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Am nächsten Morgen wurde ich von meinen hämmernden Kopfschmerzen und einem unangenehmen Gefühl in der Magengegend geweckt. Ich stöhnte leise, als ich mich auf die andere Seite des Bettes rollte, um an mein Handy zu kommen. Es lag auf dem Nachttisch. Wie es dort hin gekommen war, wusste ich nicht mehr. Ich konnte mich auch nicht daran erinnern, wie ich es in mein Bett geschafft, oder wie ich mich meiner Hosen entledigt hatte. Das Einzige, was ich wusste, war wie ich nach Hause gekommen war. Mit dem Mädchen von der Party, dessen Namen ich nicht einmal kannte. Ich war aber auch zu betrunken gewesen, um sie zu fragen. Mein Handy zeigte an, dass es fast Mittag war. Das bestätigte auch das Licht, das spielerisch durch den kleinen Spalt zwischen meinen Vorhängen fiel. Ich kniff die Augen zusammen und wandt mich ab. Noch nie war ich so froh gewesen diese Vorhänge uu haben. Obwohl ich nicht wusste, wann ich heuge Morgen zu Hause gewesen war, entschied ich mich dafür, dass ich eindeutig zu wenig schlafen durfte. Also rollte ich mich, sehr bedacht darauf, keine zu schnelle Bewegung zu machen, wieder zurück in mein Kissen. Der kleine Wecker auf meinem Nachttisch tickte wie immer leise vor sich hin. Sonst störte es mich, aber heute liess es mich immer weiter abdriften, bis ich schliesslich fast wieder eingeschlafen war.

Lange blieb ich nicht verschont, denn irgendwann platzte Matt in mein Zimmer und stellte sich mit verschränkten Armen an mein Bettende. Ich blinzelte ihn wütend an, immerhin hatte er mir meine wohlverdiente Ruhe geklaut, und murrte: "Was?" Er musste leicht lachen, aus Schadenfreude, und liess dann seine Arme neben seinen Körper fallen. "Wo ist mein Auto?" Scheisse. Er hatte mir gestern sein Auto geliehen, dass Nelly und ich zur Party fahren konnten. Jetzt fiel mir wieder ein, dass ich es gestern Abend ganz vergessen und einfach stehen lassen hatte. Ich schlug mir die Hand an die Stirn und vergrub dann mein Gesicht in meinen Händen. Wie konnte ich nur so vergesslich sein? "Ach mann, sorry. Das steht noch vor dem Haus, in dem die Party stattgefunden hat. Wann brauchst du es?", murmelte ich leise und sah ihn entschuldigend an. Er zuckte mit den Schultern. "In 'ner Stunde?" Ich nickte und setzte mich langsam auf. Wieder überkam mich diese Übelkeit und ich hielt mir den Bauch. "Okay, ich hol es nachher." Matt lächelte dankend und ging zur Tür. Dann sah er noch einmal zu mir zurück und lachte. "Spring erstmal unter die Dusche, ich stell dir unten einen Kaffee bereit." Ich nickte lächelnd und stand auf, als er schon aus dem Zimmer verschwunden war. Manchmal waren grosse Brüder wohl doch für etwas gut.

~

Mit dem Bus war ich relativ schnell bei der vorherigen Partylocation und so stand ich eine knappe Viertelstunde und eine Tasse Kaffee später vor dem unscheinbaren Haus. Meine Übelkeit war weitestgehend abgeflaut und so langsam fühlte ich mich immer besser. Nur das Kopfweh störte mich noch. Auf dem Kiesweg, an den ich mich gar nicht mehr erinnern konnte, ging ich auf das Gebäude zu. Ich war nervös, weniger wegen des Mädchens, sondern viel mehr aufgrund meiner allgemeinen Angst vor fremde Leute zu treten. Ich kannte sie ja gar nicht und, wenn sie ein Junge wäre, hätte ich ihre Sprüche gestern einfach nur schmierig und abartig gefunden. Ich wäre auch nie bei ihr eingestiegen, auch wenn mein Zustand gar keinen Widerspruch zugelassen hätte. Also was machte dieser Fakt, dass sie ein Mädchen war, aus? Ich hatte mich nicht angeekelt sondern geschmeichelt gefühlt, ich mochte sie sogar und das verwirrte mich.

Sie öffnete die Tür, während sie etwas sagte, mit dem Kopf nach innen gedreht. Es ging nicht an mich, weshalb ich mich auch nicht darauf konzentrierte. Wohl eher auf das Mädchen vor mir, die, als sie mich erkannte, ein breites Grinsen aufsetzte. "Das Mädchen von neben dem Sofa. Hey." Ich lächelte unbeholfen und wippte unruhig auf meinen Füssen herum. "Hey... ich hab hier was vergessen." Sie nickte und ging beiseite, um mich ins Haus zu lassen. Ich blieb stehen und sah sie an, schüttelte dann den Kopf, als ich ihren verwirrten Blick bemerkte. "Oh nein, es ist nicht drinnen. Es ist..ein Auto." Mir war bewusst wie dumm das klang, weshalb ich kurz darauf so rot wurde wie ein Stoppschild. Oh mann, ich war echt peinlich. Sie runzelte die Stirn und liess die Tür los, die sie mir schon die ganze Zeit offen hielt.

Als ich gerade Angst vor ihr und ihren ernsten Augen bekam, änderte sich ihr Gesichtsausdruck schlagartig und sie grinste wieder. Wahrscheinlich hatte sie sich gefragt, warum ich ihr gestern nicht gesagt hatte, dass ich mit meinem eigenen Auto da war. Oder wieso ich überhaupt soviel getrunken hatte. Und jetzt hatte sie mich entweder als  dumm oder einfach nur einen riesigen Absturz abgestempelt. "Ach, wenn es weiter nichts ist.", lachte sie leicht, bestimmt über meine Dummheit, und trat zu mir in den Vorgarten. Die Mittagssonne stand hoch am Himmel und es blendete sogar, wenn man die weisse Hauswand anschaute. Ich hasste das. "Wo steht denn dein Auto?", fragte sie nun und liess ihren Blick schon über die Strasse wandern. Ich drehte mich in die Richtung, in der das Auto stand und fing an langsam darauf zuzugehen. "Ach, es ist gar nicht meines. Das meines Bruders, er hat es mir gestern geliehen und braucht es jetzt." Das Mädchen schritt neben mir her, die Hände in der Hosentasche und die Augen auf den Boden gerichtet. "Auch gut. Ist es das?", zeigte sie auf Matts Wagen, als wir kurz davod standen. Ich nickte und kramte den Schlüssel aus meinem Rucksack. Sie streckte mir ihre Hand hin, was ich nur mit einem verwirrten Blick quittieren konnte. Nachdem sie etwas gewartet hatte, lachte sie wieder und wedelte mit der Hand. "Ich bin übrigens Erin." Achso, sie wollte meine Hand schütteln. Schnell zog ich diese aus meinem Rucksack und verhakte sie mit ihrer. Sie war eiskalt und das, obwohl es so heiss war. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen, als ich ihr leise antwortete. "Sky. Wie der Himmel." Was sollte das denn werden? Noch nie hatte ich meinen Namen so beschrieben. "Wie der Himmel.", wiederholte sie zustimmend und lehnte sich an Matts Auto. "Darf ich dich wegen deiner Handynummer fragen?"

Erin war wirklich seltsam. Sie war das komplette Gegenteil von Clarke. Sie war kalt, Clarke war die Wärme in Person. Ich war verwirrter als zuvor, mein Plan mich abzulenken war nicht aufgegangen. Innerlich verfluchte ich diese Party und Nelly und Erin und Liv. Noch immer auf eine Antwort wartend stand sie vor mir. Ich gab ihr mein Handy, unfähig daran zu denken, was ich da gerade tat. Ich wollte zu Clarke, ihr alles erzählen. Oder einfach nur hören, was sie dazu sagte. Und vielleicht wollte ich auch, dass sie eifersüchtig wurde. Aber das waren Träume, die wohl nie in Erfüllung gehen würden. Erin gab mir mein Handy, mit ihrer Nummer darin eingespeichert, wieder zurück. Ich bedankte mich, sie lächelte, stiess sich vom Auto ab und verschwand wieder im Haus. Ich stieg ein und fuhr nach Hause. Mir ging es jetzt noch schlechter, als vorher mit meinem Kater.

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