Mann aus dem Haus gewankt kommt. Er trägt ein fleckiges T-shirt und eine Jogginghose und mustert die ankommenden misstrauisch. "Camille! Was hat das zu bedeuten!" donnert er, während Oliver und auch seine Mutter bei den Worten zusammen zucken. Unauffällig löse ich Thunders Leine und lasse meine Hand auf seinem Nacken ruhen. Sobald der Mann sich uns nähern würde, würde ich loslassen und dem schwarzen Hund freie Bahn lassen, uns zu schützen.

"Guten Tag Mister Wood." beginnt der Beamte vom Ministerium, der sich auch mit uns im Wagen unterhalten hatte, doch der angesprochene schnaubt nur. "Verpissen Sie sich, Sie halbe Portion!" brüllt er, während rote Flecken sich auf seinen Wangen bilden und ich lasse Thunder los. Als der Mann mit erhobener Faust und wütendem Blick einen Schritt an den Beamten vorbei auf seine Frau und seinen Sohn zumacht, schießt er wie ein schwarzer Blitz los und stößt den überraschten Mann um. Knurrend thront er über ihm und fletscht die Zähne, während die Männer vom Ministerium eilig handeln und ihn magisch fixieren.

Thunder rührt sich trotzdem nicht vom Fleck und beobachtet still jede Bewegung der Beamten, die sich nun daran machen den Mann zu Oblivieren und seine Gedanken und Erinnerungen zu verändern, bevor sie ihn magisch anheben und erst jetzt springt der Hund zurück und trottet neben dem Beamten her, bis dieser Mister Wood auf der Rückbank des Wagens untergebracht hat und seinen Hut zieht. "Sollte noch etwas sein, dann schicken Sie uns eine Eule." sagt er und dann setzt er sich in den Wagen.

Stumm sehen wir dem Auto hinterher, bevor Camille in sich zusammen sinkt und zu weinen beginnt. Oliver steht etwas hilflos daneben und streichelt die Schulter seiner Mutter, während ich vorsichtig neben ihr auf die Knie gehe und sie in den Arm nehme, während alle Anspannung von der Frau abfällt. "Es ist vorbei." schluchzt sie erleichtert und schnieft leicht, bevor sie zu Oliver aufsieht und aufsteht, um ihren Sohn eng an sich zu ziehen.

Ich bleibe auf dem Boden knien und streichle sanft Thunder. "Du hast das gut gemacht." lobe ich ihn sanft und der Hund knurrt zufrieden. Jetzt hatten Oliver und seine Mutter eine gute Chance auf ein normales Leben und ich war sehr stolz auf meinen besten Freund, dass er mit McGonagall gesprochen hatten und somit seiner Mutter und sich diesen neuen Anfang ermöglicht hatte.

Meine Jahre in HogwartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt