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Clarke sass und ich lag auf dem Sofa, meine Beine auf ihrem Schoss, sodass sie ihre Hände perfekt auf meine Knie legen konnte. Über uns lag eine flauschige Decke, deren Wärme uns wohlig umgab, während wir leise miteinander redeten. Wieso wir beinahe flüsterten, wusste ich nicht, aber wir beide schienen Angst zu haben, die angenehme Stille mit unseren Worten zu zerschneiden. "Was ist deine grösste Angst?, fragte mich Clarke gerade und drehte ihren Kopf zu mir, auf der Lehne des Sofas liegend. Ich blizelte sie an und überlegte. Ich hatte Angst vor der Tiefe des Meeres und dem, was da unten lauerte. Und ich hatte Angst vor schweren Prüfungen. Und auch sonst war ich oft schreckhaft, was bei Horrorfilmen aber nicht so war. Aber dann fiel mir das schlimmste ein. "Ich habe Angst vor dem Allein sein. Drum streite ich auch nicht gerne. Weil ich die Person dann verlieren könnte." Clarke sah mich an und sagte lange nichts, wahrscheinlich, weil sie nicht wusste was. Irgendwann atmete sie tief ein, als hätte sie es kurzzeitig vergessen, und antwortete mir dann: "Ja, das wär scheisse... ist das auch, wieso du dich nochmal auf deine verkappte Person eingelassen hast?", stichelte sie und grinste herausfordernd. "Haaaahaa. Müssen wir jetzt schon wieder über das Thema reden? Ich hab mich auf sie 'eingelassen', weil ich daran glaube, dass es funktionieren kann." , schilderte ich meine Beweggründe zum gefühlt hundertsten Mal. Mittlerweile kam dieser Satz mir über die Lippen, als wäre er eine einstudierte Zeile, für ein Theaterstück, oder so. Und das alles, weil Clarke mich immer damit aufzog. "Jaja, ich weiss doch. Und bisher war sie ja wirklich brav.", winkte sie ab und machte dann ein übertrieben überraschtes Gesicht. Ich warf ihr ein Kissen an den Kopf und nahm dann meine Beine von ihr herunter.

Ein Blick auf die Uhr verriet uns, dass es schon ziemlich spät geworden war. "Also, ich muss dann auch mal los. Aber danke für die Asianudeln, du Dummkopf.", erklärte sie, während sie sich vom Sofa erhob und in Richtung Tür lief. Ich hatte fast den Eindruck, dass ihre Stimme dabei etwas niedergeschlagen klang, aber das bildete ich mir bestimmt nur ein. Als ich den Spitznamen Dummkopf hörte, musste ich unwillkürlich grinsen und schlug ihr sanft auf den Oberarm. "Ist schon gut, du Arschloch. Wann sehen wir uns wieder?", hakte ich nach, darauf bedacht, nicht zu aufdringlich zu sein. Doch sie schien meine Frage nicht zu stören. Wieso auch, wir waren in den letzten Wochen zu so etwas wie besten Freundinnen geworden. Sie grinste zurück, hielt sich den Arm und tat so, als hätte es ihr wehgetan. "Übermorgen? Aber wieso denn immer der Arm?", stöhnte sie, geplagt von ihren gespielten Schmerzen und zog dann ihre Schuhe an. Wir lächelten still, bis sie bereit war, zu gehen. Wir standen in der offenen Haustür und umarmten uns schliesslich, fast so, als würden wir uns ewig nicht mehr wiedersehen. Clarke konnte man einfach super umarmen, es passte einfach. Wir lösten uns voneinander und ich sah ihr Lächeln, das ich immer gerne sah. Also lächelte ich zurück und verabschiedete mich. "Bis dann." "Ja, bis übermorgen dann.", versicherte sie mir und ging ein Paar Schritte rückwärts, bis sie sich dann umdrehte und um die Ecke schlenderte. Ich schloss die Tür hinter mir und räumte das Geschirr auf, das wir benutzt und dann im Wohnzimmer stehen gelassen hatten. Seit unsere Mutter nicht mehr nach Hause kam, waren wir viel ordentlicher geworden, was schon recht erstaunlich war. Bei wem sie ihre Tage verbrachte, wusste niemand so ganz genau. Wer auch immer der Kerl, oder die Kerle, waren, sie wohnten sehr weit weg. Nachdem das Wohnzimmer wieder so aussah, wie es vorher war, stand ich für einen Moment ratlos neben dem Sofa. Hier bleiben und einen Film ansehen, oder hinauf in mein Zimmer und Youtube schauen? Eigentlich war der Fall ja klar, aber ich hatte wenig Lust, mich jetzt noch die Treppen rauf zu schleppen. Also schmiss ich mich auf die Couch und suchte mir einen Fernsehsender, der mich nicht allzu sehr verblöden würde. Nach einer halben Stunde riss mich das Klingeln meines Handys aus dem Halbschlaf, in den mich die Doku über Wasservögel getragen hatte. Was zum...? Wer rief mich denn nach Mitternacht noch an? Ein Blick auf den Bildschirm, der mich zuerst blendete, als hätte ich 50 Jahre in einer Höhle gelebt, gab mir die Antwort. Es war Chaya. Grinsend nahm ich ab. Eigentlich war sie heute ja an einer Party, weshalb ich keine Nachricht mehr von ihr erwartet hatte.

"Hey du.", begrüsste ich sie und hörte im Hintergrund den gedämpften Bass der Musik. "Mein Schatz! Ich freu mich so dich zu hören.", schrie sie kichernd in den Hörer. Sie war wieder betrunken, natürlich. Ich seufzte lächelnd und fragte sie, wieso sie anrief. "Ich muss dir was sagen, Sky. Meine Lieblingsfreundin.", lallte sie jetzt etwas ernster und emtfernte sich, so wie es sich anhörte, von der Musik. Irgendwann war es still auf ihrer Seite. "Was denn?", fragte ich neugierig, da ich nicht wusste, was mich erwartete. Irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl bei der Sache. "Ähm. Also..., hör zu. Es tut mir leid, das musst du wissen.", murmelte sie leise und seufzte. Plötzlich klang sie verdammt nüchtern und genau so fühlte ich mich jetzt. Für was entschuldigte sie sich? Das konnte ja nur schlimm sein. Mein Herz rutschte mir in die Hose und ich setzte mich auf. "Was?", fragte ich trocken. Ein wenig zu trocken vielleicht, denn Chaya holte erschrocken Luft. Aber es war mir egal. Ich musste das jetzt wissen. Sie sagte erst gar nichts, dann druckste und stammelte sie herum, ohne wirklich ein Ende zu finden. "Chaya, was? Hör auf mit dem Scheiss, das ist nicht lustig.", sagte ich ernst und verleihte meiner Stimme noch etwas nachdruckt. Die verarschte mich doch. "Sky, verzeih mir bitte...", flehte sie mich jetzt weinerlich an. "Mann erzähl mir doch einfach was du gemacht hast!", fuhr ich sie wütend an. Das war kein Spass, mir reichte es. Sie keuchte geschafft und flüsterte dann.

"Ich hab dich betrogen."

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