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Nachdem wir noch ein Bisschen im Bett gelegen waren, wo wir uns einfach nur umarmt hatten, machten wir uns auf den Weg in die Schule. Es war nicht so, wie es war, als wir noch zusammen waren. Es war so zurückhaltend und unsicher. Vielleicht lag es auch daran, dass wir noch nicht sicher waren, was das alles denn jetzt hiess. Waren wir wieder zusammen? Oder war das alles nur ein eigenartiger Moment, der eben passiert war, aber noch nichts bedeutete? Ich hatte keine Ahnung.

Im Bus sassen wir schweigend nebeneinander. Während Chaya aus dem Fenster schaute, musterte ich sie. Sie sah süss aus, mit den Sommersprossen auf der Nase, die sich in den Sommerferien mehr abgezeichnet hatten. Mir war plötzlich klar, wie sehr ich sie vermisst hatte. Zum ersten Mal seit Wochen ging es mir gut, ich war glücklich. Auch, wenn ich nicht wusste, wie sich das alles entwickeln würde. Vielleicht hätte ich mir Sorgen machen sollen, oder mehr Gedanken. Aber ich war fröhlich und nicht einmal die Schule konnte mir das verderben.

Wir liefen nebeneinander auf das Schulgelände, liessen aber sicher einen halben Meter Abstand zwischen uns. Es war komisch, hier zusammen aufzutauchen ohne, dass irgendjemand wusste, was gestern passiert war. Sie alle hatten sich daran gewöhnt, dass wir uns gegenseitig zu Tode starrten und jetzt waren wir wieder befreundet. Oder so. Einige komisch Blicke landeten bei uns und es war uns beiden sichtlich unangenehm. Was würden wohl Chayas 'Freundinnen' Emma und Lilly sagen? Und Nelly. Und was mich im Moment am meisten interessierte; wie würde Clarke reagieren?

Wir trennten uns an den Eingangstüren, weil ich noch aufs Klo und sie zu ihrem Spind musste. Stumm lächelnd verabschiedeten wir uns und gingen unseren Zielen nach. Im Klassenzimmer setzte ich mich neben Nelly und grinste sie breit an zur Begrüssung. "Was ist denn mit dir passiert? Du siehst so happy aus, es ist noch viel zu früh dafür.", rätselte meine Banknachberin und schob mir, wie selbstverständlich, ihre gemachten Hausaufgaben zu. Ich nickte dankend und holte Stift und Heft aus meiner Tasche, während ich einfach mit den Schultern zuckte. Sie beäugte mich skeptisch und wandte dann ihren Blick ab. Chaya kam ins Zimmer und lächelte mir kurz zu, was ich ihr gleich tat. "Okay, das war creepy.", flüsterte Nelly und sah mich verwirrt an. Ich lachte kurz und, bevor ich ihr antworten konnte, kam auch schon unser Englischlehrer herein. Er stellte seine Aktentasche auf das Lehrerpult und klatschte in die Hände; das Zeichen dafür, dass er beginnen wollte.

Die beiden Stunden vergingen la gsam und zäh wie Kleber. Aber es störte mich nicht im geringsten, denn ich war beschäftigt damit, immer wieder in meinem Heft herum zu kritzeln. Da waren Herzchen und Kringel, in den verschiedensten Grössen. Ausserdem wanderte mein Blick immer wieder nach links, zu Chaya, die mich genau so oft anschaute und mir immer wieder ein verschmitztes Lächeln zuwarf. Nelly, neben mir, kam nicht mehr mit der Situation klar und schüttelte nur pausenlos den Kopf. "Was zum Teufel ist plötzlich los.", flüsterte sie einmal, aber eher zu sich selbst. Ich fand das alles ziemlich lustig.

Als sich Chaya dann auch noch beim Mittagessen zu uns setzte, erntete sie einige entsetzte Blicke. Einerseits von Emma und Lilly, die sich darauf empört umdrehten und an einen anderen Tisch begaben, andererseits von Nelly. In Anwesenheit der 'Unentschlossenheit in Person',  wie sie Chaya später nannte, wollte sie aber nichts sagen, also stand sie tapfer die ganze Mittagspause durch. Das schaffte sie nur indem sie das ganze Essen im Eiltempo in sich hinein drückte, damit ihr Mund nie leer genug war, um reden zu können. Dann steckte sie sich ihre Kopfhörer in die Ohren, um sich nicht an irgendwelchen Gesprächen beteiligen zu müssen. Natürlich nicht, ohne uns hin und wieder misstrauisch zu mustern. Wir fanden das unglaublich amüsant und grinsten uns immer wieder verschwörerisch an. Wir redeten über alles mögliche, es war alles wie es davor gewesen war. "Ja klar, sie ist hübsch, aber Cammie schlägt Shannon um Welten.", erklärte mir Chaya gerade und ich konnte nur erschrocken meinen Mund öffnen. Okay, diese Meinung teilten wir auf keinen Fall. "Was?", lachte sie und zuckte mit den Schultern. "Ist halt so. Aber hey, ich muss langsam, hab noch was vor heute. Wir sehen uns, ja?", versicherte sie sich und gab mir einen schnellen Kuss auf die Wange. Ich lächelte, nickte und sah ihr hinterher, währed sie die Kantine verliess.

Als ich mich wieder umdrehte, schaute ich direkt in die fragenden Augen von Nelly, die wohl nur auf diesen Moment gewartet hatte. "What the fuck?", entfuhr es ihr und sie fuchtelte mit den Händen herum. Ich lachte in mich hinein und erzählte ihr dann was passiert war. "Sie stand plötzlich betrunken vor meiner Tür und ich konnte sie doch nicht draussen stehen lassen. Dann ist sie reingekommen und hat gesagt, dass es ihr leid tut. Und dann.." Nelly unterbrach mich lautstark: "Doch, du hättest ihr die Tür vor der komisch spitzen Nase zuschlagen können. Und ausserdem war sie BETRUNKEN, als sie dir die Scheisse erzählt hat." "Kannst du mich mal ausreden lassen? Sie hat das alles dann am Morgen nochmal gesagt und dann hab ich sie geküsst, weil...weil es sich einfach richtig angefühlt hat.", rechtfertigte ich mich und stocherte mit der Gabel in meinem Rest Kartoffelbrei herum. "Oh mann, Sky. Okay, und jetzt?", seufzte sie ungläubig und stützte sich mit ihren Ellenbogen auf dem Tisch auf. Ich zuckte wieder mit den Schultern. Wenn das so weiter ginge, würde ich noch ganz fette Schultermuskeln bekommen. "Ich weiss es nicht... wir haben nicht darüber geredet. Sie hat gesagt, dass sie mich liebt.", erklärte ich und bei dem Gedanken, an heute Morgen, musste ich unwillkürlich lächeln. Es war einfach schön gewesen. Nelly überlegte und, als sie fertig damit war, sagte sie nicht mehr viel. "Du musst es wissen, Sky. Ist deine Sache." Und sie hatte Recht. Es war meine Sache und ich würde mir meine gute Laune von niemandem kaputt machen lassen.

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