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Nach diesem Abend kam es mir so vor, als wären Clarke und ich uns noch näher, als vorher. Auch, wenn ich gedacht hatte, dass das gar nicht mehr möglich war. Doch wir schrieben das ganze Wochenende miteinander, sogar Matt bemerkte, dass ich nur noch am Handy war. Es waren nicht einmal richtige Themen, nur sinnlose Gespräche, die uns beide zum Lachen brachten.

Auch in der Schule fühlte es sich anders an. Manchmal entdeckte ich sie weit hinten im Gang und musste sofort grinsen. Auch wenn sie mich meistens nicht sah, freute ich mich immer sehr. Vielleicht ein bisschen zu sehr. Selten trafen sich unsere Blicke, was verursachte, dass sich auch auf Clarkes Gesicht ein Grinsen abzeichnete. Doch diese gute Laune meinerseits erstarb oft gleich wieder, denn Liv lief eigentlich dauernd an ihrer Seite. Und ich will nicht lügen, ich war wirklich etwas eifersüchtig.

Mittags ging ich oft zu Clarkes Tisch hinüber, um kurz mit ihr zu reden. Dabei entgingen mir nicht die wütenden Blicke, die uns Chaya, von der anderen Seite des Raumes aus, zuwarf. Vielleicht war es gemein, aber es machte mir nichts aus. Ich redete gerne mit Clarke, sie gab mir das Gefühl nicht egal zu sein. Und das hatte ich im letzten Jahr von Chaya oft genug zu spüren bekommen.

Am Dienstag bekam ich eine Nachricht von Kayla. Sie fragte, ob ich am Mittwoch Zeit hätte, etwas zu unternehmen. Ich hatte sie schon lange nicht mehr gesehen und vermisste sie, also schrieb ich ihr zurück, dass ich dabei wäre und wir verabredeten uns bei ihr zu Hause. Auf dem Weg zu ihr merkte ich, dass ich gar nicht wusste, wie es ihr eigentlich ging und was sie gerade machte, ausserhalb der Schule. Das ganze Chaos mit Chaya hatte mich voll eingenommen und ich hatte mich immer weniger mit meinen Freunden getroffen. Ausser Clarke, aber das war etwas anderes... Kayla öffnete mir die Tür und umarmte mich stürmisch, was mir ein Lachen entlockte. Mit ihr war es immer so, als hätten wir uns gerade erst gestern gesehen; wir konnten sofort wieder reden, wie immer. Unsere Füsse fanden den Weg in die Küche und wir machten uns Chicken Nuggets mit Mikrowellenpopcorn. Normalerweise hätten wir natürlich etwas richtiges gekocht, aber sie hatte nichts anderes im Haus. Und es schmeckte nicht einmal so schlecht. Später gingen wir nach oben, um einen Film zu sehen. Wir konnten uns, wie immer, nicht entscheiden und fingen an einfach zu reden, der laufende Fernseher im Hintergrund. "Also, was hat sich bei dir verändert?", fragte ich sie und stopfte mir eine handvoll Popcorn in den Mund. Sie kaute zu Ende und erklärte mir dann schulterzuckend: "Ach, nicht so viel. Ich bin immernoch mit Marcus zusammen und es läuft super. Ansonsten..." Marcus und Kayla waren schon seit über einem Jahr zusammen und wahrscheinlich das einzige Hetero-Pärchen, das ich süss fand. Sie passten wirklich super zusammen und in meinem Augen würden sie es auch noch sehr lange bleiben. Er war einer der wenigen Typen, für die ich meine Hand ins Feuer legen würde. Er hatte nicht immer das Gefühl, dass er jemandem etwas beweisen musste, er war einfach er selbst und blieb es auch. Marcus war einfach immer für Kayla da, er würde alles für sie tun. "Das freut mich, wirklich. Aber das weisst du ja.", lachte ich und lehnte mich an die Wand hinter mir. Kayla grinste glücklich und nickte. "Und bei dir? Was war eigentlich noch mit Chaya, ich habe nach meinem Geburtstag am See nicht mehr viel mitbekommen." Sie behielt mich im Blick, während sie verzweifelt versuchte, ihr Wasserglas zu erwischen, das auf dem Boden stand. Ich drückte es ihr in die Hand, weil es näher bei mir stand, und überlegte dann, wo ich anfangen sollte. Kayla bedankte sich leise und nahm ein paar grosse Schlücke, mich nicht aus den Augen lassend. "Also...es ist irgendwie kompliziert. Nach dem See sind wir irgendwann wieder zusammen gekommem, weil sie plötzlich betrunken all ihre Gefühle gestanden hat und es ihr Leid tat. Und dann wars ganz okay, eine Zeit lang. Aber wir sind wieder getrennt...", fing ich an und wurde auch sofort von meinem Gegenüber mit einem Schnauben unterbrochen. Auf meinen fragenden Blick hin schüttelte sie nur den Kopf und zuckte mit den Schultern. "Ach weisst du, das hätte ich dir auch vorher sagen können." Ich wollte genervt reagieren, sie leicht schubsen und dann wieder Popcorn in mich hinein schaufeln. Aber sie hatte Recht und das wusste ich ganz genau. Also zuckte ich einfach ebenfalls mit den Schultern und spielte am Saum meines Pullovers herum. "Was hat sie denn wieder angestellt?", hakte Kayla nach und richtete ihren Blick kurz auf den Fernseher, der noch immer lief. Die Stimmen der Schauspieler waren leise und kaum verständlich. Ausserdem sah es nicht wirklich interessant aus, also sah sie bald wieder zu mir. Ich rang mit mir selbst, diese ganze Geschichte machte mich wütend. "Sie hat gesagt, sie hätte mich betrogen. Es war aber nur ein Witz, weil sie dachte es wäre lustig. Aber ich hab es nicht ausgehalten und dann Schluss gemacht...", antwortete ich schliesslich, meine Wut zurückhaltend. Sie machte, gespielt überrascht, grosse Augen und sagte: "DU hast Schluss gemacht? Na das ist ja was Neues.." Dafür bekam sie diesmal von mir einen kleinen Schubser und fiel fast vom Bett. Es störte sie aber nicht weiter, sie lachte mich einfach aus und warf ein Popcorn nach mir. "Sorry, musste sein. Aber ich wusste genau, dass sie so eine ist... Echt scheisse. Aber jetzt geht's dir besser, oder?" Ich nickte und grinste sie an. "Viel besser. Ich fühl mich gut...und meine Mum ist auch wieder da. Gerade läuft es wirklich gut. Ich bin Single, habe Zeit für mich und eine Zeit lang Pause von diesem Liebeszeug." Sie grinste zurück und umarmte mich kurz. Dann steckte sie sich Popcorn in den Mund und kaute darauf herum. Das hielt sie aber icht davon ab, zu reden. "Das ist toll. Aber wenn du das gerade so sagst; ich dachte immer du stehst ein bisschen auf Clarke.", lachte sie und schaute zu mir. Bei Clarkes Namen stockte ich kurz. Erschrocken weiteten sich meine Augen, aufgrund dessen, was sie gerade gesagt hatte. Dann presste ich ein ungläubiges Lachen hervor und lehnte mich zur Schüssel mit den Snacks vor. "Oh gott, nein. Wirklich nicht. Sie ist nur eine echt gute Freundin. Das ist alles.", erklärte ich und nahm ausserdem die Fernbedienung, um den Film wieder lauter zu stellen. Es war eine unbewusste Reaktion auf die unangenehme Lage, in der ich mich gerade befand. Ich wollte einfach schnell das Thema wechseln. Kayla ass noch mehr und sagte: "Okay, hab schon verstanden." Wir schauten den Film zu Ende und verstanden nichts, da wir die ganze erste Hälfte verpasst hatten. Danach ging ich nach Hause.

Als ich wieder zu Hause war, schlüpfte ich sofort unter die Decke. Ich war verdammt müde und bereit, ins Land der Träume zu reisen. Ich war schon im Halbschlaf, als mein Handy einen leisen Ton von sich gab. Im Dunkeln tastete ich nach dem Störenfried und regte mich schon darüber auf, dass mir wertvoller Schlaf geklaut wurde.

"Gute Nacht <3"

Wir hatten schon vor ein paar Wochen angefangen, uns das zu schreiben, es war nicht komisch. Aber als ich 'Clarke' auf meinem Bildschirm las, zog sich ein Grinsen über mein Gesicht und ich entsperrte schnell mein Handy, überhaupt nicht mehr genervt. Das war der alles entscheidende Moment, endlich dämmerte es mir. Kayla hatte Recht, ich mochte Clarke. Und zwar wirklich, wirklich sehr.

Scheisse.

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